Ende der Wehrpflicht "Gammeldienst war gestern"
03.01.2011, 20:57 Uhr
(Foto: dapd)
Die Wehrdienst-Pflicht war einmal, zum letzten Mal werden Rekruten eingezogen. Doch die Reform bleibt viele Antworten schuldig. Die Presse fragt sich, wie die moderne Armee von morgen aussieht und wie sie sich finanzieren will, wo doch die Bundeswehr von nun an in Konkurrenz um junge Frauen und Männer mit vielen anderen Unternehmen steht.
Zum letzten Mal ziehen Rekruten zum Wehrpflichtdienst in die Kasernen ein, sie "schreiben Geschichte", meinen die Lübecker Nachrichten. Denn "sie beenden mit ihrem Dienst praktisch die über zweihundertjährige allgemeine Wehrpflicht in Deutschland. Nach dem Ende des Kalten Krieges, den neuartigen Bedrohungen durch den Terrorismus und durch immer mehr Bundeswehrmissionen im Ausland war der alte Zopf längst überflüssig geworden." Aber mit einem "bloßen Abschied von der Wehrpflicht" sei es nicht getan, schreibt das Blatt weiter. "In der Freiwilligen-Ära muss die Armee viel attraktiver werden. Im Wettbewerb um die besten jungen Frauen und Männer steht die Bundeswehr nun in einer Reihe mit Unternehmen. Gammeldienst war gestern."
Von der Wehrpflicht als Geschichte schreiben die Badischen Neuesten Nachrichten ebenso. "Wie die Zukunft der Armee ohne Wehrpflicht aussehen wird, steht aber auf einem anderen Blatt. Bisher sind alle vollmundigen Versprechungen von einer modernen Armee der Zukunft eben nichts als ungedeckte Schecks."
Die Abendzeitung aus München wirft dagegen einen konkreteren Blick in die Zukunft und warnt vor bestimmten Entwicklungen der Armee. "Deutschland wird ohne Wehrpflicht das Thema Sicherheit outsourcen. Der legitime Umgang mit Waffen wird in die Hände von Freiwilligen gelegt, die man genau aussuchen muss. Und: Eine Armee von Freiwilligen schicken Politiker nun mal leichter in gewalttätige, kriegerische Auseinandersetzungen als eine Organisation, in der alle Söhne mal dienen könnten. Die Politik muss darauf achten, dass die Bundeswehr nicht zu einem Dienstleister der Regierung verkommt, dass der Begriff der Parlamentsarmee, deren Schritte von der Volksvertretung beschlossen wird, nicht zur hohlen Phrase wird."
Mehr als skeptisch schaut dagegen die Mittelbayerische Zeitung voraus und betrachtet den finanziellen Aspekt der endenden Wehrpflicht. "Guttenberg bleibt bei seinen Reformplänen entscheidende Antworten schuldig. Es steht völlig in den Sternen, ob der Staat ohne Wehrpflichtige überhaupt Geld sparen kann. Nicht nur, weil Berufssoldaten wesentlich teurer sind. Spätestens, wenn in wenigen Monaten das Zivildienstsystem zusammenbricht, das an die Wehrpflicht gekoppelt ist, könnte sich die Bundeswehrreform als teurer Irrtum entpuppen. Denn den Kandidaten für den Bundesfreiwilligendienst wird man für die Pflege und Betreuung von Alten, Kranken und Behinderten weit bessere Anreize bieten müssen als das bislang veranschlagte Taschengeld."
Einen europäischen Blickwinkel nimmt der Mannheimer Morgen ein. Für ihn stelle sich langfristig die Frage, "ob in einem zusammenwachsenden Europa alle 27 EU-Staaten über eigene Armeen verfügen und alle Waffensysteme jeweils für sich beschaffen müssen. Allein schon die klammen Kassen werden eine sehr viel stärkere internationale Kooperation erzwingen. Multinationale Verbände könnten die Regel werden, eine Arbeitsteilung, heute noch völlig unvorstellbar, erscheint nicht mehr ausgeschlossen. Die Bedrohungsszenarien sind andere als vor 20 Jahren. Das kann nicht ohne Folgen für die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bleiben. Erst recht nicht für die Bundeswehr."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger