"taz" veröffentlicht nur Fragen an den FDP-Chef Rösler untersagt Interview über Rassismus
10.09.2013, 15:08 Uhr
In Berlin ist bekannt: Das Thema Rassismus meidet Rösler gern.
(Foto: REUTERS)
Die Tageszeitung "taz" spricht mit FDP-Chef Rösler über sein vietnamesisches Aussehen und die Folgen für seine Akzeptanz in Deutschland. Das Blatt stellt Fragen wie: "Warum werden Sie gehasst?" Rösler antwortet zunächst ausführlich, gibt das Interview dann aber nicht frei. Zu Recht?
Die "taz" macht Schlagzeilen – und das nicht nur im eigenen Blatt. Etliche Medien berichten über die Tageszeitung. Nach einem Interview mit Philipp Rösler über dessen asiatisches Aussehen hatte sie in ihrer Dienstagsausgabe nur die eigenen Fragen veröffentlicht, nicht die Antworten. Denn die Pressestelle des Parteivorsitzenden der FDP hatte die Veröffentlichung des Interviews kurz zuvor untersagt. Ein weiterer Skandal der Liberalen oder ein neuer PR-Coup der Tageszeitung?
"taz"-Chefredakteurin Ines Pohl sagt: "Das ist ein grober Bruch der gängigen Spielregeln." Zwar habe man, wie mit deutschen Spitzenpolitikern üblich, einer Autorisierung durch die Pressestelle zugestimmt. "Eine Autorisierung soll sicherstellen, dass man die Antworten sachlich richtig und nicht missverständlich wiedergibt. Sie darf aber nicht dazu führen, dass im Nachhinein unliebsame Antworten oder Einlassungen gestrichen werden." Laut der "taz"-Chefin verweigerte Rösler die Autorisierung aber, weil er seinen Migrationshintergrund im Wahlkampf nicht zum Thema machen wolle.
Die gängigen Kriterien für eine Autorisierung stellt die "taz" durchaus korrekt dar. Ganz so skandalös, wie es Pohl darstellt, ist der Fall womöglich trotzdem nicht. Denn tatsächlich kommt zur übermäßigen Vorsicht Röslers in diesem Fall auch eine gehörige Portion journalistischer Populismus hinzu.
Der alte Gysi und die spießige Claudia
Das Interview war nach Angaben der "taz" Teil einer Serie, in der es darum gehen soll, den deutschen Spitzenpolitikern auch persönlich nahe zu kommen. Schon am Montag ist ein Interview mit Grünen-Chefin Claudia Roth zum Stichwort "Spießigkeit" erschienen. Ein Interview mit Linken-Chef Gregor Gysi über das Altern ist der Zeitung zufolge in Arbeit. Im Interview mit Rösler sollte es um "Hass" gehen. Ein Stichwort, das aus dem Lechzen nach einer krachenden Überschrift keinen Hehl macht.
Und die Fragen, die nun in der "taz" erschienen sind, folgen diesem Duktus. Die erste heißt: "Herr Rösler, wir möchten mit Ihnen über Hass sprechen." Wenig später folgt die Frage: "Warum werden Sie gehasst?" Dann: "Sie bekommen immer wieder Hassmails. Weils Sie FDP-Chef sind? Oder weil man Ihnen Ihre nichtdeutschen Wurzeln ansieht?" Es folgen eine Reihe von Fragen wie: "Sind sie als Kind diskriminiert worden?" Oder: "Würden sie sich selbst als Migrant bezeichnen?"
Radau statt Respekt
Natürlich ist es völlig legitim, mit einem deutschen Spitzenpolitiker, der offensichtlich einen Migrationshintergrund hat, über Rassismus zu sprechen. Rassismus ist ein Thema, vor dem sich viele Deutsche drücken. Doch gerade dann, wenn der Politiker persönlich betroffen ist, ist Sachlichkeit gefordert. Schließlich geht es um intime Erlebnisse, um Verletzungen und Zurückweisung. Lässt sich ein Spitzenpolitiker auf so ein Gespräch ein, sollte aus den Fragen ein gewisser Respekt sprechen. Das war im Falle der "taz" offensichtlich nicht der Fall. FDP-Sprecher Peter Blechschmidt sagte der Nachrichtenagentur dpa denn auch: "In diesem Duktus sind wir mit dem Interview nicht einverstanden und geben es nicht frei." Selbst im "taz"-Blog ist eine hitzige Debatte darüber entbrannt, ob die Fragen der Journalisten rassistisch waren.
Kritik am Vorgehen der Zeitung ist vielleicht noch aus einem zweiten Grund angebracht. Womöglich sprang die Tageszeitung nicht ganz ehrlich mit dem Parteivorsitzenden um. FDP-Sprecher Blechschmidt zumindest kritisiert, dass es neben der Person des Interview-Partners auch um tagesaktuelle Themen gehen sollte. Tatsächlich streiften die "taz"-Redakteure Themen wie die Steuerpolitik der FDP, oder das Verhältnis der Partei zum großen Koalitionspartner CDU in dem Interview-Entwurf aber nur vereinzelt – obwohl selbst die "taz" einräumte, dass zwei Redakteurinnen insgesamt eine Stunde lang mit Rösler über Koalitionsstreit, Steuerpolitik, "aber auch Hassmails und Rassismus" gesprochen haben.
Rassismus ist ein Thema
Völlig unberechtigt ist das Vorgehen der Tageszeitung dennoch nicht. Im politischen Berlin ist bekannt, dass Rösler das Thema Rassismus gern meidet - aus wahlstrategischen Gründen. Das wusste auch FDP-Sprecher Blechschmidt nicht zu widerlegen. Er erklärte, das Interview rücke einen Aspekt in den Vordergrund, der keine wahrnehmbare Rolle in Röslers Leben spiele. Eine Behauptung, der schwer zu folgen ist. Selbst Röslers Parteikollege Rainer Brüderle verglich seinen Vorsitzenden einmal mit einem Bambusrohr. Es ist zwar Röslers gutes Recht, nicht über persönliche Erlebnisse zu sprechen. Rassismus aber grundsätzlich auszuklammern, ist fragwürdig. Schließlich ist Rassismus nach wie vor ein ernstes Problem in Deutschland. Einer Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem vergangenen Jahr zufolge sind 25 Prozent der Deutschen ausländerfeindlich.
Ein weiterer Punkt: Die Fragen der "taz" lassen von Beginn an den Tenor des Interviews erahnen. Souverän wäre es von Rösler gewesen, schon während des Gesprächs deutlich zu machen, dass er auf diesem Niveau nicht über seine persönlichen Erlebnisse mit Rassismus sprechen wird. Vielleicht hätte die Unterhaltung dann eine andere, sachlichere und vor allem nützlichere Form angenommen.
Quelle: ntv.de