Steuerskandal trifft Banken Weitere Razzien erwartet
22.02.2008, 00:07 UhrDie Ermittlungen der Steuerfahndung bei mehreren deutschen Privatbanken werden auch von der Finanzaufsicht genau verfolgt. Sollten Banken gegen Steuergesetze verstoßen haben, dann werde die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aktiv werden müssen, sagte ein Sprecher der "Financial Times Deutschland".
Zuletzt hatte die Frankfurter Privatbank Metzler Ermittlungen gegen drei ihrer Mitarbeiter bestätigt. "Im Fokus der aktuellen steuerlichen Ermittlungen standen ursprünglich 16 Geschäftsverbindungen nach Liechtenstein. In maximal 7 Fällen könnten inländische Steuerpflichtige betroffen sein", hieß es in einer schriftlichen Erklärung. Diese Kontoverbindungen seien bereits in den Jahren 1998 bis 2006 beendet worden. Das verwaltete Vermögen habe insgesamt ein Volumen von weniger als sechs Mio. Euro gehabt. Bei den Steuerrazzien waren auch Niederlassungen der Dresdner Bank und Hauck & Aufhäuser durchsucht worden. Bei Berenberg wurde nach Auskunft des Sprechers der Bank lediglich ein Schließfach eines Kunden versiegelt. Berenberg selbst sei nicht Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Einem Bericht zufolge sollen Kunden von anderen verdächtigen Banken hingegen gezielt über Liechtenstein-Stiftungen beraten worden sein. In einigen Fällen soll unter der Verwendung von Codewörtern Geld auf Konten in Vaduz überwiesen worden sein.
Ein Sprecher der Privatbank Hauck & Aufhäuser sagte, als Bank dürfe man Kunden gar nicht in steuerrechtlichen Angelegenheiten beraten. Bei Metzler in Frankfurt hieß es, die Bank habe keine ausländischen Töchter. Es habe bei Metzler das geschilderte Geschäftsmodell nicht gegeben. In Liechtenstein gibt es nach Angaben des Bundesfinanzministeriums bis zu 75.000 Stiftungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte das Land aufgefordert, so schnell wie möglich den Zustand zu beenden, deutsche Bürger zur Steuerhinterziehung zu animieren.
Ruf nach harten Strafen
Auf politischer Ebene werden unterdessen die Rufe nach einer Verschärfung des Strafmaßes immer lauter. Aus Kreisen der Ermittler war zu hören, dass die Beweislage gegen die Beschuldigten dermaßen erdrückend sei, dass man nicht mehr auf deren Mithilfe angewiesen sei. Die Mitarbeit bei der Aufklärung würde sich dennoch strafmildernd auswirken. Laut der "Süddeutschen Zeitung" sollen die Ermittlungen weiter intensiviert werden. Seit Montag sind die Fahnder in fünf Bundesländern unterwegs. Bis Ende der Woche sollen erst 70 bis 100 Razzien bei Beschuldigten abgeschlossen sein.
Liechtensteins Regierungschef Ottmar Hasler kündigte gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" an, dass der Schutz der Privatsphäre in Liechtenstein "ein fundamentales Recht bleiben" werde. Das berichtet die Zeitung in ihrer Freitagsausgabe. Liechtenstein betrachte es als Tradition, dass Steuerhinterziehung nicht strafrechtlich verfolgt werde. Es werde weiter die Möglichkeit geben, eine anonyme Stiftung zu gründen, Rechtshilfe werde nur bei Betrug geleistet. Es obliege ausländischen Finanzämtern, Steuerhinterzieher ausfindig zu machen. Insgesamt gibt es in dem Zwergstaat seinen Angaben zufolge rund 50.000 Stiftungen.
Kanzlerin Angela Merkel hatte Hasler am Mittwoch in Berlin zu mehr Transparenz gedrängt. Hasler hatte gesagt, sein Land sei bereit, ein Betrugsbekämpfungsabkommen abzuschließen. Der Zeitung sagte er, Liechtenstein könne aber nicht für Steuervergehen in Deutschland verantwortlich gemacht werden.
Schweizer Bankier spricht von Gestapo-Methoden
Der Vorsitzende der Schweizerischen Bankiervereinigung, Pierre Mirabaud, verglich das Vorgehen der deutschen Behörden mit NS-Praktiken: "Das sind Methoden, die leider ein bisschen an Gestapo würdige Methoden erinnern." Kurz darauf entschuldigte er sich für diese Äußerung. Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) war die politische Polizei der Nazis. Sie brachte zahllose Gegner der NS-Diktatur in Konzentrationslager. Mirabaud vertritt mit 350 Schweizer Banken alle führenden Institute.
Liechtensteins Regierungschef Ottmar Hasler sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der Schutz der Privatsphäre werde "ein fundamentales Recht bleiben". Das Land betrachte es als Tradition, dass Steuerhinterziehung nicht strafrechtlich verfolgt werde. Es werde weiter die Möglichkeit geben, eine anonyme Stiftung zu gründen, Rechtshilfe werde nur bei Betrug geleistet. Es obliege ausländischen Finanzämtern, Steuerhinterzieher ausfindig zu machen. Insgesamt gibt es in dem Zwergstaat seinen Angaben zufolge rund 50.000 Stiftungen.
OECD unterstützt Bundesregierung
Im Streit mit Liechtenstein erhielt die Bundesregierung Rückendeckung durch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Das Fürstentum gehöre mit Andorra und Monaco zu den letzten Steueroasen, die sich der Zusammenarbeit mit anderen Ländern "offen widersetzen", sagte der OECD-Steuerexperte Achim Pross der "Frankfurter Rundschau". Die globalisierungskritische Organisation Attac warf der Bundesregierung vor, immer noch viel zu wenig gegen ausländische Steueroasen zu tun.
Deutsche Banken sollen nach einem Zeitungsbericht für reiche Kunden millionenschwere Stiftungen in Liechtenstein verwaltet haben. Betroffen seien "Privatbanken und andere Geldinstitute", die insgesamt 50 Stiftungen im Fürstentum führten, berichtete die "Süddeutschen Zeitung" unter Berufung auf Ermittlungskreise. Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) äußerte sich dazu nicht.
Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, forderte zur Abschreckung von potenziellen Steuersündern konsequente Strafen. "Der vorhandene Strafrahmen, der bis zu zehn Jahren Haft vorsieht, reicht aus", sagte Ondracek der "Leipziger Volkszeitung". "Man muss ihn nur ausschöpfen."
Kirchhof: "Dem Steuerrecht fehlt es an Autorität"
BASF-Vorstandschef Jürgen Hambrecht hat angesichts der Liechtenstein-Steueraffäre vor einer generellen Verurteilung deutscher Manager gewarnt. "Wir sollten jetzt nicht hergehen und die einen zu Schuldigen erklären und die anderen sind die Gutmenschen", sagte Hambrecht. Er sei überzeugt, dass die Affäre auch andere Teile der Gesellschaft betreffe. Hambrecht betonte aber auch, es sei sehr ärgerlich, wenn Einzelne gegen die Regeln der Gesellschaft verstoßen. "Das kann nicht sein."
Der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof sieht im komplizierten deutschen Steuerrecht die Ursache für die Steuerhinterziehung in großem Stil. Die Frage sei, warum beruflich erfolgreiche Menschen mit hohem Einkommen ein solches Risiko eingingen, sagte der Steuerrechts-Experte aus Heidelberg der "Rhein-Neckar-Zeitung". Die Antwort könne nur sein, dass es dem deutschen Steuerrecht an "Autorität" fehle. "Weil dieses Steuerrecht nicht verständlich ist, weil es zu viele Möglichkeiten bietet, auszuweichen."
Forsa: 51 Prozent sehen das Wirtschaftssystem geschädigt
Kirchhof erhofft sich von der aktuellen Debatte neuen Schwung für sein Steuermodell, das einen Höchstsatz von 25 Prozent vorsieht: "Das Bewusstsein, das derzeit in Deutschland entsteht, drängt auf ein einfaches, gerechtes und klares Steuersystem." Der ehemalige Richter war 2005 als Schattenfinanzminister im Wahlkampfteam von Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU). Nach zahlreichen Pannen und scharfer Kritik zog er sich wieder aus der Politik zurück.
In einer aktuellen forsa-Umfrage für n-tv (18. und 19. Februar / 1.001 Befragte) zeigt sich gut die Hälfte (51 Prozent) der Bundesbürger davon überzeugt, dass Steuersünder das gesamte Wirtschafts- und Gesellschaftssystem in Deutschland gefährden. 46 Prozent teilen diese Auffassung nicht. Mit steigendem formalem Bildungsgrad meinen weniger Personen, dass die Steuersünder das gesamte System gefährden.
Eine Mehrheit von 63 Prozent der Deutschen glaubt nicht, dass härtere Strafen für Steuerhinterzieher eine abschreckende Wirkung auf Steuersünder haben. 34 Prozent sind der Meinung, dass härtere Strafen eine abschreckende Wirkung haben. Die Anhänger der FDP glauben besonders selten (19 Prozent) an eine abschreckende Wirkung von härteren Strafen auf Steuersünder.
Quelle: ntv.de