Was ist auf der Mailbox? Die präsidiale Kriegserklärung
09.01.2012, 15:27 Uhr
Eine Art Kooperation: Der "Spiegel" dokumentiert die Ansage auf der Mailbox des "Bild"-Chefs.
(Foto: n-tv.de)
Noch ist der Anruf von Bundespräsident Wulff bei "Bild"-Chef Diekmann nicht veröffentlicht. Bislang hält das Blatt die Aufnahme zurück. Allerdings kursiert eine Abschrift. Klar wird: Wulff hangelt sich an einem dünnen Seil irgendwo zwischen Flehen und Drohen entlang.
Zwischen Jammern und Drohen, zwischen Betteln und Fordern – irgendwo dazwischen dürfte der Tonfall liegen, in dem Bundespräsident Christian Wulff seine inzwischen berühmt gewordene Nachricht auf der Handy-Mailbox von "Bild"-Zeitungschef Kai Diekmann hinterließ. Bisher ist das Dokument nicht zu hören. Das Boulevard-Blatt hält die Sprachaufzeichnung zurück. Ein letzter Respekt für den stark angeschlagenen Ersten Bürger Deutschlands? Das ist denkbar. Eine Tonaufnahme würde im Zeitalter des Internets zum peinlichen Gedenkstein einer eh schon obskuren Affäre. Klar ist aber auch: Wenn Wulff den "Krieg" will, den er in seiner Nachricht anspricht, hat die "Bild" noch eine mächtige Waffe im Lager.
Und ja, tatsächlich, Wulff spricht von Krieg. Eine Abschrift des Anrufes kursiert unter Berliner Journalisten. Lanciert, so jedenfalls transportiert es der "Spiegel" recht offen, aus der Chefredaktion der "Bild"-Zeitung. Wie auch sonst? Auf Diekmanns Mailbox hat sicher nur Diekmann Zugriff.
Wie lang Wulff sich darauf auslässt, ist unklar. Manche sprechen von nur einer, andere von über vier Minuten. Die Abschrift jedenfalls ist zwei Seiten lang, insgesamt drei Absätze. Zunächst sagt Wulff, er befinde sich "auf dem Weg zum Emir" und sei "deswegen hier sehr eingespannt". Dann geht es um die Recherchen des Blattes in Sachen Hauskredit. Wulff sagt: "Ich habe alles offengelegt, Informationen gegeben, mit der Zusicherung, dass die nicht verwandt werden. Die werden jetzt indirekt verwandt." Und dann droht der Präsident: "Ich werde auch Strafantrag stellen gegenüber Journalisten morgen." Seine Anwälte seien beauftragt.
Warum, fragt Wulff, das Blatt nicht akzeptieren könne, "wenn das Staatsoberhaupt im Ausland ist, zu warten, bis ich Dienstagabend wiederkomme, also morgen, und Mittwoch eine Besprechung zu machen, wo ich mit Herrn … den Redakteuren rede, wenn sie möchten, die Dinge erörtere und dann können wir entscheiden, wie wir die Dinge sehen, und dann können wir entscheiden, wie wir den Krieg führen." Über diese Stelle gibt es den größten Disput zwischen Schloss Bellevue und dem Springer-Hochhaus. Wulff will nur um einen Tag Aufschub gebeten haben. Springer interpretiert die Kriegsandrohung als Versuch, die Berichterstattung ganz zu unterbinden.
"Bitte um Vergebung"
An einer anderen Stelle versucht Wulff es eher ruhig. Er wolle "einfach, dass wir darüber sprechen, denn wenn das Kind im Brunnen liegt, ist das Ding nicht mehr hochzuholen – das ist eindeutig." Oder er sagt: "Und ich bitte um Vergebung, aber hier ist jetzt für mich ein Punkt erreicht (...)." Doch dann fällt er zurück in scharfe Worte: "Wie das gelaufen ist in den letzten Monaten, ist das inakzeptabel, und meine Frau und ich werden Mittwochmorgen eine Pressekonferenz machen zwischen dem japanischen Ministerpräsidenten und den weiteren Terminen und werden dann entsprechend auch öffentlich werden, weil diese Methoden ihrer Journalisten, des investigativen Journalismus nicht mehr akzeptabel sind."
Ähnlich klingt nach Recherchen des "Spiegel" auch die Nachricht, die Wulff auf der Mailbox des Springer-Chefs Mathias Döpfner hinterließ. Dort habe Wulff von "Empörung" gesprochen, von "Skandalisierung" und "Kampagne". In einem späteren persönlichen Gespräch zwischen Wulff und Döpfner sei dann wieder die Rede von "Krieg" gewesen – und zwar bis zum Ende seiner Amtszeit.
Quelle: ntv.de, jmü