Stillschweigen in Berlin Politiker sprechen mit Nokia
18.01.2008, 17:26 UhrVertreter der Bundesregierung und Nordrhein-Westfalens haben in Berlin mit der Geschäftsführung des Handyherstellers Nokia über die beabsichtigte Schließung des Werkes in Bochum gesprochen. Mögliche Ergebnisse der mehr als zweistündigen Unterredung wurden nicht bekannt. Das Wirtschaftsministerium wollte sich nicht zum Ausgang äußern. Es sei Stillschweigen vereinbart worden, sagte ein Ministeriumssprecher. Er könne lediglich die Unterredung unter Leitung des Wirtschaftsstaatssekretärs Hartmut Schauerte bestätigen. Von nordrhein-westfälischer Seite habe Landesministerin Christa Thoben teilgenommen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den finnischen Handyhersteller Nokia zuvor zur Offenlegung seiner Motive für die angekündigte Werksschließung in Bochum aufgefordert. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sagte am Freitag in Berlin: "Das Vorgehen des Unternehmens wirft aus Sicht der Bundeskanzlerin noch viele Fragen auf und es ist das Interesse der Bundesregierung, diese Fragen zu klären und Auskunft von dem Unternehmen zu erhalten." Zurzeit konzentrierten sich alle Anstrengungen, auch der Regierung, darauf, "möglichst viel für den Standort und möglichst viel für die Beschäftigten herauszuholen", sagte er.
Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums ergänzte, es würden weiter mit allen Beteiligten Gespräche geführt. Zu den Details wollte er sich nicht äußern. Steg sagte, es gebe einen Gesprächs- und einen Informationsbedarf: "Es ist schon wichtig, die genauen Motive zu erfahren." Für Aufrufe zum Boykott von Nokia-Produkten habe die Kanzlerin Verständnis.
Nordrhein-Westfalen will Geld zurück
Das Land Nordrhein-Westfalen hat nach Angaben von Wirtschaftsministerin Christa Thoben Erkenntnisse, dass Nokia gegen Beschäftigungszusagen verstoßen haben könnte. Das Land könnte von dem Handy-Hersteller Fördermittel von bis zu 40,8 Millionen Euro zurückfordern, sagte die CDU-Politikerin in Bochum.
Die Subventionen seien an die Zusage gebunden gewesen, dass in dem Bochumer Werk 2800 Menschen beschäftigt würden, erläuterte Thoben. Nokia hatte in dieser Woche überraschend die Schließung des Werks mit nach Konzernangaben rund 2300 fest angestellten Mitarbeitern zur Jahresmitte bekanntgegeben. Der Konzern will aus Kostengründen die Produktion nach Rumänien, zum Teil auch nach Ungarn und Finnland verlagern.
Steinbr ück: "Keine allzu großen Hoffnungen machen"
Unterdessen hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück dem finnischen Konzern wegen der geplanten Schließung seines Bochumer Werkes eine Gefährdung der gesellschaftlichen Stabilität vorgeworfen. Den betroffenen Beschäftigten sollte man aber keine allzu großen Hoffnungen machen, dass die Entscheidung noch revidiert wird, warnte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk.
"Das ist ein Ausdruck eines Karawanenkapitalismus", kritisierte Steinbrück den Konzern. Dessen Manager müssten wissen, dass sie mit dieser überraschenden und kaum nachvollziehbaren Entscheidung die Zustimmung vieler Menschen zu diesem Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell unterminierten. "Die Menschen verlieren Vertrauen, und das ist eminent gefährlich", sagte er. Solche Vorgänge gefährdeten die gesellschaftliche Stabilität.
Kein Kurswechsel bei Nokia
Ungeachtet harscher öffentlicher Kritik bekräftigte Nokia seine Schließungspläne für das Bochumer Werk noch einmal. Das Unternehmen habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht und auch vor der Verkündung immer wieder auf den Prüfstand gestellt, sagte Nokia-Sprecherin Kristina Bohlmann dem WDR. Nokia wolle nun zügig mit dem Betriebsrat an einen Tisch kommen, um zu schauen, wie man den Beschäftigten in dieser "sehr schweren Situation" helfen könne.
Bohlmann wies Vorwürfe über den Missbrauch von Fördergeldern zurück. Nokia habe in den 90er Jahren Subventionen erhalten und sich dabei an alle Vereinbarungen in Kontakt mit den zuständigen Stellen gehalten, unterstrich sie.
Symbolischer Akt
Unterdessen tauscht Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) aus Solidarität mit den Beschäftigten des Nokia-Werks in Bochum sein Handy aus. "Weil die Art und Weise, wie das abläuft, mir nicht gefällt", sagte Seehofer am Freitag auf seinem traditionellen Rundgang bei der Grünen Woche in Berlin. Die "Bild"-Zeitung hatte darüber berichtet. Seehofer will nun ein Gerät einer anderen Firma wählen.
Quelle: ntv.de