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Bedeutender Paradigmenwechsel? Ausdehnung des Universums verlangsamt sich

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Die Forschenden nutzten Supernovae, ähnlich wie diese im Bild, um nachzuweisen, dass sich die Expansion des Universums verlangsamt.

Die Forschenden nutzten Supernovae, ähnlich wie diese im Bild, um nachzuweisen, dass sich die Expansion des Universums verlangsamt.

(Foto: Nasa/Esa)

Das Universum dehnt sich seit Milliarden von Jahren aus. Dachte man zumindest bisher. Fachleute kommen durch eine neue Untersuchung zu dem Schluss, dass die Ausdehnung bereits gebremst wird. Dunkle Energie spielt dabei eine maßgebliche Rolle.

Die sogenannte Dunkle Energie ist einer Studie zufolge im Laufe der vergangenen Jahrmilliarden schwächer geworden. Die kosmische Expansion beschleunige sich deshalb nicht mehr wie bislang angenommen, sondern sei bereits in eine Phase der Abbremsung übergegangen, schreiben koreanische Forscher im Fachblatt "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society".

"Wenn unsere Ergebnisse sich bestätigen, bedeutet das einen bedeutenden Paradigmenwechsel in der Kosmologie", erläutert Studienleiter Young-Wook Lee von der Yonsei Universität Seoul. "Denn es würde zeigen, dass sich die Dunkle Energie mit der Zeit sehr viel schneller ändert als bislang angenommen." Frühere Beobachtungen sprachen eher dafür, dass sich die Dunkle Energie kaum oder gar nicht verändert – mit der Folge einer immer rasanter verlaufenden Expansion des Kosmos.

Das Weltall entstand vor 13,8 Milliarden Jahren aus einem ultradichten, ultraheißen Urzustand – dem Urknall – und dehnt sich seither aus. Weit entfernte Galaxien scheinen sich deshalb rasant von uns fortzubewegen, und zwar umso schneller, je weiter sie entfernt sind. Tatsächlich bewegen sich die Galaxien jedoch nicht, sondern das Weltall vergrößert sich. Durch die Anziehungskraft der Materie sollte die Geschwindigkeit, mit der sich der Kosmos ausdehnt, jedoch langsam abnehmen.

Supernovae als "Standardkerzen"

Ende der 1990er Jahre versuchten unabhängig voneinander zwei Forschungsgruppen, die Ausdehnungsgeschwindigkeit mit Hilfe explodierender Sterne, sogenannter Supernovae, genauer als zuvor zu messen. Das Ergebnis: Die Expansion des Kosmos wurde im Laufe der Jahrmilliarden keineswegs langsamer, sondern beschleunigte sich sogar. Die Leiter der Teams, Saul Perlmutter und Brian Schmidt, sowie Adam Riess, erhielten für ihre Entdeckung 2011 den Physik-Nobelpreis.

Wie aber lässt sich die Beschleunigung der kosmischen Expansion erklären? Es muss, so folgerten die Wissenschaftler, eine zusätzliche Energie geben, die diese Beschleunigung antreibt. Der US-Astrophysiker Michael Turner prägte für dieses mysteriöse Phänomen die Bezeichnung "Dunkle Energie". Die meisten Forscher favorisierten zunächst die Idee, es handele sich dabei um eine Art innerer Energie des Vakuums, die durch Quanteneffekte entsteht. Diese Vakuumenergie wäre eine unveränderliche Größe und würde für einen immer rascher expandierenden Kosmos sorgen.

Doch auch eine zeitlich veränderliche Dunkle Energie wäre möglich. Perlmutter, Schmidt sowie Riess und Kollegen hatten eine bestimmte Art explodierender Sterne verwendet, um die kosmische Expansion zu untersuchen. Bei diesen Supernovae des Typs 1a explodiert ein Weißer Zwerg in einem Doppelsystem. Der Vorteil für die Himmelsforscher: Die maximale Helligkeit solcher Explosionen ist etwa konstant. Astronomen sprechen daher von "Standardkerzen", mit denen sie die Entfernungen von Galaxien messen können. Und aus den Entfernungen und Geschwindigkeiten vieler Galaxien lässt sich der Verlauf der Expansion des Weltalls bestimmen.

Gravitation hat Oberhand gewonnen

Doch es gibt einen Haken: Mit der Zeit häuften sich Hinweise darauf, dass Supernovae des Typs 1a doch keine perfekten Standardkerzen sind. Diesen Hinweisen sind Lee und Kollegen nun nachgegangen. Sie untersuchten Supernovae in insgesamt 300 Galaxien und stießen auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Helligkeit der Sternexplosionen und dem Alter der Sterne in diesen Galaxien. Und das führt zu einem erheblichen Unterschied bei der Dunklen Energie.

Während bislang die Supernova-Daten für eine konstante Dunkle Energie sprachen, führt die Berücksichtigung der Altersabhängigkeit zu einer starken zeitlichen Änderung dieser rätselhaften kosmischen Kraft. "Wie unsere Analyse zeigt, hat das Universum bereits seine Abbremsungsphase erreicht", so Lee. Die Gravitation habe also Oberhand über die Dunkle Energie gewonnen.

"Es ist bemerkenswert, dass dieses Ergebnis mit anderen, unabhängigen Verfahren übereinstimmt", betont er. Denn auch die Verteilung der Galaxien im Weltraum und die Schwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung – einer Art Strahlungsecho des Urknalls – erlauben Rückschlüsse auf die Dunkle Energie. Auch solche Messungen lieferten bereits Hinweise auf eine Abnahme der Dunklen Energie. Doch, so Lee, diese Studien waren bislang umstritten, da sie im Widerspruch zu den Supernova-Beobachtungen standen.

Bevor es zu dem von Lee erhofften Paradigmenwechsel in der Kosmologie kommt, muss der überraschende neue Befund überprüft werden. Forscher setzen dabei auf das Spezialteleskop "Vera Rubin" in Chile, das in den kommenden fünf Jahren etwa 20.000 explodierende Sterne aufspüren soll. Damit sollte es möglich sein, Klarheit über die Dunkle Energie zu erhalten – und damit auch über das zukünftige Schicksal des Kosmos.

Quelle: ntv.de, Rainer Kayser, dpa

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