Wirtschaft

"Amerikanische Verhältnisse" in der EU Unternehmen fürchten Sammelklagen

Die kanadische Pharmafirma Apotex zahlte über 600 Millionen Euro - in einer Sammelklage wegen einer unwirksamen Anti-Baby-Pille.

Die kanadische Pharmafirma Apotex zahlte über 600 Millionen Euro - in einer Sammelklage wegen einer unwirksamen Anti-Baby-Pille.

(Foto: picture alliance / dpa)

Immer wieder zahlen US-Unternehmen Millionen, um einen Rechtsstreit mit einer Anwaltskanzlei zu beenden. Zustande kommen diese hohen Summen durch Sammelklagen. Nun überlegt die EU-Kommission, diese Klagen auch in Europa zu ermöglichen.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat die EU-Kommission gewarnt, im europäischen Recht eine Art Sammelklage nach US-amerikanischem Vorbild zuzulassen. Sollte Brüssel den Mitgliedsstaaten "die Einführung bestimmter Instrumente des sogenannten kollektiven Rechtsschutzes" ermöglichen, könnte dies "zu in Europa völlig neuen Missbrauchsrisiken führen", sagte DIHK-Chefjustiziar Stephan Wernicke.

Im Falle eines Erfolges verschafft eine Sammelklage nicht nur dem Kläger Ansprüche, sondern auch jeder Person, die in gleicher Weise von dem Schaden betroffen ist. Das Missbrauchsrisiko bestehe zum einen darin, dass spezialisierte Kanzleien mit einer potenziell sehr hohen Schadensersatzforderung betroffene Unternehmen zu einer schnellen außergerichtlichen Einigung drängten - ungeachtet der Rechtslage selbst. Zum anderen würde die Aussicht auf Entschädigungen, die um ein Vielfaches höher lägen als bisher in Europa üblich, spezialisierte Kanzleien zu möglichst vielen profitablen Schadenersatzklagen verlocken. "Das ist das, was gegenwärtig in den USA geschieht - sogar nicht selten", sagte Wernicke.

Kein europäisches Land ermöglicht bisher Sammelklagen

Der Jurist hob hervor, dass die EU, sobald sie derartigen kollektiven Rechtsschutz erlaube, danach keine Einflussmöglichkeit mehr auf das jeweilige nationale Prozessrecht habe. Sie selbst könne dann nicht mehr verhindern, "dass extreme Dinge, wie zum Beispiel Strafschadenersatz oder bestimmte Formen der Kostenregelung angewendet würden, die weder europäischer Tradition entsprechen noch fair sind".

Doch die Diskussion um Sammelklagen wird nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch in einigen EU-Staaten geführt. Grundsätzlich sind nach Europarecht Urteile in einem europäischen Mitgliedsstaat auch in allen anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, erläuterte der DIHK-Jurist. Wenn also ein Mitgliedstaat sein Rechtssystem für derartige Sammelklagen öffnen würde, hätte dies unmittelbare Auswirkungen auch auf andere Staaten. Damit könnten etwa deutsche Geschädigte in einer Art Sammelklage gegen ein deutsches Unternehmen vor ein Gericht in Großbritannien, Bulgarien, Italien oder Frankreich ziehen, um nach US-Vorbild immensen Schadenersatz durchzusetzen. "Das ist ein signifikantes Risiko", sagte Wernicke.

Quelle: ntv.de, dpa

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