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Robuste Zahlen Siemens-Chef versöhnlich

Die Spitze des Siemens-Konzerns zeigt im Streit mit seinen in die Korruptionsaffäre verwickelten Ex-Vorständen Kompromissbereitschaft. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme sprach auf der Hauptversammlung in München mit Blick auf die Schadenersatzforderungen an frühere Führungskräfte von einem Vergleich, "soweit er sich anbietet". Konzernchef Peter Löscher erläuterte: "Wir wollen das Unternehmen befrieden, befrieden mit seiner jüngeren Vergangenheit und mit den Persönlichkeiten, die über die dunklen Seiten hinaus auch für große Erfolge und wichtige Weichenstellungen stehen." Das heiße nicht, etwas unter den Teppich zu kehren. Vielmehr gehe es darum, "die Vergangenheit mit allen ihren Seiten zu akzeptieren".

Siemens fordert von den früheren Vorstandschefs Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld sowie neun weiteren Ex-Managern Schadenersatz, weil sie nach Ansicht des Unternehmens ihre Aufsichtspflichten verletzt haben. Der Aufsichtsrat hatte sich im Juli 2008 zu diesem Schritt entschlossen, da er sonst Aktionärsklagen hätte fürchten müssen.

Vor allem Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in der Vergangenheit mehrfach weit von sich gewiesen. Auch sein Nachfolger Klaus Kleinfeld, heute Chef beim weltgrößten Aluminiumhersteller Alcoa, wehrte sich. Medienberichten zufolge will Siemens bis zu sechs Millionen Euro Schadenersatz von seinen früheren Führungskräften verlangen; allerdings wurden im Aufsichtsrat Agenturberichten zufolge noch keine Summen diskutiert. Mögliche Vergleiche in dem Verfahren könnten laut Aktiengesetz der Hauptversammlung frühestens 2010 zur Abstimmung vorgelegt werden, sagte Cromme.

Im Dezember 2008 hatte sich der Konzern mit den Justizbehörden in Deutschland und den USA auf eine Milliardenbuße geeinigt und so die wichtigsten Ermittlungen zu den schwarzen Kassen im Konzern beendet. Vorstandschef Löscher sagte, damit sei "in Rekordzeit die entscheidende Hürde dafür genommen, wieder ein ganz normales Unternehmen zu werden". Insgesamt kosteten die Folgen des größten Schmiergeldskandals der deutschen Nachkriegsgeschichte Siemens gut drei Milliarden Euro.

Gute Zahlen

Siemens stellt sich nach einem guten Start ins Geschäftsjahr auf zunehmenden Gegenwind durch die Wirtschaftskrise ein. Zwar halte das Unternehmen an den Gewinnzielen für 2009 fest, doch sei es im schwierigen Marktumfeld noch "ambitionierter" geworden, diese zu erreichen, sagte Siemens-Chef Peter Löscher vor Beginn der Hauptversammlung in München. "Wir werden uns das jedes Quartal sehr genau ansehen." Siemens sei aber besser für die weltweite Rezession gerüstet, als viele der Wettbewerber. "Wir sind robust unterwegs." Allerdings bestätigte Löscher auch Gespräche über Kurzarbeit an drei Siemens-Standorten.

"Wir sind in Gesprächen mit Arbeitnehmervertretern", sagte Löscher. Man wolle aber auch alle anderen Mittel nutzen - beispielsweise flexible Arbeitszeiten und -strukturen. Grundsätzlich sei der Konzern mit seinen bundesweit 100 Standorten gut aufgestellt. Details zu den Standorten sowie zur Zahl der möglicherweise betroffenen Beschäftigten nannte Löscher nicht.

Die Maßnahmen stießen unter Aktionärsvertretern angesichts ungekürzter Managergehälter auf Kritik. "Im Hinblick auf die Aufsichtsratsvergütung, die auf der Tagesordnung steht, wollen wir mehr Kenntnisse haben, mehr Transparenz", sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz bei n-tv. "Wir können es im Moment nicht abschätzen, wie hoch wirklich die Gehälter werden. Und bei den Vorständen: Gut 9,8 Mio. für Herrn Löscher, damit ist er in der Spitzengruppe der deutschen Wirtschaft - und angesichts auch des internen Stellenabbaus, der Restrukturierungsprogramme hätte ich mir etwas mehr Bescheidenheit gewünscht."

"Nur drei Millionen"

Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme verteidigte die geplante Anhebung der Vergütungen für das Kontrollgremium. "Wir haben den Rat externer Experten hinzugezogen und im Vorfeld zahlreiche Gespräche mit unseren großen Investoren geführt, die mit überwiegender Mehrheit unseren Vorschlag unterstützen", erklärte Cromme auf der Hauptversammlung. Gegen eine Erhöhung der Bezüge machen die Siemens-Belegschaftsaktionäre Front, die das Vorhaben mit einem Gegenantrag stoppen wollten.

Wesentliche Veränderung sei, dass die Arbeit in den Ausschüssen höher vergütet werde, sagte Cromme. "Nach dem bisherigen Vergütungssystem bekommt der Aufsichtsrat für das abgelaufene Geschäftsjahr 3,3 Mio. Euro, nach dem neuen System wären es nur drei Millionen Euro gewesen. Das spricht für sich", sagte er.

Nach Berechnungen der Belegschaftsaktionäre hätte der Chef-Kontrolleur nach dem neuen Modell für das vergangene Jahr fast 800.000 Euro bekommen und damit mehr als doppelt so viel wie bisher. Diese Zahl sei "völlig aus der Luft gegriffen", sagte Cromme.

Stabile Umsatzerwartung

Für das gesamte Geschäftsjahr 2008/09 (30. September) macht sich Siemens auf rückläufige Bestelleingänge gefasst, will seinen Umsatz aber mindestens stabil halten. "Der Umsatz wird nicht unter dem des Vorjahres sein", sagte Finanzchef Joe Kaeser. Im ersten Quartal legten die Erlöse im Jahresvergleich um sieben Prozent auf 19,6 Mrd. Euro zu. Beim Auftragseingang spürte der Konzern erste Bremsspuren, er gab von 24,2 auf 22,2 Mrd. Euro nach. Damit habe sich Siemens aber deutlich besser als die meisten Wettbewerber behauptet, sagte Löscher.

Das Ergebnis der Sektoren Industrie, Energie und Gesundheit kletterte von Oktober bis Dezember um 20 Prozent auf zwei Milliarden Euro. Unter dem Strich brach der Gewinn von 6,5 auf 1,2 Mrd. ein, doch hatte Siemens im Vorjahreszeitraum einen hohen Sonderertrag durch den Verkauf des Automobilzulieferers VDO verbucht.

An dem operativen Ergebnisziel der drei Sektoren von 8,0 bis 8,5 Mrd. Euro für das Gesamtjahr hielt Siemens zwar fest. Voraussetzung sei aber, dass es nicht auf Seiten der Kunden zu wesentlichen Verzögerungen oder Stornierungen von Großprojekten komme und die Preise im weiter problematischen Marktumfeld nicht noch weiter gedrückt würden. "Man muss sehen, wie die Kunden sich im Einzelnen verhalten", erklärte Kaeser.

Dabei könne sich Siemens auf den Konzernumbau stützen, der mit dem Abbau von rund 17.000 Arbeitsplätzen einhergeht. "Wir haben früh begonnen, Siemens wetterfest zu machen", sagte Löscher. "Natürlich spüren auch wir diese Entwicklung, aber wir sind besser gerüstet als andere."

Strenger Sparplan

Die weltweite Nachfrageflaute sei besonders im Industrie- Sektor des Unternehmens zu spüren. Hier schrumpfte der Bestelleingang im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um elf Prozent auf 9,8 Mrd. Euro. Vor diesem Hintergrund will der Konzern seine Einsparungen in der Verwaltung weiter entschlossen umsetzen. Möglicherweise könnte der Sparkurs auch noch einmal verschärft werden, deutete Finanzchef Kaeser an: "Für den Fall, dass weitere Maßnahmen nötig sind, werden wir die natürlich prüfen."

Auch die Lichttechnik-Tochter Osram büßte im ersten Quartal an Gewinn ein. Die problembehaftete Verkehrstechnik konnte ihr Ergebnis dagegen von niedrigem Niveau aus verdoppeln. Weiterhin gut liefen die Geschäfte im Energie-Sektor, das Ergebnis verdoppelte sich sogar.

Die Medizintechnik verbucht den größten Erfolg bei den Neuaufträgen. Sie erhielt sogar mehr Bestellungen als im Vorjahreszeitraum - obgleich weiterhin im US-Gesundheitssystem gespart wird. Allerdings blieb die Sparte unter dem Margenziel.

Am Vorabend hatte Siemens den Ausstieg aus der Partnerschaft mit dem französischen Atomkonzern Areva bekanntgegeben. In den kommenden Monaten wolle man nun Verhandlungen über neue Kooperationen aufnehmen, sagte Löscher. In Medienberichten war spekuliert worden, Siemens könnte sich mit dem russischen Staatskonzern Atomenergoprom zusammentun. Dieser sei aber nur "einer von mehreren möglichen Partnern", sagte der Konzernchef.

Quelle: ntv.de

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