Siemens-Korruptionssumpf Von Pierers tiefer Fall
03.05.2008, 12:13 UhrIn der Korruptionsaffäre bei Siemens kommen laut Medienberichten immer neue Vorwürfe gegen die ehemalige Führungsspitze um den langjährigen Konzernchef Heinrich von Pierer ans Licht. Inzwischen soll ein weiterer ehemaliger Top-Manager von Pierer belastende Aussagen bestätigt haben, schreibt das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Der Zeuge beziehe sich auf ein Milliardengeschäft mit Argentinien, bei dem in den 1990er Jahren Schmiergeld geflossen sei. Dazu habe bereits vor zwei Wochen ein hochrangiger Siemens- Manager den Ermittlern gegenüber sowohl von Pierer als auch die Ex-Vorstände Heinz-Joachim Neubürger, Volker Jung und Uriel Sharef belastet, schreibt der "Spiegel".
Nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" haben inzwischen zwei Zeugen von Pierer bei der Münchner Staatsanwaltschaft "schwer belastet". Der frühere Vorstandschef habe Angestellte des Konzerns zu Schmiergeldzahlungen aufgefordert, lauteten die Vorwürfe. Ein dritter Zeuge solle das bestätigt haben. Pierer weise die Anschuldigungen zurück und beteuere weiterhin seine Unschuld.
Unterdessen hat laut "Spiegel" der sechsköpfige Anti-Korruptions-Ausschuss des Siemens-Aufsichtsrats Anfang vergangener Woche beschlossen, die Kanzlei Hengeler Mueller einzuschalten, um den Verdachtsmomenten gegen frühere Vorstände nachzugehen und spätere Schadensersatzklagen vorzubereiten.
Dazu sollen die Juristen prüfen, ob und in welchem Umfang die einzelnen Manager womöglich ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben. Einige von ihnen dürften schon in den nächsten Wochen Post von Siemens erhalten. So soll verhindert werden, dass eventuelle Ansprüche unter die Verjährungsfrist fallen. Laut "Süddeutsche" zeichnen sich Schadensersatzforderungen gegen von Pierer, den früheren Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger und weitere Ex-Vorstände ab.
US-Kanzlei wurde fündig
Juristen der US-Kanzlei Debevoise & Plimpton, die im Auftrag des Aufsichtsrats intern bei Siemens ermitteln, hatten dem Kontrollgremium den Stand der Dinge geschildert. Von Pierer habe mehrmals Hinweise auf Schmiergeldpraktiken bekommen und nicht so reagiert, wie er es als Vorstandschef hätte tun müssen, berichtete Debevoise dem Aufsichtsrat nach Angaben von Sitzungsteilnehmern. Pierer hätte nachfassen müssen.
Die Korruptionsaffäre hat Siemens bereits 1,8 Milliarden Euro an Bußgelder, Steuern und Honoraren für Anwälte und Wirtschaftsprüfer gekostet. Ein Teil des Geldes will sich der Konzern vom früheren Management wiederholen.
Ackermann hakte nach
Nach Angaben der "SZ" soll die Kanzlei Hengeler Müller Schadensersatzforderungen gegen von Pierer und andere Ex-Vorstände auch anhand eines Schmiergeldfalles in Italien prüfen, in dem die Mailänder Justiz frühzeitig schwere Vorwürfe gegen Siemens erhoben habe. Laut einem internen Vermerk des Konzerns habe am 3. Mai 2004 der damalige Justitiar von Siemens die Unternehmensspitze über diese Vorwürfe informiert. Siemens habe nach Erkenntnissen eines Mailänder Richters die interne Aufsichtspflicht verletzt. Insbesondere die Existenz schwarzer Kassen zeige, dass die vom Konzern "praktizierte Aufsicht völlig ineffizient war und das Unternehmen Schmiergeldzahlungen zumindest als mögliche Unternehmensstrategie ansah". Diese Information ging laut dem Siemens-Vermerk an von Pierer, Neubürger und drei weitere Vorstände.
Am 26. Januar 2005 habe der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, bei einer Ausschusssitzung des Aufsichtsrats gefragt, ob es "Anhaltspunkte für Lücken im internen Kontrollsystem" gebe. Anlass sei dieser Schmiergeldfall in Italien gewesen. Der damalige Finanzvorstand Neubürger habe laut Sitzungsprotokoll geantwortet, die bestehenden Regelwerke bei Siemens seien "umfassend". Ackermann ist seit langem Aufsichtsrat von Siemens. Inzwischen gehört er dem Präsidium des Aufsichtsrats an.
Vor einem Jahr war Ackermann als erster Top-Manager hierzulande wegen des Korruptionsfalles öffentlich auf Distanz zu Pierer gegangen. Im Aufsichtsrat drängt Ackermann laut "SZ" darauf, die Affäre vollständig aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Quelle: ntv.de