Waffe im Kampf gegen Plastikmüll Eingebaute Bakterien zersetzen Kunststoff von innen
02.05.2024, 18:09 Uhr Artikel anhören
Grafik des Prozesses: Bei längerem Bodenkontakt entwickeln sich die Bakterien und zersetzen den Kunststoff.
(Foto: Han Sol Kim/dpa)
Berge von Plastikmüll gibt es weltweit und dementsprechend viele Versuche, ihn zu bekämpfen. Ein möglicher Weg sind Kunststoff fressende Bakterien. Ein Forschungsteam hat sie nun gleich bei der Produktion mit eingebaut. Die Bakterien zersetzen den Kunststoff und machen ihn gleichzeitig vor dem Abbau stabiler.
Mit gezielt in Kunststoff eingebrachten Bakterien lässt sich direkt bei der Produktion schon der Abbau auf den Weg bringen. Bei längerem Kontakt mit Boden entwickeln sich die Bakterien und zersetzen den Kunststoff, wie ein Forschungsteam im Fachjournal "Nature Communications" berichtet. Zugleich werde das Material durch die eingebetteten Mikroben stabiler.

Thermoplastisches Polyurethan-Granulat und Sporenpulver werden zusammengemischt, um ein abbaubares thermoplastisches Biokomposit-Polyurethan herzustellen.
(Foto: Han Sol Kim/dpa)
Das Team um Jonathan Pokorski von der University of California San Diego in La Jolla hatte das Bodenbakterium Bacillus subtilis sowie den handelsüblichen Kunststoff Polyurethan genutzt. Dabei musste zunächst ein Problem bewältigt werden: Die meisten Kunststoffe werden bei mehr als 100 Grad verarbeitet, Polyurethane oft bei 135 Grad. Lebende Zellen halten solche Temperaturen in der Regel nicht aus.
Allerdings gibt es Bakterien, die Sporen bilden, eine unempfindliche Lebensform, die viele Jahre inaktiv bleiben kann und bei geeigneten Umgebungsbedingungen - etwa durch den Kontakt mit bestimmten Nährstoffen - wieder zum Leben erwacht. Bacillus subtilis ist ein solcher Sporenbildner und zudem harmlos für Menschen.
Größere Hitzebeständigkeit

Sporen in dem abbaubaren thermoplastischen Biokomposit-Polyurethan verbessern die mechanischen Eigenschaften von handelsüblichem thermoplastischen Polyurethan.
(Foto: Han Sol Kim/dpa)
Die Sporen des Bakteriums sind hitzebeständig, aber 135 Grad über mehrere Minuten, wie für den Polyurethan-Produktionsprozess benötigt, überleben sie nicht. Pokorski und Kollegen fanden durch Versuche zunächst die Bacillus-subtilis-Stämme heraus, die Polyurethane am besten zur Ernährung nutzen konnten. Dann setzten sie diese Stämme immer wieder Hitzeschocks aus und regten somit eine Evolution zu immer größerer Hitzebeständigkeit an. Die Methode war erfolgreich und führte zu Bakterienstämmen, die das Verarbeiten von Polyurethan bei 135 Grad schadlos überstehen.
Die Forscher testeten das Zugeben von bis zu einem Prozent Masseanteil Bakteriensporen. Bei 0,8 Prozent Sporen im Polyurethan wies der Kunststoff eine um 37 Prozent erhöhte Festigkeit gegenüber Polyurethan ohne Sporen auf. Die Zugfestigkeit erhöhte sich um 30 Prozent, die Dehnungsfähigkeit bis zu einem Bruch um 12 Prozent.
Bessere Materialeigenschaften, ökologischer Fußabdruck kleiner
Zu den besseren mechanischen Eigenschaften kam die Abbaufähigkeit: Bei einer Temperatur von 37 Grad, was für gemischten Müll auf einer Halde eher niedrig ist, waren nach fünf Monaten 92,7 Prozent der Kunststoffmasse verschwunden. "Die Einführung lebender Zellen in Polymerverbundwerkstoffe als nachhaltiges und intelligentes Füllmaterial hat das Potenzial, sowohl die Materialeigenschaften als auch deren ökologischen Fußabdruck erheblich zu verbessern", schreiben die Studienautoren.
Bisher werden Polyurethane mit biologisch abbaubaren Polymeren wie Zellulose oder Polymilchsäure vermischt, um die Abbaubarkeit zu verbessern, allerdings auf Kosten der mechanischen Eigenschaften. Wann die neue Methode kommerziell genutzt werden könnte und welche anderen Kunststoffe dafür infrage kommen, ist derzeit noch offen.
Quelle: ntv.de, abe/dpa