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Seltener Virusstamm entdeckt Droht mit der Schweinegrippe die nächste Pandemie?

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Das Virus, mit dem sich der Brite infiziert hatte, ähnelt stark den Viren in Schweinen.

Das Virus, mit dem sich der Brite infiziert hatte, ähnelt stark den Viren in Schweinen.

(Foto: picture alliance / imageBROKER)

In Großbritannien steckt sich erstmals ein Mensch mit einer speziellen Form der Schweinegrippe an. Das Besorgniserregende dabei: Er hatte vorher keinen Kontakt mit Schweinen. Bedeutet das, dass das Virus bereits unentdeckt in Menschen zirkuliert?

Wenn ein Virus vom Tier auf den Menschen überspringt, ist die Aufregung zunächst groß. Denn sogenannte zoonotische Erreger haben in der Vergangenheit immer wieder Pandemien ausgelöst - wie zuletzt das Coronavirus SARS-CoV-2. Somit sorgt der aktuelle Fall eines Briten, der sich mit einer seltenen Schweinegrippe-Variante infiziert hatte, für viel Aufsehen. Eine Ansteckung mit dieser H1N2-Variante sei zuvor noch nie im Land erfasst worden, teilte die britische Gesundheitsbehörde UKHSA mit. Das größte Rätsel dabei: Wie kam diese Person überhaupt in Kontakt mit dem Virus?

Doch von vorn: Der Erreger vom Typ Influenza A(H1N2)v ist laut UKHSA im Rahmen einer Routine-Überwachung per PCR-Test entdeckt worden. Die betroffene Person sei wegen Atemwegsbeschwerden getestet worden, habe einen milden Krankheitsverlauf gehabt und sei inzwischen wieder vollkommen genesen.

Seit 2005 sind weltweit 50 Fälle von A(H1N2)v beim Menschen gemeldet worden. Zuletzt wurde die Virus-Variante bei einem 18-jährigen US-Amerikaner in diesem August diagnostiziert, nachdem er auf einer Landwirtschaftsmesse mit Schweinen in Kontakt gekommen war. Doch weder bei diesem noch den Fällen zuvor handelte es sich der britischen Gesundheitsbehörde zufolge um den gleichen Stamm wie bei dem erkrankten Briten. Gleichzeitig ähnele das Virus dem in britischen Schweinen.

Zoonotische Infektionen bergen Gefahren

Die UKHSA versucht derzeit die Kontakte der infizierten Person ausfindig zu machen, um eine mögliche weitere Verbreitung des Virus zu verhindern. Aber noch viel wichtiger: Die Behörde will die Infektions-Quelle ermitteln. Denn im Unterschied zu vorherigen Fällen hatte der Brite keinen Kontakt mit Schweinen. Bedeutet das, dass das Virus bereits unentdeckt in Menschen zirkuliert?

Normalerweise überwinden Schweinegrippeviren die Artenbarriere, indem sie Menschen infizieren, die in engem Kontakt mit Tieren stehen. Deshalb werden beispielsweise Menschen, die mit Hühnern arbeiten, regelmäßig auf die Vogelgrippe untersucht. In seltenen Fällen könnten Influenzaviren, die bei Vögeln oder Schweinen vorkommen, auch symptomatische Infektionen bei Menschen auslösen, erklärt das Robert-Koch-Institut (RKI). Aber selbst wenn dem Virus dieser Sprung gelingt, ist es in den allermeisten Fällen auch schon das Ende der Geschichte. Da es nicht gut genug an menschliche Zellen angepasst ist, kann es sich nicht von Mensch zu Mensch auszubreiten.

Dennoch: "Bei zoonotischen Infektionen besteht immer die Gefahr, dass sich die - für das menschliche Immunsystem unbekannten - Viren an den Menschen anpassen", schreibt das RKI. "Wenn solche Viren die Fähigkeit erlangen, von Mensch zu Mensch übertragen zu werden, können sie eine Pandemie auslösen."

"Man kann sich nie ganz sicher sein"

Grund zur Panik besteht laut Experten zurzeit allerdings nicht. "Insgesamt gibt es keine Hinweise darauf, dass die Influenza A(H1N2) schwerere Erkrankungen verursacht als andere, häufiger zirkulierende Influenzatypen", sagt Paul Hunter, Professor für Medizin an der University of East Anglia. "Auch die Übertragung von Mensch zu Mensch scheint nicht sehr effizient zu sein, und eine dauerhafte Übertragung von Mensch zu Mensch wurde bisher nicht gemeldet."

Auch Martin Michaelis, Professor für Molekularmedizin an der Universität Kent, hält eine Pandemie für unwahrscheinlich. Der im Vereinigten Königreich entdeckte Fall von Schweinegrippe sei "milde" gewesen, erklärt er - fügt jedoch hinzu: "Man kann sich nie ganz sicher sein, da Mutationen auftreten können, die die Natur dieses Virusstammes verändern, wenn er sich weiter beim Menschen ausbreitet". Die Infektion eines Menschen mit dem Schweinegrippevirus H1N2 sei eine deutliche Erinnerung daran, dass Influenzaviren, die sich zwischen verschiedenen Spezies ausbreiten, ein ständiges Risiko für den Menschen darstellten, so der Experte.

Influenzaviren sind nicht gleich Influenzaviren

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A(H1N2)v ist ein Subtyp des Influenza-A-Virus. Influenza-A-Viren wurden in sieben verschiedenen Arten nachgewiesen, darunter Menschen, Vögeln und Schweinen. Sie bleiben aber normalerweise innerhalb ihrer Art. Denn tierische Grippeviren unterscheiden sich von menschlichen Grippeviren und lassen sich nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO nicht ohne Weiteres auf den Menschen und zwischen Menschen übertragen.

Der jetzt entdecke Stamm beim britischen Patienten ist somit nicht dasselbe Virus wie H1N1, das 2009 die Schweinegrippe-Pandemie auslöste. H1N1 enthielt genetisches Material von Viren, die in den 1990er- und 2000er-Jahren bei Schweinen, Vögeln und Menschen zirkulierten. Jetzt zirkuliert es saisonal beim Menschen und wird auch nicht mehr als Schweinegrippe bezeichnet. Es unterscheidet sich von den Viren, die derzeit bei Schweinen vorkommen.

Quelle: ntv.de

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