Weißrussland will anzapfen Gasstreit geht weiter
20.06.2010, 13:01 UhrDie Fronten im Gasstreit zwischen Russland und Weißrussland sind verhärtet. Während Russland auf die Zahlung von 192 Mio. US-Dollar pocht, beharrt Weißrussland darauf, in Moskau noch 200 Mio. US-Dollar gut zu haben. Sollte Russland den Gashahn zudrehen, würde man einfach die Leitungen anzapfen.
Der Streit zwischen Russland und Weißrussland um offene Gasrechnungen hat sich verschärft. Weißrussland drohte Moskau mit einem Anzapfen der Transitleitungen nach Westen, sollte Russland Minsk an diesem Montag den Gashahn zudrehen. Der russische Staatskonzern Gazprom kündigte für einen solchen Fall an, sein Gas unter Umgehung Weißrusslands durch die Ukraine nach Polen pumpen zu wollen.
Man werde die Verträge mit den westlichen Kunden erfüllen, sagte Gazprom-Chef Alexej Miller nach Angaben der Agentur Interfax. Zuvor waren Verhandlungen über den Streit erneut gescheitert. Gazprom verlangt von Minsk 192 Mio. US-Dollar (etwa 155 Mio. Euro). Durch Weißrussland führt eine der wichtigen Pipelines für russische Gaslieferungen an den Westen.
Der Hahn wird zugedreht
"Gazprom ist bereit, an diesem Montag die Lieferungen nach Weißrussland um 85 Prozent zu verringern", sagte Unternehmenssprecher Sergej Kuprijanow. Die Konzernspitze habe bereits eine entsprechende Anweisung unterschrieben. Moskau behalte sich eine Klage gegen seinen finanzschwachen Nachbarn vor, sagte der russische Vize-Regierungschef Igor Setschin. "Vor Gericht wird entschieden, wer wem etwas bezahlen muss." Am Rande des Internationalen Wirtschaftsforums in der russischen Stadt St. Petersburg hatten die früheren Sowjetrepubliken zuvor mit verschärfter Tonlage vergeblich um eine Lösung gerungen.
Das autoritär geführte Weißrussland drohte, die Transitpipelines anzuzapfen, sollte Russland die Gaslieferungen tatsächlich drosseln. Moskau schulde Minsk für die Weiterleitung etwa 200 Mio. US- Dollar, sagte der weißrussische Vize-Energieminister Eduard Towpinez im Staatsfernsehen. Die Summen könnten verrechnet werden. Russland zeigte sich von dieser Darstellung empört. Moskau und Minsk hatten erst Anfang des Jahres einen neuen Liefervertrag für Gas vereinbart, den Weißrussland aus Sicht des mächtigen Nachbarn nicht erfüllt.
Hinter dem neuen Streit vermuten Beobachter auch einen Denkzettel für Minsk. Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hatte den Kreml zuletzt wiederholt mit politischen Angriffen gereizt, etwa indem er eine von Moskau initiierte Dreier-Zollunion mit Russland und Kasachstan in letzter Sekunde vorerst auf Eis legte. Lukaschenko ist jedoch dringend auf Hilfe aus Moskau angewiesen, um seine Macht bei den bevorstehenden Präsidentenwahlen zu erhalten.
Erst im Januar hatten sich Russland und Weißrussland nach monatelangem Streit um den Gaspreis auf einen neuen Liefervertrag geeinigt. Im Januar 2007 hatte ein Streit zwischen beiden Ländern zu einem mehrtägigen Öllieferstopp geführt, der auch Deutschland und andere europäische Länder betraf. Sie erhielten kein russisches Öl mehr durch die Pipeline "Druschba" (Freundschaft), Raffinerien mussten ihre Produktion herunterfahren. Minsk wehrte sich damals vor allem gegen einen von Moskau geforderten Zoll auf das Öl.
Quelle: ntv.de, sla/dpa/AFP