Erster Schmiergeld-Prozess Siemens-Manager gesteht
26.05.2008, 09:47 UhrIm ersten Prozess um den milliardenschweren Schmiergeldskandal bei Siemens hat der Angeklagte ein Geständnis abgelegt. Es treffe zu, dass er über ein System schwarzer Kassen von Siemens rund 53 Mio. Euro für Schmiergeldzahlungen abgezweigt habe, sagte Reinhard S., ein früherer Manager der Telekommunikationssparte, zum Auftakt des Verfahrens vor dem Münchner Landgericht. Der Bereichsvorstand habe jedoch davon gewusst.
Dem 57-Jährigen wird Untreue in 58 Fällen zur Last gelegt. "Der Angeklagte entschied in eigener Machtvollkommenheit, wer die Gelder erhielt", sagte dagegen Staatsanwältin Nora Kaiser.
Der Angeklagte S. bestätigte die Vorwürfe aus der 33-seitigen Anklageschrift, wonach er Ende der 1990er Jahre ein bestehendes Schmiergeldsystem übernommen und es zusammen mit Kollegen und mit Wissen seines Chefs weiterentwickelt habe. "Natürlich war mir und allen bekannt, dass wir Provisionen bezahlen, um Aufträge und Informationen zu erhalten", sagte der Angeklagte. Für Zahlungen nötige Unterschriften seien auf Klebezetteln geleistet worden, die im Fall von Ermittlungen hätten entfernt werden können.
1998, als Bestechung im Ausland strafbar wurde, hatte Siemens seine Manager per Unterschrift zur Einhaltung der Gesetze verpflichtet. S. und seine Komplizen hätten das System aus Scheinrechnungen, Überweisungen und Bargeldzahlungen daraufhin noch mehr verschleiert, hieß es in der Anklageschrift. Reinhard S. sagte, nach internationalen Ermittlungen sei ihm und seinem Vorgesetzten klar gewesen, dass die Zahlungen reduziert und irgendwann komplett eingestellt werden müssten. Bei vielen Projekten seien Zusagen schon vor 1998 gemacht worden und hätten nicht zurückgenommen werden können. "Manche Leute in manchen Ländern haben gefährlich gelebt, wenn sie Zusagen nicht eingehalten haben", sagte er.
Ein Geflecht aus Tarnfirmen
Nach der Gesetzesänderung zog der 57-Jährige der Anklage zufolge gemeinsam mit einem weiteren Haupttäter ein Geflecht von Tarnfirmen im Mittleren Osten, den Kanalinseln und der Karibik auf. Über schwarze Kassen und Scheinberaterverträge seien dann Millionenbeträge im Zusammenhang mit Telekommunikationsprojekten unter anderem in Ägypten, Saudi-Arabien, Indonesien, Vietnam und den Olympischen Spielen in Athen geflossen. "Das ist keine große Kunst, kein großes System", sagte Reinhard S. über die fingierten Verträge, die nie Beratungsleistungen nach sich zogen. "Man muss nicht wahnsinnig intelligent sein."
Der Manager, der Mitte der 1960er Jahre als Lehrling bei Siemens begonnen und 38 Jahre für den Konzern gearbeitet hatte, wies den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, er habe allein verantwortlich Gelder verteilt. "Der komplette Bereichsvorstand war informiert, dass diese Tätigkeit von mir wahrgenommen wurde." S. beteuerte, selbst keine Bestechungszahlungen geleistet zu haben. "Ich habe nie einem Kunden eine Provision zugesagt, versprochen oder übergeben." Er habe aus seiner Tätigkeit auch persönlich keine Vorteile gehabt.
38 Jahre für Siemens
Das Volumen der schwarzen Kassen bei der Siemenssparte Com war der Anklageschrift zufolge weitaus größer als die 53 Mio. Euro, die S. zur Last gelegt werden. Auf ein verdecktes Konto in Salzburg seien jährlich 100 bis 200 Mio. Mark geflossen, auf ein weiteres in Innsbruck mindestens 20 Mio. Mark.
Der Prozess ist von der Wirtschaftsstrafkammer auf 15 Verhandlungstage angesetzt. Das Verfahren führt Richter Peter Noll, der sich als Ankläger im Prozess gegen die einstigen EM.TV-Chefs Thomas und Florian Haffa einen Namen gemacht hat. Neben zahlreichen Managern sollen auch der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer und Finanzchef Joe Kaeser als Zeugen gehört werden.
Quelle: ntv.de