"Zinserhöhung war nötig" Trichet kompromisslos
10.07.2008, 21:53 UhrJean-Claude Trichet hat die jüngste Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) erneut verteidigt. "In der vergangenen Woche mussten wir Maßnahmen ergreifen, um Zweitrundeneffekten vorzubeugen und den steigenden Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität auf mittlere Sicht entgegenzuwirken", sagte der EZB-Präsident in München.
Der vielfach kritisierte Beschluss, den Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,25 Prozent zu erhöhen, obwohl sich bereits Bremsspuren in der Konjunktur zeigen, werde dazu beitragen, Preisstabilität auf mittlere Sicht zu gewährleisten, sagte Trichet. Preisstabilität sei eine Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und letztlich für den sozialen Zusammenhalt.
Die EZB sieht Preisstabilität bei Teuerungsraten von knapp unter zwei Prozent gegeben. Zuletzt war die Inflation in den Ländern der Währungsunion auf vier Prozent nach oben geschnellt. Sie wird von den steigenden Öl- und Lebensmittelpreisen angetrieben. Trichet warnte in München erneut davor, das Problem Inflation nach der Zinserhöhung bereits ad acta zu legen: "Es wird davon ausgegangen, dass die Inflation länger als zuvor vermutet oberhalb des mit Preisstabilität vereinbaren Niveaus verharren wird."
Moderate Lohnpolitik angemahnt
Hinweise auf weitere denkbare Zinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation gab der EZB-Chef nicht. "Ich stehe dazu, was ich gesagt habe. Ich habe dem nichts hinzuzufügen oder wegzulassen." Trichet hatte nach dem jüngsten Zinsbeschluss vergangene Woche erklärt, er habe nun keine Tendenz mehr, weder in Richtung einer weiteren Straffung der Geldpolitik noch in eine andere Richtung. An den Märkten war dies als Absage an eine weitere Erhöhung des Leitzinsniveaus in den kommenden Monaten gedeutet worden. In den vergangenen Tagen hatten Trichet und andere Top-Notenbanker der Euro-Zone jedoch mit diversen Äußerungen dafür gesorgt, dass die Spekulationen auf weiter steigende Zinsen wieder zugenommen hatten.
Unternehmen und Tarifpartner ermahnte Trichet erneut, nicht durch eine überzogene Preis- und Lohnpolitik für eine kaum mehr beherrschbare Verselbständigung der Inflation zu sorgen. "Ich sage den Unternehmen und den Sozialpartnern, dass sie davon ausgehen dürfen, dass wir dafür sorgen werden, dass auf mittlere Sicht stabile Preisverhältnisse bestehen." Die EZB werde das entsprechende Verhalten von Unternehmen und Arbeitnehmern genau beobachten und keine Lohn-Preis-Spirale zulassen.
Bei einer solchen Inflationsspirale antworten Unternehmen auf steigende Preise bei Vorprodukten mit Preiserhöhungen, die von den Gewerkschaften als Anlass für hohe Lohnforderungen genommen werden. Diese aus der Inflation resultierenden Effekte werden von Volkswirten als Zweitrundeneffekte bezeichnet. Eine Zentralbank versucht mit ihrer Zinspolitik stets gegen diese Effekte vorzugehen - gegen eine durch hohe Nachfrage bei zu niedrigem Angebot getriebene Inflation und damit auch gegen den derzeitigen Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise kann sie dagegen so gut wie nichts tun.
Quelle: ntv.de