Kampf um Conti Schaeffler prescht vor
14.07.2008, 12:46 UhrDie fränkische Schaeffler-Gruppe steht übereinstimmenden Medienberichten zufolge unmittelbar vor der Übernahme des Dax-Konzerns Continental. Wie mehrere Zeitungen berichten, hat sich das Familienunternehmen über Optionen den Zugriff auf ein großes Conti-Aktienpaket gesichert. Dem "Handelsblatt" zufolge könne Schaeffler so auf 36 Prozent der Continental-Anteile zugreifen. Auch die "Financial Times Deutschland" und die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" berichten über den Aktienerwerb über mehrere Banken. Diesen beiden Zeitungen zufolge hat Schaeffler Zugriff auf etwa 30 Prozent der Conti-Papiere. Als Quelle nennen die Blätter Finanzkreise. Die Franken seien von verschiedenen Kreditinstituten, darunter die Royal Bank of Scotland, Dresdner Bank, Deutsche Bank und Merrill Lynch unterstützt worden.
Man habe sich "durch die Hintertür angeschlichen", zitiert das "Handelsblatt" aus den Kreisen. Durch die Verteilung auf verschiedene Banken und die Verwendung von Optionen werde die gesetzliche Meldepflicht umgangen. Das sei das Modell Porsche, hieß es mit Verweis auf das Vorgehen der Stuttgarter bei der Übernahme von VW. Laut Wertpapierhandelsgesetz müssen Aktionäre mitteilen, wenn ihr Besitz die Schwellen von drei, fünf, zehn oder 25 Prozent des Aktienkapitals überschreitet.
Schwierige Situation
Für Conti sei das eine schwierige Situation. Als Abwehr denkbar sei unter anderem der rechtliche Weg, weil Schaeffler sich offenbar den Einfluss auf Continental gesichert habe, ohne ein Angebot an die freien Aktionäre abzugeben. Das könnte ein Fall für die Finanzaufsicht BaFin sein, heißt es in dem "Handelsblatt"-Bericht. Als nahezu aussichtslos dürfte sich angesichts der Größe des Aktienpakets die Suche nach einem sogenannten weißen Ritter erweisen.
Die Schaeffler-Gruppe setze den Dax-Konzern unter enormen Druck, schreibt die "FTD". Sollte sie alle Optionen ziehen, sei sie der mit Abstand mächtigste Aktionär und könnte eine Mehrheit auf der nächsten Hauptversammlung erreichen. Nach Informationen der Zeitung wollen sich Manager der beiden Unternehmen in Kürze zu einem weiteren Gespräch treffen. Conti stellt sich laut "Handelsblatt" auf die Abwehr des feindlichen Übernahmeversuchs ein. Vorstandschef Manfred Wennemer und sein Finanzchef Alan Hippe bereiteten entsprechende Maßnahmen vor, hieß es in Aufsichtsratskreisen. Die Kontrolleure wollen in den nächsten Tagen über die Abwehrstrategie beraten.
Aktie legt kräftig zu
Zuvor hatte Continental Kontakte über eine mögliche Übernahme durch den Wälzlagerhersteller Schaeffler bestätigt. Nach Angaben des Dax-Konzerns hat es in der vergangenen Woche ein erstes, kurzes Gespräch über ein mögliches Engagement der Schaeffler-Gruppe an Continental gegeben. "Weitere Gespräche haben nicht stattgefunden. Sobald die Schaeffler-Gruppe ihre Überlegungen substantiiert hat, wird der Vorstand der Continental AG diese prüfen und zu den Ergebnissen in angemessener Weise weiter informieren", hieß es weiter in Hannover.
Die Schaeffler-Gruppe bestätigte ihr grundsätzliches Interesse an einem Engagement bei Continental. Es werde möglicherweise noch weitere Gespräche geben, sagte Unternehmenssprecher Detlef Sieverdingbeck. Details zu Form und Inhalt des Gesprächs sowie zum weiteren Zeitplan wollte er nicht nennen. Das Interesse des fränkischen Familienunternehmens an Continental sorgt für großes Aufsehen. Die Aktie sprang an der Börse um mehr als 20 Prozent nach oben.
Laut "Financial Times" hat Schaeffler Continental ein Angebot vorgeschlagen, das den Automobilzulieferer aus Hannover mit mehr als 10 Mrd. Euro bewertet. Schaeffler soll mit der Royal Bank of Scotland (RBS) zusammenarbeiten und sei notfalls auch zu einer feindlichen Übernahme bereit. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete, die Herzogenauracher wollten auch die Conti-Schulden von rund 11 Mrd. Euro übernehmen.
Conti-Börsenwert hat sich halbiert
Eine Übernahme von Continental wäre der größte Unternehmenskauf in diesem Jahr in Europa. Mit der Übernahme von börsennotierten Unternehmen hat Schaeffler Erfahrung. Im Jahr 2001 wurde der Schweinfurter Autozulieferer FAG Kugelfischer gegen den Willen der dortigen Unternehmensführung übernommen - und danach von der Börse genommen.
Zur Finanzierung des Continental-Kaufs werde erwogen, das Reifengeschäft vom Rest der Continental-Gruppe abzuspalten, die sich erst vor einem Jahr durch den Kauf von Siemens VDO erheblich vergrößert habe, schrieb die "FAZ" weiter. Das Reifengeschäft mache Continental zurzeit ohnehin nur wenig Freude - es leide unter hohen Rohstoffpreisen und einer schleppenden Automobilnachfrage.
Das Unternehmen hatte daher Ende der Woche eine weitere Preiserhöhung für einen Teil seiner Produkte angekündigt. In den vergangenen zwölf Monaten habe sich der Börsenwert von Continental halbiert, was Schaeffler den Einstieg nun erheblich erleichtere.
Conti unter den ersten Fünf
Die von Maria-Elisabeth Schaeffler kontrollierte Schaeffler-Gruppe ist der weltweit zweitgrößte Wälzlager-Konzern. Der familiengeführte Konzern fertigt Lager unter anderem für Maschinen, Anlagen, die Automobilindustrie sowie die Luft- und Raumfahrt. Im Jahr 2007 erwirtschaftete die Schaeffler-Gruppe mit ihren drei Marken INA, LuK und FAG und ihren weltweit 86.000 Beschäftigten einen Umsatz von 8,9 Mrd. Euro.
Der Continental-Konzern gehört mit einem anvisierten Umsatz von mehr als 26,4 Mrd. Euro in diesem Jahr weltweit zu den fünf führenden Automobilzulieferern. Zu den Produkten zählen Bremssysteme, Systeme und Komponenten für Antrieb und Fahrwerk, Instrumentierung, Infotainment-Lösungen, Fahrzeugelektronik und Reifen. Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 150.000 Mitarbeiter an nahezu 200 Standorten in 36 Ländern.
Mit der einer Übernahme von Continental durch die Schaeffler-Gruppe könnte der drittgrößte Autozulieferer der Welt entstehen.
Teurer Deal
Das fränkische Familienunternehmen muss Branchenexperten zufolge bei einer Übernahme des knapp dreimal größeren Autozulieferers Continental tief in die Tasche greifen. "Mindestens 80 bis 100 Euro je Aktie müssten es wohl sein, das entspricht 13 bis 16 Mrd. Euro", sagte NordLB-Analyst Frank Schwope. "Wir glauben, Conti sollte nicht für weniger als 100 Euro pro Aktie verkauft werden", erklärte Arndt Ellinghorst von CreditSuisse.
"Der Durchschnittskurs der letzten drei Monate beträgt 71 Euro", sagte UniCredit-Analyst Georg Stürzer. "Das wird aber wohl nicht reichen." Er rechnet mit einem Gebot von 80 bis 90 Euro. Christian Müller von Global Insight hält eine Offerte für um die 80 Euro am wahrscheinlichsten. Die Schulden von Conti eingerechnet, müsste Schaeffler wohl 27 Mrd. Euro für den Kauf des hannoverschen Konzerns aufbringen, analysierte Ellinghorst. Zur Finanzierung des Deals sei ein Verkauf der Gummi-Sparten (Pkw- und Lkw-Reifen und Spezialschläuche) denkbar, was bis zu zehn Mrd. einbringen könnte. Allerdings müsse das fränkische Unternehmen dann wohl mit dem Widerstand des Conti-Managements rechnen.
Andere Branchenexperten halten es für denkbar, dass sich Schaeffler bei den Übernahmeplänen mit einem anderen Unternehmen zusammentut. "Sie könnten das zusammen mit einer Firma wie Michelin oder Pirelli machen, die dann das Reifengeschäft übernehmen könnte", sagte Schwope. Ein vor allem an den Conti-Marken interessierter Käufer aus Asien sei der wahrscheinlichste Bieter für die Conti-Reifensparte, sagte Müller.
Bei einer Übernahme durch Schaeffler könnte Conti der Rausschmiss aus dem Dax drohen. "Solange der Streubesitz über 40 Prozent bleibt, sehe ich aber keine Gefahr, dass sie aus dem Dax rausfallen", sagte Christian Stocker, Index-Spezialist bei Unicredit. Bei einem Rausfall von Conti seien K+S und Salzgitter heiße Kandidaten für einen Aufstieg.
Quelle: ntv.de