Hohe Schweigegeldzahlungen Wurde Siemens erpresst?
02.04.2008, 06:47 UhrDie neue Konzernführung der Siemens AG geht dem Verdacht nach, in der Vergangenheit seien Korruptionsdelikte wiederholt mit der Zahlung von Schweigegeld vertuscht worden. Das meldet die "Süddeutsche Zeitung". Anlass seien entsprechende Aussagen früherer Manager bei der Staatsanwaltschaft und weitere Hinweise, die diesen Verdacht erhärten, heißt es.
Andreas Pohlmann, seit einem halben Jahr Anti-Korruptionsbeauftragter von Siemens, sagte der "Süddeutschen Zeitung" zu diesen Verdachtsfällen, "wir prüfen alles und in jede Richtung". Der Konzern untersucht auch, ob die in solchen Fällen ausgegebenen Beträge zurückgefordert werden können, sei es von den eigenen Managern oder den Empfängern des Geldes. "Siemens prüft prinzipiell immer Schadensersatzansprüche", sagte ein Konzernsprecher.
Berater als Geldtransporteure
Bei der Staatsanwaltschaft sind nach Angaben der SZ mehrere Verdachtsfälle aktenkundig. Ein früherer Manager der Sparte Telekommunikation (Com) habe ausgesagt, eine Ex-Beraterin des Konzerns aus Syrien habe Siemens über viele Jahre hinweg erpresst und damit gedroht, in der US-Presse über illegale Praktiken auszupacken. Die Sparte Com, die im Mittelpunkt des Skandals steht, hat Schmiergeldzahlungen oft über Berater abgewickelt.
Der Com-Manager berichtete den Ermittlern, Siemens habe der Araberin schließlich 18 Millionen Mark gezahlt. Jahre später sei ein US-amerikanischer Freund der Beraterin aus Syrien vorstellig geworden und habe für seine Bekannte einen Nachschlag verlangt, eine Million Euro. Es sei gelungen, ihn auf 350.000 Euro herunterzuhandeln, die dann in San Francisco in bar übergeben worden seien. Seitdem sei Ruhe.
"Loyal" zur Firma für 300.000 Euro
Die SZ berichtet außerdem von zwei langjährigen Angestellten, die gestanden hätten, schwarze Kassen betreut zu haben. Einer der beiden sei vorzeitig in Ruhestand gegangen, nachdem die Staatsanwaltschaft in seinem Fall frühzeitig Verdacht geschöpft habe, und habe mehr als 300.000 Euro Abfindung erhalten. Zuvor sei ihm laut eigener Aussage bei der Staatsanwaltschaft von einem Siemens-Manager mit auf den Weg gegeben worden, er solle "loyal" zur Firma sein. Auch ein früherer Com-Direktor, der ebenfalls Schwarzgeldkonten verwaltet habe, sei vorzeitig ausgeschieden und habe dann einen hoch dotierten Beratervertrag erhalten.
Im Frühjahr 2006 seien diese Zahlungen dann gestoppt worden. Zu diesem Zeitpunkt ermittelten laut SZ bereits Staatsanwälte in der Schweiz und Liechtenstein gegen den ehemaligen Com-Direktor. Dieser habe sich beschwert, als sein Geld ausgeblieben sei, und einem Kollegen im April 2006 eine E-Mail geschickt. Er werde ab sofort Fakten offenlegen, es gehe um circa drei Dutzend Fälle. Dann gebe es ein großes Problem. Einige Wochen später habe Siemens den Beratervertrag auf einen Schlag ausgezahlt, der Ex-Direktor habe dann fast 680.000 Euro erhalten.
35 Millionen Entschädigung
In einem weiteren Fall habe ein ehemaliger Berater aus Saudi-Arabien Anfang 2005 fast 35 Millionen Euro Entschädigung für seinen vorzeitig aufgelösten Vertrag erhalten. Der Araber soll laut Angaben mehrerer Beschuldigter nach der Kündigung seines Beratervertrags Siemens gedroht haben, über angebliche Schmiergeldzahlungen auszupacken.
Inzwischen sei bei den Ermittlungen ein Schriftstück ausgetaucht, das die Version stütze, Siemens sei erpresst worden. In einem Vermerk der Sparte Com vom April 2004 stehe, man müsse genau überlegen, wie man auf die Korruptionsvorwürfe des Arabers und mit dessen Drohung reagiere, diese Dinge zu veröffentlichen. Die ehemalige Konzernspitze hat laut SZ bereits früher zu diesem Fall erklärt, es habe sich bei den 35 Millionen Euro um eine rechtmäßige Schadensersatzzahlung gehandelt.
Quelle: ntv.de