Volkskunde Die Sache mit dem Kuss
05.07.2009, 13:37 UhrEin Küsschen hier, ein Küsschen da. Küssen ist eine der schönsten Beschäftigungen der Welt und ganz nebenbei eine wunderbare Art, seine Gefühle auszudrücken. Doch der Kuss hatte einst auch ganz andere Bedeutungen.

Der Kuss hat über die Jahrhunderte deutlich an Bedeutung verloren.
(Foto: dpa)
Küssen tun zwar viele Menschen seit jeher gern, der Kuss selbst aber hat über die Jahrhunderte deutlich an Bedeutung verloren. Darauf weist die Münsteraner Volkskundlerin Christiane Cantauw anlässlich des Internationalen Tages des Kusses am 6. Juli hin. "Der Kuss hatte im Mittelalter oft sogar eine rechtsbindende Wirkung", sagte die Expertin vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Münster.
"Zum Beispiel war eine Verlobung erst dann besiegelt, nachdem sich die Partner geküsst hatten." Nach Cantauws Worten bestand damit beim verfrühten Tod eines Partners schon vor der Hochzeit ein Anrecht auf die gegenseitig ausgetauschten Geschenke oder Besitztümer. Auch gingen die verschiedenen Kussformen früher weit über den Bereich der Partnerschaft hinaus. So gab es den sogenannten Lehenskuss, bei dem ein Untergebener das Schwert, die Hand oder das Gewand seines Gutsherrn als Zeichen seiner Unterwerfung küsste.
Die Macht des Kusses

Dieter Thomas Heck küsst seine Ehefrau Ragnhild nachdem ihr das Bundesverdienstkreuz für ihr soziales Engagement für notleidende Kinder verliehen wurde.
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"Auch Fehden und Kriege wurden durch Küsse beendet", erklärte Cantauw. "Das zeigt, wie wichtig Küsse im Rechtswesen waren." Darüber hinaus spielte der Kuss auch im religiösen Leben eine große Rolle zu. Bis heute habe sich das Küssen von sakralen Gegenständen wie Madonnen-Statuen, Tempeleingängen oder Kreuzen erhalten. "Küsse wurden auch als Zeichen christlich-brüderlicher Gemeinschaft ausgetauscht, selbst wenn sich Mitglieder zum ersten Mal trafen." In diesem Ritual sieht die Volkskundlerin auch den möglichen Ursprung der heutigen Begrüßungsküsschen.
Neben der positiven Symbolik stehe mancher Kuss aber auch für Negatives, oder gar einen Missbrauch: "Der 'Judaskuss' ist ein biblisches Beispiel für den Verrat durch den Kuss, die simple Vortäuschung einer Unterwerfung", sagte Cantauw. Von den verschiedenen historischen Formen des Küssens und auch von mancher Bedeutungsschwere sei in der Gegenwart nicht mehr viel übrig geblieben. Dennoch hält die Expertin fest: "Seit der Antike gab es abgesehen von regionalen Unterschieden eigentlich keine Zeit, wo man sich nicht geküsst hat, und das ist bis heute so geblieben."
Quelle: ntv.de, Christina Moebus, dpa