Schmerzensgeld für Sauna-Reisen Bahn übt sich in Qualität
29.08.2010, 12:26 UhrDie Wiedergutmachung für hitzegeplagte Fahrgäste wegen Ausfällen bei den Klimaanlagen läuft zufriedenstellend, stellt der kritische Fahrgastverband Pro Bahn fest. Rund 23.000 Kunden haben mittlerweile Entschädigungen im Wert von 2,7 Mio. Euro erhalten. Weitere Zahlungen stehen aus.

Helfer versorgen Schüler, die bei Temperaturen über 30 Grad im Zug kollabiert sind.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das Klimaanlagen-Chaos in den Fernzügen der Bahn während der hochsommerlichen Hitzewelle liegt mittlerweile gut einen Monat zurück. Seitdem laufen auch die Zahlungen des bundeseigenen Konzerns an die geschädigten Passagieren. Die Wiedergutmachung für rund 23.000 durchgeschwitzte Fahrgäste schlägt mittlerweile mit 2,7 Mio. Euro zu Buche, wie eine Bahn-Sprecherin in Berlin mitteilte. Im Schnitt entspricht das 117,40 Euro pro Fahrgast.
Der Fahrgastverband Pro Bahn begrüßte die Millionenentschädigung. Die Bahn habe sich in dieser Frage sehr vernünftig verhalten, sagte der Vorsitzende des häufig bahnkritisch eingestellten Verbands, Karl-Peter Naumann, dem "Hamburger Abendblatt". Ihm lägen derzeit keine Beschwerden über zu geringe oder verzögerte Schmerzensgeldzahlungen vor. Der Verbandsvorsitzende mahnte allerdings an, dass das Zugpersonal künftig mehr Kompetenzen erhalten müsse, um auf Probleme wie defekte Klimaanlagen flexibel reagieren zu können. Dazu zähle beispielsweise auch ein "außerplanmäßiger Halt".
Kommt die Bahn ins Schwitzen?

Die Bahn steht schwer in der Kritik, sich für ihre Börsenpläne "kaputt gespart" zu haben.
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Die Entschädigungssumme ist binnen kürzester Zeit auf einen Millionenbetrag angeschwollen. Ende Juli hatte noch Grube berichtet, dass zunächst knapp 5700 Kunden Entschädigungen im Wert von 374.000 Euro erhalten hatten (im Schnitt 65,60 Euro pro Fahrgast). Wie sich die jetzige Summe von 2,7 Mio. Euro auf die Fahrgäste konkret verteilt, ist nicht bekannt. Der Fahrgastverband Pro Bahn war am Sonntag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Verbraucherschützer hatten als Richtschnur 300 Euro als Entschädigung gefordert. Bahnchef Grube hatte nach einem Krisentreffen mit Bundestagsabgeordneten Reisenden mit Gesundheitsschäden sogar 500 Euro in Aussicht gestellt, selbst ohne Vorlage eines Attests. Hitzeopfer sollten zusätzlich das Anderthalbfache des Fahrpreises als Gutschein erhalten, andere Betroffene die Hälfte des Ticketpreises.
Nach Angaben der Bahn ist die Bearbeitung entsprechender Anträge auf Wiedergutmachung immer noch nicht erledigt. Wie es heißt, sind auch weitere Maßnahmen geplant, um die Technikprobleme unter Kontrolle zu bekommen. Im September sollen sie präsentiert werden. Die Saunafahrten werden die Bahn auf jeden Fall teuer zu stehen kommen.
Aussetzer bei Extremtemperaturen
Anfang Juli Binnenwaren bei Temperaturen von weit über 30 Grad binnen weniger Tage Klimaanlagen in gut 50 Fernzügen ausgefallen - teils komplett, teils nur in einzelnen Wagen. In einem dramatischen Fall musste ein ICE in Bielefeld gestoppt werden, in dem mehrere Schüler kollabierten. Pannen gab es vor allem bei älteren ICE der ersten und zweiten Generation. Deren Kühlung bringt nur bei Außentemperaturen bis etwa 32 Grad die volle Leistung. Um die Probleme in den Griff zu bekommen, wurden Wagen zeitweise nicht so stark abgekühlt. Solche Nachjustierungen konnten die Situation stabilisieren, so dass es laut Bahn nach dem 14. Juli nur noch sehr vereinzelte Kühlungsdefekte gab.
Qualitätsoffensive mit Abstrichen
Die neuerlichen Pannen hatten der Bahn massive Kritik eingebracht, nachdem es bereits im Winter zu diversen Zugausfällen gekommen war. Im September will Grube daher weitere Schritte einer "Kunden- und Qualitätsoffensive" vorstellen. Damit soll verhindert werden, dass die ICE-Technik bei extremem Wetter erneut so störanfällig ist. Im November beginnt eine Generalüberholung der 44 ICE-2-Züge, die bis 2013 abgeschlossen sein soll. Dabei wollen die Experten prüfen, ob auch Energieversorgung und Klimaanlagen überarbeitet werden sollten. Eine "Achillesferse" bleibt allen Bemühungen zum Trotz: Nach Grubes Worten sind wegen zusätzlicher Achs-Überprüfungen kaum ICE-Reservezüge einsetzbar.
Quelle: ntv.de, ddi/dpa