Politik

In Kroatien regiert das Chaos Keine Regierungsbildung nach Wahlen

Noch-Regierungschef Zoran Milanovic ist sich keiner Schuld an Kroatiens politischer Misere bewusst.

Noch-Regierungschef Zoran Milanovic ist sich keiner Schuld an Kroatiens politischer Misere bewusst.

(Foto: imago/Xinhua)

Im jüngsten EU-Mitgliedsland herrscht ein Machtvakuum. Seit der Neuwahl des Parlaments gibt es drei große Parteien, doch diese können oder wollen nicht zusammenarbeiten. Kroatiens Noch-Regierungschef wittert eine Geheimdienst-Verschwörung.

Das hat es in der 25-jährigen Geschichte des unabhängigen Kroatiens noch nicht gegeben. Die Parteien sind über die Regierungsbildung so zerstritten, dass überhaupt niemand zum Zuge kommt. Selbst das vor sechs Wochen neu gewählte Parlament kann sich nicht konstituieren. Wie es weitergeht, weiß niemand. Die Hoffnungen liegen jetzt auf Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic. Sie kann Neuwahlen ansetzen. Doch die Meinungsforscher sind sicher: Es würde wieder ein ganz ähnliches Ergebnis geben wie vor wenigen Wochen.

Noch-Regierungschef Zoran Milanovic von den Sozialdemokraten (SDP) macht eine nicht näher bezeichnete Geheimdienst- und Polizeiaktion für das Patt verantwortlich. Dahinter soll kein Geringerer als Tomislav Karamarko stehen: Er ist der Vorsitzende der konservativen Oppositionspartei HDZ und war jahrzehntelang führend im Polizei- und Geheimdienstapparat tätig.

Die dritte Kraft verändert alles

Die HDZ hatte die Parlamentswahl Anfang November zwar mit leichtem Vorsprung gewonnen. Doch reicht die Zahl ihrer Abgeordneten ebenso wenig zur Regierungsbildung wie die der bisherigen Regierungspartei SDP. Seit der Unabhängigkeit Kroatiens vor einem Vierteljahrhundert hatten diese beiden Großparteien die Regierung und Opposition stets unter sich ausgemacht. Doch diese Zeiten sind durch die Wahl vorbei.

Denn als dritte politische Kraft konnte sich Most (Brücke) als ganz neue Partei etablieren. Und die will als Zünglein an der Waage die beiden tief verfeindeten Großen in eine Drei-Parteien-Koalition zwingen. So soll das Zweckbündnis mit seiner erdrückenden Mehrheit tiefgreifende Reformen durchsetzen, die lange verschleppt wurden und bitter nötig sind.

Ratloser Regierungschef

Doch die ideologischen Intimfeinde spielten nicht mit. Zuerst verließ die HDZ die Verhandlungen mit dem Hinweis, die Sozis seien für die wirtschaftliche und soziale Misere des Adrialandes verantwortlich. Jetzt hat Most der SDP den Stuhl vor die Tür gesetzt. Die Sozialdemokraten hätten noch während der Koalitionsverhandlungen versucht, Most-Abgeordnete abzuwerben, begründet deren Spitzenpolitiker Bozo Petrov den völlig überraschenden Schritt.

Der bisherige Regierungschef Milanovic ist entsetzt und weist den Vorwurf zurück: Warum seine Partei das tun sollte, obwohl sie sich doch mit Most bereits im Detail auf die Regierung samt der Besetzung von Ministerien geeinigt habe, fragt er ratlos. Und er präsentiert auch gleich einen angeblich Schuldigen: Karamarko. Der erfahrene Geheimdienst-Funktionär und heutige HDZ-Chef habe mit Hilfe seiner früheren Mitarbeiter die Übereinkunft zwischen SDP und Most zu Fall gebracht.

Quelle: ntv.de, Thomas Brey, dpa

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