USA auf Entzug Erziehung statt Führung
16.06.2010, 11:46 Uhr
Es war die erste Rede, die Obama hinter seinem Schreibtisch im Oval Office sitzend hielt.
(Foto: REUTERS)
Führung gibt es nicht, Obama muss einem Volk von Süchtigen beibringen, dass es sich von seiner Abhängigkeit befreien muss. Gegen ihn steht nicht nur eine mächtige Lobby, sondern der Way of Life der ganzen Welt.
Es sollte eine große Rede werden, vergleichbar mit der von George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September und der Ansprache von Ronald Reagan nach der Explosion des Space Shuttle "Challenger". Wie 2001 und 1986 verlangen die Amerikaner angesichts der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko nach Trost, Halt und Führung.
Doch statt Führung gibt es Fragen. Was die USA geprägt habe, sei ihre Fähigkeit, ihr Schicksal selbst zu formen, sagt Barack Obama, "unsere Entschlossenheit, für das Amerika zu kämpfen, das wir für unsere Kinder wollen. Selbst wenn wir nicht ganz sicher sind, wie das aussieht. Selbst wenn wir nicht genau wissen, wie wir dahin kommen. Wir wissen, wir werden dahin kommen."
Damit mag Obama Menschen enttäuscht haben, die glauben, es gebe einfache Lösungen für komplexe Probleme. Die Zeitschrift "Newsweek" bemängelt, die Rede sei flach gewesen. Statt Kampfgeist zu zeigen, habe der Präsident eine "Dissertation über die Unergründlichkeit der Zukunft" abgeliefert. Doch Obama kann nicht einfach rufen: Da geht's lang, mir nach. Er muss erziehen, er muss einem Volk von Süchtigen beibringen, dass es sich von seiner Abhängigkeit befreien muss. Er sei dankbar für Vorschläge und Ideen, sagte Obama, doch was er nicht akzeptieren werde, sei die Antwort, die Herausforderung sei zu groß und zu schwierig. Über den Weg kann man tatsächlich streiten. So hält Obama Atomkraft für eine Option. Doch das Ziel ist klar: Zero-Carbon-Economy.
Obama hat seine Rede genutzt, um den Amerikanern zu zeigen, dass er sich kümmert. Das Volk ist unzufrieden, längst ist die Rede davon, dass das BP-Leck im Golf von Mexiko Obamas "Katrina" werden könnte - für seinen Vorgänger Bush war der Hurrikan das Ereignis, das sein Ansehen endgültig ruinierte. Doch der Kampf gegen die Ölpest ist das mit Abstand kleinere Problem - weitaus schwieriger wird der längst überfällige Öl-Entzug. "Öl ist eine endliche Ressource", sagte Obama in seinen "Bemerkungen" an die Nation. "Wir verbrauchen mehr als 20 Prozent des Öls der Welt, aber wir haben weniger als 2 Prozent der weltweiten Ölreserven. Und das ist ein Grund, warum Ölgesellschaften eine Meile unter der Oberfläche des Ozeans bohren - weil uns die Orte ausgehen, um an Land und im flachen Wasser zu bohren."
"Geredet und geredet"
Seine Analyse ist absolut richtig. "Jahrzehntelang haben wir gewusst, dass die Tage des billigen und leicht erreichbaren Öls gezählt sind. Jahrzehntelang haben wir geredet und geredet, darüber, dass Amerikas Sucht nach fossilen Energieträgern beendet werden muss. Und jahrzehntelang sind wir daran gescheitert, auf diese drängende Herausforderung zu reagieren. Immer wieder wurde der Weg nach vorn blockiert - nicht nur von Lobbyisten der Ölindustrie, sondern auch von einem Mangel an politischem Mut und Aufrichtigkeit."
Noch steht auch Obama in der langen Linie der Politiker, die reden und nicht oder nur unzureichend handeln. Klimaschutz und Energie standen auch auf Obamas Agenda weit unter Themen wie Regulierung, Gesundheitsreform und Afghanistan. Es brauchte die größte Ölkatastrophe in der Geschichte der USA, um das zu ändern. Obama verglich die anstehenden Aufgaben mit dem Zweiten Weltkrieg und dem ersten Flug zum Mond. Doch John F. Kennedy musste sich nicht einer mächtigen Anti-Mond-Lobby zur Wehr setzen, er hatte nicht mit dem Way of Life der ganzen Welt zu kämpfen. Der Weg zum Mond war nichts gegen den Weg weg vom Öl.
Quelle: ntv.de