Meldungen

Richterspruch in München Siemens-Mann verurteilt

In der Siemens-Schmiergeldaffäre hat das Münchener Landgericht den ersten Angeklagten zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Richter verhängte zusätzlich eine Geldstrafe über 108.000 Euro. Die 5. Strafkammer sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte Reinhard Siekazcek in 49 Fällen fast 50 Mio. Euro an Konzerngeldern veruntreut und in schwarze Kassen geleitet hat. Der 57-Jährige Ex-Manager der Telekommunikationssparte hatte bereits zu Prozessbeginn ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Er nahm das Urteil noch im Gerichtssaal an, die Entscheidung ist rechtskräftig. Bei Siemens waren 1,3 Mrd. Euro in dunkle Kanäle geflossen. Der Korruptionsskandal kostete den Konzern bislang insgesamt 1,8 Mrd. Euro.

"Der Angeklagte hat das Geld in ein Firmengeflecht von Scheinfirmen eingeschleust und so vollständig dem Zugriff der Firmenorgane entzogen", sagte der Vorsitzende Richter Peter Noll zur Urteilsbegründung. "Das kann man sich vorstellen wie einen Schwamm, wo das Geld weg ist." Eine Kontrolle über die schwarzen Kasse habe es de facto nicht gegeben. "Man hat sich darauf verlassen, wenn irgendwelche Vertriebsmitarbeiter sagen: 'Ich brauche wieder etwas für nützliche Aufwendungen.'" Siekaczek habe sich als "altgedienter Siemensianer" zwar nicht persönlich bereichert, aber sehr wohl gewusst, dass sein Handeln illegal sei. "Kein ordentlicher Kaufmann macht das." Der Manager habe gewusst, dass das Geld für Korruption verwendet wurde. "Der Zweck, diese Mittel zur Seite zu schaffen, war ein krimineller", sagte Noll. Korruption sei "schlicht der ungenierte Griff in fremde Kassen".

"Feuerwehr mit Zahnputzbecher"

Der Richter wertete neben der umfangreichen Kooperation des Beschuldigten die lückenhafte Korruptionsbekämpfung bei Siemens als schuldmindernd. "Man muss davon ausgehen, dass Herr Siekaczek in ein System der organisierten Unverantwortlichkeit eingebunden war, in ein System augenzwinkernder Zustimmung." Im Konzern habe es ein "weit erodiertes Rechtsverständnis gegeben."

Die Kompetenzen des obersten Korruptionsbekämpfers Albrecht Schäfer seien völlig unzureichend gewesen. "Das ist wie wenn die Feuerwehr zum Löschen mit einem Zahnputzbecher ausgestattet wird." Siekaczek habe zudem die Anweisungen seines Vorgesetzten Michael Kutschenreuter befolgt. "Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, er ist mindestens vom eigenen Bereichsvorstand Herrn Kutschenreuter beauftragt worden, schwarze Kassen zu führen", sagte der Richter. Kutschenreuter hat bereits seine Verstrickung in die Schwarzgeldaffäre eingeräumt.

Die Verantwortung der Verantwortlichen

Die mögliche Schuld von Top-Managern sei nach 15 Verhandlungstagen noch weitgehend ungeklärt. Allerdings habe der Konzern schwarze Kassen und Korruption begünstigt. "Praktisch haben alle Kontrollinstanzen, die gesamte Organisation darauf abgezielt, so ein Verhalten zu ermöglichen."

Der Richter kritisierte, dass die meisten ehemaligen Zentralvorstände nicht als Zeugen vor Gericht erschienen. "Man hätte es gut gefunden, wenn die Verantwortlichen hier Verantwortung zeigen", sagte Noll. "Die Zweifel, die bleiben, gehen zugunsten des Angeklagten." Oberstaatsanwalt Anton Winkler kündigte an, in den kommenden zwei bis drei Monaten gegen zwei weitere Beschuldigte in der Schmiergeldaffäre Anklage zu erheben.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen