Unabhängigkeits-Referendum Was, wenn sich die Schotten abspalten?
08.09.2014, 16:46 Uhr
Am 18. September stimmen die Schotten über ihre Loslösung von Großbritannien ab.
(Foto: picture alliance / dpa)
In zehn Tagen stimmen die Schotten über ihre Unabhängigkeit ab. Berthold Busch, Volkswirtschaftler am Institut der deutschen Wirtschaft, warnt: Eine Abspaltung könnte unkalkulierbare Folgen haben - auch weil sie separatistische Bewegungen in ganz Europa befördern könnte.
n-tv.de: Laut einer Umfrage sind 51 Prozent der Schotten für eine Abspaltung von Großbritannien. Für wen hätte eine Loslösung die drastischeren Folgen: für das Vereinigte Königreich oder für Schottland selbst?
Berthold Busch: Nicht nur für Schottland, sondern auch für den Rest des Königsreichs könnte das sehr dramatisch werden. In Anbetracht der vielfältigen Geschäftsbeziehungen weiß man nicht, ob die Briten möglicherweise sehr leiden müssen. Seit einiger Zeit ist das britische Pfund unter Druck geraten. Gegenüber dem Dollar kam es immerhin zu einer Abwertung um mehr als sechs Prozent. Insofern ist es heute schwer zu sagen, für wen sich das am Ende schlimmer auswirkt.
Sind die Folgen beherrschbar?
Das hängt ganz davon ab, wie sich beide Seiten einigen. Wenn sich die Schotten für eine Loslösung aussprechen, würde diese bis zum Frühjahr 2016 erfolgen. Bis dahin soll zwischen der schottischen und britischen Regierung über die Modalitäten des Austritts verhandelt werden. Wenn diese Scheidung nicht im Einvernehmen abläuft, sondern es zu einer Art Rosenkrieg kommt, könnte das schon schlimme Ausmaße annehmen.
Wenn das Vereinigte Königreich nicht mehr haftet, wäre Schottland wirtschaftlich wesentlich anfälliger.
Das würde Schottland sehr treffen. Ein großer Teil des bisherigen schottischen Binnenmarktes würde wegbrechen. Im schlimmsten Fall werden Zölle auf schottische Exporte erhoben, weil die EU sagt, Schottland ist nicht mehr Mitglied, deshalb müsse man nun Außenzolltarife anwenden.
Welche Kreditwürdigkeit würde ein unabhängiges Schottland auf dem Finanzmarkt genießen?
Das hängt stark davon ab, ob sich Briten und Schotten einigermaßen friedlich einigen: über die Aufteilung der Staatsschulden, über die Aufteilung von Vermögenswerten, die Währungsfrage, den Abzug der britischen Atomstreitmacht. Auch das schottische Öl spielt eine Rolle, wenn es um die Kreditwürdigkeit geht. Wie lange die Vorkommen noch reichen, weiß man nicht so genau. Für eine Zeit haben sie dadurch noch gesicherte Einnahmen. Insofern würde das dafür sprechen, dass Schottland unter günstigen Bedingungen noch kreditwürdig bleibt.
Sie nennen die schottischen Ölvorkommen. Bisher wurden die Einnahmen unter Schottland und dem Rest Großbritanniens aufgeteilt. Könnte das noch richtig Ärger geben?
Der weitaus größte Teil der Ölvorkommen gehört zu schottischem Hoheitsgebiet. Dementsprechend müssten Schottland eigentlich auch die Einnahmen zustehen. Das Thema Öl ist aber sicherlich eines der wichtigsten des gesamten Verhandlungspakets.
Ein großes Konfliktthema ist auch die Währung. Von der britischen Regierung heißt es, Schottland dürfe das Pfund im Falle einer Abspaltung nicht behalten.
Die Briten können den Schotten nicht verbieten, das Pfund zu behalten, aber in dem Moment, in dem sie sagen, dass die britische Zentralbank nicht mehr für die schottischen Banken sorgt, dann würde es schwierig. Dann wäre es vielleicht sogar günstiger, Schottland würde sich eine eigene Zentralbank und eine eigene Währung aufbauen. Das wäre ja auch die Voraussetzung für eine weitere Mitgliedschaft in der EU.
Welches Risiko brächte eine neue Währung mit sich?
Eine neue Währung müsste sich erst einmal Glaubwürdigkeit an Märkten verdienen, der Wechselkurs zum britischen Pfund und zum Euro müsste bestimmt werden. Das wäre nicht einfach.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Schottland den Euro einführt?
In dem Moment, in dem Schottland aus dem Vereinigten Königreich austritt, ist es automatisch nicht mehr Mitglied in der EU. Dann sind die Schotten erstmal draußen. Die EU nimmt nur Länder auf, die eine eigene Währung und eine eigene Zentralbank haben - und die sich dann zum Ziel der Währungsunion bekennen. Das heißt: Für einen Übergangszeitraum müsste Schottland eine eigene Währung einführen und diese dann, wenn es die Aufnahmekriterien erfüllt, gegen den Euro umtauschen.
Was wäre das Signal einer schottischen Abspaltung?
Unabhängigkeitsbestrebungen gibt es auch in anderen Ländern. Denken wir mal an Spanien und Katalonien. Wenn es bei den Schotten jetzt so einfach klappt, würden natürlich andere Bewegungen sagen: "Es geht doch. Treten wir einfach aus unserem Heimatland aus und gehen in die EU." Insofern wären in den betroffenen Ländern allein aus innenpolitischen Gründen erhebliche Widerstände zu erwarten, wenn die Schotten ihren Aufnahmeantrag stellen. Das Problem ist: Ein Beitritt zur EU muss immer einstimmig beschlossen werden.
Mit Berthold Busch sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de