Patientenverfügungen Rechtslage und Anträge
18.06.2009, 11:21 UhrJeder kann seinen Beschluss über die Art der Behandlung oder Nichtbehandlung per Patientenverfügung mitteilen - gesetzlich geregelt ist dies bislang nicht.
Ein Mensch ohne Bewusstsein zwischen piepsenden Maschinen, Monitoren mit flimmernden Kurven, angeschlossen an Schläuche und Kabel - dieses Schicksal wollen viele für den Fall von tödlichen Erkrankungen für sich ausschließen. Jeder kann einen Beschluss über die Art der Weiterbehandlung oder des Behandlungsabbruchs den behandelnden Ärzten per Patientenverfügung mitteilen - aber gesetzlich geregelt ist dies bislang nicht. Der Bundestag setzt heute mit der Entscheidung über ein Gesetz einen vorläufigen Schlusspunkt hinter eine jahrelange, zuletzt hitzig geführte ethische Debatte. Ein Überblick:
Das Problem: Rund neun Millionen Menschen in Deutschland haben Patientenverfügungen abgegeben. Sie können für den Fall formuliert werden, dass man ohne Bewusstsein dem Tod geweiht ist - aber auch für ein Koma mit nicht absehbarem Krankheitsverlauf. Die Verfügungen sind oft nicht konkret genug und äußerst auslegungsbedürftig. Ihre Verbindlichkeit bei nicht tödlichen Krankheiten ist derzeit strittig.
Die Rechtslage: Die medizinischen Geräte können abgeschaltet werden, wenn er im Sterben liegt, der Patient das Bewusstsein verloren hat und der Krankheitsverlauf unumkehrbar ist. Die Behandlung darf dann auf Schmerzlinderung umgestellt werden. Zur Wirksamkeit von Patientenverfügungen vor der Sterbephase gibt es unterschiedlich gedeutete Gerichtsurteile. Der Bundesgerichtshof entschied im März 2003 und im Juni 2005, dass eine Verfügung zum Behandlungsabbruch zu beachten ist, wenn sich ein Patient nicht äußern kann. Betreuer und Arzt spielen dabei eine mitentscheidende Rolle. Gibt es keinen Konsens, muss das Vormundschaftsgericht angerufen werden. Fraglich ist, ob eine Behandlung nur bei einem "irreversiblen tödlichen Verlauf" der Krankheit beendet werden kann - auch wenn eine Passage aus dem Urteil von 2003 dafür spricht.
Der Antrag von Joachim Stünker (SPD): Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Joachim Stünker, will mit seinem bereits vor einem Jahr im Bundestag debattierten Antrag Patientenverfügungen weitgehend zur Umsetzung verhelfen. "Zum Recht auf Selbstbestimmung gehört, Entscheidungen für die Zeit zu treffen, in der man etwa nach einem Unfall oder bei schwerer Krankheit nicht mehr entscheidungsfähig ist", heißt es darin. Ein Motorradfahrer etwa soll also für den Fall eines Komas das Abschalten des Beatmungsgeräts festlegen können, wenn ihm beide Beine abgenommen werden müssten. Stünker will das Vormundschaftsgericht jedoch einschalten, wenn der Betreuer und der Arzt über die Auslegung einer Verfügung uneinig sind und unklar ist, ob die Verfügung überhaupt die konkrete Behandlungssituation betrifft.
Der Antrag von Wolfgang Zöller (CSU): Der Vorstoß von Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller ist einerseits enger, andererseits weiter gefasst. Anders als Stünkers Vorschlag verlangt das Konzept keine schriftliche Verfügung. Auch durch Zeugen übermittelte Bekundungen können reichen. Die Anordnung soll aber "keinen Automatismus" zur Folge haben. Ärzte, Betreuer und im Zweifel weitere Angehörige müssten vielmehr immer darüber beraten, ob die Verfügung auf die konkrete Situation noch zutrifft. Ziel dieses Antrags ist es, die derzeitige "gute Praxis" in Krankenhäusern gesetzlich abzusichern.
Der Antrag von Wolfgang Bosbach (CDU): Die strengsten Vorgaben enthält der Vorschlag des Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach. Er unterscheidet den Grad der Verbindlichkeit einer Verfügung danach, ob diese nach Beratung durch einen Arzt abgefasst wurde oder nicht. Ist dies der Fall, solle die Verfügung für alle Phasen einer Krankheit verbindlich sein. Ansonsten ist die Anordnung über einen Behandlungsabbruch verbindlich, wenn eine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit vorliegt.
Der Antrag von Hubert Hüppe (CDU): Der Behinderten-Beauftragte der Unionsfraktion, Hubert Hüppe, meint, der gegenwärtige Zustand habe sich bewährt, während die vorliegenden drei Gesetzesentwürfe zum Teil in sich widersprüchlich seien. Patientenverfügungen könnten nicht alle denkbaren Fälle beschreiben, warnt die Bundesärztekammer. Dies meint auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU).
Die Prognose: Es ist gut möglich, dass keiner der drei Gesetzesentwürfe eine Mehrheit erreicht und es damit bei der jetzigen Rechtslage bleibt. Die Rechtsunsicherheit bliebe dann bestehen. Allerdings: Auch heute gibt es bisher verhältnismäßig wenig Konflikte.
Quelle: ntv.de, Ulrich Scharlack und Basil Wegener, dpa