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Gasabkommen mit Extras Ukraine rudert zurück

Die Ukraine hat nach Angaben der EU eine nachträglich zum Gas-Abkommen mit Russland hinzugefügte Erklärung zurückgezogen. Nach Angaben des russischen Energiekonzerns Gazprom hat das Land das Abkommen mit Russland über Gaslieferungen nach Europa ohne den umstrittenen Zusatz unterzeichnet. Damit sei der Weg frei für eine Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen nach Europa über die Ukraine, teilte Gazprom am Morgen mit.

Eine offizielle Bestätigung aus Kiew lag zunächst nicht vor. Das bereits von Russland und der EU unterzeichnete Abkommen sei auf ukrainischer Seite von Vize-Regierungschef Grigori Nemyrja und einem Vertreter des Energieversorgers Naftogas unterzeichnet worden, meldete die Agentur Interfax aus Kiew unter Berufung auf Delegationskreise.

Die EU sieht damit alle Bedingungen für ein Ende der Mitte der Vorwoche verhängten Blockade der wichtigsten Transitstrecke erfüllt. "Russland hat keinen Grund, die Lieferungen nicht sofort wieder aufzunehmen", sagte der tschechische Industrieminister Martin Riman für den EU-Ratsvorsitz in Brüssel.

Nach Ansicht der Ukraine verzögert der russische Monopolist Gazprom wegen eines Mangels an Gas für europäische Kunden das Ende des Streits zwischen den beiden Ländern. "Die Russische Föderation und Gazprom haben nicht genügend Gas zur Durchleitung für europäische Kunden und deshalb verschleppen sie die Beilegung des Gasstreits mit der Ukraine", sagte der Beauftragte des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko für die Energiesicherheit des Landes, Bodhan Sokolowski.

Ver ärgerung in Moskau

Russland hatte zuvor die von der EU vermittelte Vereinbarung über eine internationale Überwachung des Gastransits am Sonntag wieder infrage gestellt, weil die Ukraine eine handschriftliche Erklärung hinzugefügt hatte. Das Dokument sei "null und nichtig", sagte Präsident Dmitri Medwedew.

So habe Kiew von Moskau die kostenlose Bereitstellung von rund 21 Mio. Kubikmeter "technischem Gas" pro Tag verlangt, um die Funktion der Transitpipelines nach Westen zu gewährleisten. Gazprom forderte, dass die Ukraine das Gas aus eigenen Ressourcen entnehmen oder einkaufen müsse. Zudem erklärte die Ukraine in einer Zusatzklausel, dass sie alle Schulden für 2008 bezahlt habe. Laut Gazprom sind jedoch noch 614 Mio. US-Dollar Verzugsstrafen fällig, weil Kiew Schulden von 1,5 Mrd. US-Dollar zu spät gezahlt habe. Gazprom veröffentlichte eine Liste mit sieben Punkten, die nach russischer Darstellung dem in Moskau mit EU-Vertretern unterzeichneten Abkommen widersprechen.

Barroso schaltet sich ein

Der russische Regierungschef Wladimir Putin protestierte am Sonntagabend in einem Telefonat mit EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso gegen die Zusätze. Die Ukraine habe mit einer beigefügten Erklärung nicht nur den Sinn des von allen Seiten unterzeichneten Protokolls verfälscht, sondern auch Dinge angeführt, die mit dem Gasstreit nichts zu tun hätten. Daraufhin schalteten sich EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und die tschechische EU-Ratspräsidentschaft erneut in den Streit ein.

Wann Russland die Mitte der Vorwoche unterbrochenen Gaslieferungen durch die Ukraine wieder aufnimmt, bleibt weiter unklar. Russland hatte von der EU eine Neuunterzeichnung der Übereinkunft über die Beobachtermission gefordert. Moskau machte neben dem Abkommen auch eine lückenlose Überwachung der Transitstrecke durch internationale Experten zur Bedingung. Am Wochenende traten Fachleute in Russland und in der Ukraine ihren Dienst an. Es blieb jedoch zunächst unklar, ob die Überwachung der Pipelines damit für Russland ausreicht.

Am Montag beraten in Brüssel die EU-Energieminister über den Lieferboykott und seine Folgen. Ein Schwerpunkt der Beratungen dürfte darauf liegen, wie die Versorgungssicherheit durch den Bau geplanter Fernleitungen und die Verbindung der Gasnetze der mittel- und osteuropäischen Länder verbessert werden kann. Aus Unternehmenskreisen bei Gazprom hieß es, Unternehmenschef Alexej Miller werde auch nach Brüssel reisen. Nach Angaben des Sprechers von Regierungschef Wladimir Putin, Dmitri Peskow, ist eine russische Delegation auch mit Gazprom- Vertretern zu Konsultationen auf dem Weg nach Brüssel.

Schwere Beeinträchtigungen

Der Streit zwischen Russland und der Ukraine über höhere Preise hatte die Gasversorgung Europas in den vergangenen Tagen schwer beeinträchtigt. Seit Mittwoch fließt kein russisches Gas mehr durch die Ukraine nach Westen. Putin sagte, wegen der ausgefallenen Lieferungen haben der russische Gasriese Gazprom schon Einnahmeausfälle von 800 Mio. Dollar. Über 100-Gas-Förderstätten habe Gazprom vorübergehend stilllegen müssen, zitierte die Agentur Interfax Putin weiter.

Seit einigen Tagen versorgt Gazprom den Westen verstärkt über die nördliche Route durch Weißrussland und Polen nach Deutschland. Die auf Erdgas angewiesenen Unternehmen in Bulgarien haben Medienberichten zufolge nach dem Ausfall russischer Lieferungen bisher Verluste von insgesamt 35 Mio. Euro verzeichnet. Das zu 95 Prozent von russischen Gaslieferungen durch die Ukraine abhängige EU-Land erhält seit fast einer Woche kein Gas mehr.

Die Regierung in Sofia hatte drastische Sparmaßnahmen für die Wirtschaft angeordnet. Mit Erdgas wurden nur noch wenige Produktionen versorgt, die nicht eingestellt werden konnten. Bei eisiger Kälte mit Temperaturen bis zu minus 19 Grad konnten am Montag 16 Schulen nicht ausreichend geheizt werden und mussten schließen.

Die deutschen Gaslieferungen nach Serbien und Bosnien-Herzegowina sind bereits eingestellt worden. Ungarn habe kein Gas mehr für die beiden Länder erhalten, teilte die ungarische Netzgesellschaft FGSZ in Budapest mit. Die für den ersten Teil des Gastransports zuständige österreichische Gesellschaft OMV habe die Lieferung der vereinbarten Gasmengen für Montag nicht bestätigt, "wir haben daher die Versorgung eingestellt", erklärte FGSZ.

Serbien ist durch den Gasstreit Russlands mit der Ukraine derzeit vollkommen von der Versorgung mit russischem Gas abgeschnitten. Seine Reserven hatte das Land schnell aufgebraucht. In mehreren Städten blieben deshalb bereits die Heizungen kalt, rund ein Siebtel der 7,4 Mio. Einwohner war davon betroffen. Deutschland und Ungarn hatten Serbien und Bosnien-Herzegowina daher zugesagt, Gas weiterzuleiten. Die Bundesrepublik kann ihre Ausfälle über die nördliche Pipeline, die über Weißrussland und Polen führt, etwas ausgleichen. Zudem verfügt Deutschland über deutlich mehr Speicherkapazitäten als die betroffenen Balkanstaaten.

Quelle: ntv.de

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