Wirtschaft

Paradoxe Bankenwelt US-Großbanken dürfen "tricksen"

Da staunen selbst die Marktteilnehmer: US-Großbanken profitieren von ihrer eigenen Schwäche.

Da staunen selbst die Marktteilnehmer: US-Großbanken profitieren von ihrer eigenen Schwäche.

(Foto: picture alliance / dpa)

Gewinne statt Verluste: Die großen US-Geldhäuser profitieren in den vergangenen Monaten von ihrer eigenen Schwäche. Grund für diesen Widersinn ist eine Bilanzierungsregel, die in den USA deutlich strikter ausgelegt wird als in Europa. Um was geht es dabei?

US-Großbanken bewerten ihre eigenen Anleihen stets zu Marktpreisen. Fallen die Bond-Kurse aber, wie in den vergangenen Monaten im Zuge der Euro-Schuldenkrise, reduziert sich automatisch der Buchwert der Bankschulden. Die Folge sind überraschende Sondergewinne. Diese Bilanzierungsregel wird in den USA deutlich strikter angewendet als in Europa.

Zuletzt machte das bei der Großbank JPMorgan im dritten Quartal ein Viertel des Nettoergebnisses von gut 4 Mrd. Dollar aus. Andere US-Institute, deren Anleihen stärker unter Druck geraten sind, dürften noch mehr davon profitieren, sagen Analysten voraus.

Gewinne statt Verluste

"Wir werden diese Sondergewinne bei allen großen US-Spielern am Kapitalmarkt sehen", sagt Shannon Stemm, Finanzexperte beim Beratungshaus Edward Jones. Vor Bekanntgabe der JPMorgan-Zahlen hatten Analysten den Effekt bei den Investmentbanken Morgan Stanley und Goldman Sachs auf 1 Mrd. Dollar beziehungsweise 300 Mio. Dollar beziffert. Nun erwarten sie teils deutlich mehr. Ohne diese Sondergewinne lägen die Analystenschätzungen für beide Häuser in der Verlustzone, da im Investmentbanking nicht viel verdient wurde. Die Zahlen werden für nächste Woche erwartet.

An den Finanzmärkten machen sich Anleger zunehmend Sorgen um den Effekt der Euro-Schuldenkrise auf die US-Bankenbranche. Dabei geht es vor allem um die starke Vernetzung der Häuser mit europäischen Instituten. Daher sind die Bonds der US-Institute ebenfalls unter Druck geraten.

Ein positiver Nebeneffekt

Deutsche Bank verzichtet auf umstrittene Bilanzierungsregel.

Deutsche Bank verzichtet auf umstrittene Bilanzierungsregel.

(Foto: picture alliance / dpa)

Auch europäische Banken haben die Möglichkeit, die von ihnen begebenen eigenen Anleihen auf Marktwert abzuschreiben, um Sondergewinne zu verbuchen. Sie machen davon aber weniger Gebrauch. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann betonte neulich, dass sein Haus im Krisenjahr 2008 keinen Rekordverlust von fast 4 Mrd. Euro geschrieben hätte, wenn man die Anleihen zu Marktpreisen bewertet hätte.

Der positive Nebeneffekt: Im Folgejahr, als es wieder besser lief, musste die Deutsche Bank anders als die US-Konkurrenz auch keine Einbußen hinnehmen, da die US-Rivalen den Wert der Bonds in der Bilanz wieder hochschrauben mussten.

Investoren zweifeln

Hinter dieser Bilanzierungsregel steht das Bestreben der Regulierer, dass die Banken nicht nur alle Vermögenswerte, sondern auch alle Schulden stets transparent zu Marktpreisen abbilden. Bei den Investoren kommt das aber nicht gut an. JPMorgan-Aktien brachen nach Vorlage der Ergebnisse um fast 5 Prozent ein. Zu frisch ist bei vielen Anlegern noch die Erinnerung an Lehman Brothers.

Der US-Investmentbank hatte 2008 kurz vor ihrem Zusammenbruch diese Anleihe-Bilanzierung noch einen Sondergewinn von 1,4 Milliarden Dollar beschert. "Das wird als reiner Bilanzierungseffekt abgetan", sagt Matthew Morris, Experte vom Wirtschaftsprüfungsinstitut RGL Forensics. "Es widerspricht einfach dem gesunden Menschenverstand, dass ein Unternehmen mehr verdient, wenn es schwächelt."

Quelle: ntv.de, Lauren Tara LaCapra, rts

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