14 Mrd. Euro vernichtet Schwarzer Tag für Siemens
17.03.2008, 17:30 UhrEine großangelegte Aktion zur Bereinigung von Altlasten hat Siemens zu einer Gewinnwarnung gezwungen und damit rund 14 Mrd. Euro vom Börsenwert des Münchener Technologiekonzerns vernichtet. Die Aktie brach infolge der bösen Überraschung um 17 Prozent auf 67 Euro ein. Das entspricht in etwa dem Marktwert von MAN. Löscher und Finanzvorstand Joe Kaeser nutzten den Preisverfall und deckten sich privat mit Siemens-Titeln ein. Allein der Konzernchef machte dafür 3,3 Mio. Euro locker.
Wegen einer Vielzahl unrentabler Großprojekte im Kraftwerksbau, der Zugsparte und dem IT-Segment zog der Konzern seine Gewinnprognose für das Geschäftsjahr 2007/08 zurück. Allein im laufenden Quartal werde der Gewinn um 900 Mio. Euro geschmälert, hieß es. Bislang war der Konzern für das laufende Geschäftsjahr (zum 30. September) davon ausgegangen, den Umsatz doppelt so stark zu steigern wie die Weltwirtschaft wachse. Das operative Ergebnis sollte doppelt so stark zulegen wie der Umsatz.
Diese Prognose galt ursprünglich auch für das kommende Geschäftsjahr. Davon war Löscher allerdings nach und nach abgerückt. Eine neue Prognose für 2007/08 will Siemens bis Ende April formulieren. Die Manager lasteten das Finanzdebakel ihren Vorgängern an. "Was wir hier vor uns liegen haben, ist die Aufarbeitung der Vergangenheit", sagte Vorstandschef Löscher in einer Telefonkonferenz. Seit seinem Amtsantritt ist der Wert von Siemens an der Börse um rund 37 Mrd. Euro geschrumpft.
Falsche Einschätzung
Von den bereits feststehenden Einbußen von 900 Mio. Euro beziehen sich 600 Mio. auf den Kraftwerksbau, 200 Mio. auf die Zug-Sparte und gut 100 Mio. auf die IT-Sparte SIS, erklärte Finanzchef Kaeser. Der Chef des Energiesegments, Wolfgang Dehen, räumte ein, dass Siemens sich mit Aufträgen für konventionelle Kraftwerke übernommen habe. "Wir haben die Zuliefersituation unterschätzt und wir haben unsere Personal- und Planungskapazitäten falsch eingeschätzt", sagte er.
Aufgrund der ohnehin dünnen Personaldecke sei aber nicht von einem Stellenabbau auszugehen. Betriebsratschef Ralf Heckmann zeigte sich dennoch besorgt, dass der Gewinneinbruch Jobs kosten könne. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat seien vom Vorstand mit der Gewinnwarnung überrollt worden.
Die Sorgenkinder
Die Sanierung defekter "Combino"-Straßenbahnen beschäftigt Siemens seit Jahren. Gut die Hälfte der 475 ausgelieferten Züge seien mittlerweile repariert, sagte der neue Chef des Industrie-Segments, Heinrich Hiesinger. Bis 2010 soll die Instandsetzung abgeschlossen sein - und wird Siemens bis dahin weiter Geld kosten. Auch die Hängepartie um die Verlängerung der Transrapid-Strecke im chinesischen Shanghai belaste die ohnehin renditeschwache Sparte. 50 Mio. Euro habe Siemens bisher für Ingenieursleistungen ausgegeben, ohne sicher zu wissen, ob die Trasse jemals ausgebaut wird.
Siemens hatte das Projektgeschäft mit Zügen und Kraftwerken auf den Prüfstand gestellt, nachdem die Sparten immer wieder ins Trudeln geraten waren und ihre Renditeziele verpasst hatten.
Die erst im vergangenen Jahr sanierte IT-Sparte SIS verlor einen 85 Mio. Euro schweren, prestigeträchtigen Auftrag des britischen Arbeitsministeriums. Die Behörde stornierte die Order, nachdem Siemens einräumen musste, die neue EDV-Struktur nicht wie geplant bis 2010 installieren zu können.
Mit den Aufräumarbeiten habe Siemens das Schlimmste hinter sich, sagte Finanzvorstand Kaeser. Allerdings wollte er nicht ausschließen, dass es auch in den kommenden Quartalen noch zu Belastungen kommen könnte. Die Renditeziele für 2010 seien aber nicht in Gefahr, betonte Löscher. Analysten sind da skeptisch. "Siemens derzeitige operative Leistung ist enttäuschend, und wir erwarten, dass die Margen in den kommenden 18 Monaten unter Druck kommen", urteilte Bear-Stearns-Analyst Timm Schulze-Melander. "Siemens leidet unter einem tiefsitzenden Problem bei Orderakquise und -umsetzung."
Siemens kündigte an, Aufträge allem im Kraftwerksbau künftig deutlich zurückhaltender anzunehmen. Der Konzern werde den Bau schlüsselfertiger Kraftwerke stark zurückfahren. Siemens wolle künftig jeweils ein Drittel des Geschäfts mit Dienstleistungen, Einzelkomponenten für die Energieerzeugung und schlüsselfertigen Kraftwerken machen, sagte Vorstand Dehen.
Quelle: ntv.de