Politik

Luftüberwachung soll Patriots stützen SPD pocht auf Awacs-Mandat

Ein Awacs-Aufklärungsflugzeug.

Ein Awacs-Aufklärungsflugzeug.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der mögliche Einsatz des Raketenabwehrsystems Patriot an der türkisch-syrischen Grenze kann nur gelingen, wenn Awacs-Aufklärungsflugzeuge die Staffeln mit Daten versorgen. Davon zeigt sich die SPD überzeugt. Sie fordert, das geplante Bundestagsmandat entsprechend zu erweitern. Die deutsche Bevölkerung würde dagegen am liebsten ganz auf den Einsatz verzichten.

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, hat Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) aufgefordert, das Aufklärungssystem Awacs in das Bundeswehrmandat für einen Einsatz in der Türkei aufzunehmen. "Awacs ist Teil des Einsatzes", sagte Arnold der "Mitteldeutschen Zeitung". Daran habe auch de Maizière keinen Zweifel gelassen. Das System liefere Daten, die die Abwehrraketen vom Typ Patriot benötigten. Arnold fügte hinzu: "Das ist dann auch mit zu mandatieren. Denn die Deutschen stellen zwei Drittel des Personals."

Die Türkei will sich mit "Patriot"-Systemen gegen Raketenbeschuss aus Syrien schützen.

Die Türkei will sich mit "Patriot"-Systemen gegen Raketenbeschuss aus Syrien schützen.

(Foto: dapd)

Wenn der Bundestag ein Mandat erteile, dann müsse man sich auf die sichere Seite begeben, sagte der SPD-Politiker weiter. De Maizières Überlegungen, Awacs aus dem Mandat herauszuhalten, seien falsch.

Der Bundestag soll nach dem Willen der Bundesregierung im Dezember über den Einsatz deutscher Soldaten an der türkisch-syrischen Grenze entscheiden, um den Nato-Partner mit Abwehrraketen vor möglichen Angriffen aus Syrien zu schützen.

Politisch gilt eine breite Zustimmung als sicher. Neben den Koalitionsfraktionen haben auch Fachpolitiker von SPD und Grünen Zustimmung signalisiert. "Ich gehe davon aus, dass die SPD mitmacht", sagte SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels der "Mitteldeutschen Zeitung". Es gehe auch kaum anders, wenn ein Bündnispartner um Hilfe bitte. "Wenn wir es nicht täten, wäre das ein fatales Signal." Auch die Grünen-Außenexpertin Kerstin Müller äußerte sich positiv: "Meine persönliche Tendenz ist eher die, dem zuzustimmen", sagte sie nach einer Unterrichtung des Auswärtigen Ausschusses durch Außenminister Guido Westerwelle.

Stationierung bedroht Verhältnis zu Russland

Die Mehrheit der Bundesbürger lehnt eine Entsendung von deutschen Soldaten und Luftabwehrraketen an die türkisch-syrische Grenze allerdings ab. 59 Prozent hielten laut einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des ARD-Morgenmagazins ein solches Vorhaben für falsch. Lediglich 36 Prozent befürworteten den Einsatz. Eine Mehrheit für einen Bundeswehr-Einsatz in der Türkei findet sich der Erhebung zufolge derzeit in keiner Anhängerschaft der im Bundestag vertretenen Parteien. Selbst in Reihen der CDU/CSU überwiege derzeit die Ablehnung einer Truppenentsendung.

Das "Patriot"-System

Das Flugabwehr-System "Patriot" des US-RüstungskonzernsRaytheon kann Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper auf eine Entfernungvon knapp 70 Kilometern abschießen. Zur Abwehr von Granatbeschuss, der bisherigenHauptbedrohung auf der türkischen Seite der syrischen Grenze, ist "Patriot"dagegen nicht geeignet.

Die deutsche Luftwaffe besitzt 29 "Patriot"-Staffeln,ihre Zahl soll aber bald reduziert werden. Das Raketensystem ist auf Lastwagen montiertund besteht aus einem Feuerleitstand, einem Radar, Abschussrampen sowie den Raketen.Patriot kann auf einmal 50 Ziele beobachten und fünf abschießen. (rts)

Die geplante Stationierung droht zudem das Verhältnis zwischen Nato und Russland weiter zu belasten. Der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow warnte das westliche Verteidigungsbündnis vor dem Einsatz. Die Folge könne eine weitere Eskalation des Konflikts in der Region sein, sagte Rjabkow. "Das dortige Grenzgebiet wird immer unruhiger", sagte Rjabkow. Statt um eine militärische Initiative sollte sich die internationale Gemeinschaft lieber um eine politische Lösung bemühen.

Das Verhältnis zwischen Russland und der Nato ist ohnehin angespannt. Hauptgrund sind die Planungen der Nato für ein Raketenabwehrsystem in Europa, das vor allem vor Angriffen aus Ländern wie dem Iran schützen soll. Deutschland will auch dafür "Patriot"-Raketenabwehrsysteme zur Verfügung stellen. Die Nato hat Russland zwar eine Einbindung in den Schutzschirm angeboten, die Gespräche darüber kommen aber seit Monaten nicht voran.

Die Türkei hatte am Mittwoch bei der Nato die Stationierung der Patriot-Systeme zur Abwehr von Flugzeugen und Raketen beantragt. Zur Debatte stehen bis zu vier Staffeln und mehr als 150 Soldaten aus Deutschland. Die Türkei hob hervor, der Antrag habe rein defensiven Charakter.  Die Allianz prüft derzeit das Erbitten des Bündnispartners. Deutschland ist neben den USA und den Niederlanden das einzige Land, das über Patriots verfügt.

Ankara fordert Kommandogewalt

Strittig ist unter anderem noch, wer die Kommandogewalt über die Raketenabwehrsysteme übernimmt. Die Türkei beansprucht sie für sich. "Der Drücker wird bei unserer Armee liegen", sagte die Sprecherin der türkischen Regierungspartei AKP, Hüseyin Celik. Im Ernstfall müsse binnen Sekunden darüber entschieden werden, ob die Raketen abgefeuert würden, sagte Celik. Sie bekräftigte eine Aussage von Erdogan, wonach die Türkei auch die genauen Stationierungsorte der "Patriots" bestimmen will. Erdogan hatte gesagt, die Patriots würden dort aufgestellt, wo es die türkische Armee für richtig halte. Nach einem türkischen Pressebericht soll es um die südostanatolische Grenzprovinz Sanliurfa gehen.

Die Standortfrage könnte sich zu einem weiteren Streitpunkt entwickeln. Hier haben auch die deutschen Grünen bedenken. Einige Fragen müssten noch geklärt werden, sagte Außenexpertin Müller. Beispielsweise seien die Stationierungsorte für die von der Türkei angeforderten "Patriot"-Raketenabwehrsysteme noch nicht geklärt. Es müsse auch eindeutig festgeschrieben werden, dass die Waffen nicht zur Durchsetzung einer Flugverbotszone über Syrien eingesetzt werden dürften, sagte Müller.

Die Durchsetzung einer Flugverbotszone mit den "Patriots" ist in der türkischen Anfrage ausgeschlossen.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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