Auftrag muss erfüllbar sein THW-Team landet in Japan
13.03.2011, 04:55 UhrEin THW-Team kommt in Tokio an. Die Helfer haben drei Suchhunde sowie rund zwölf Tonnen Gerät zur Ortung und Bergung von Verschütteten und zur Messung von radioaktiver Strahlung dabei. Noch kann niemand genau sagen, wie viele Menschen beim Erdbeben und dem Tsunami ums Leben kamen. Befürchtet werden über 10.000.
Ein Team des Technischen Hilfswerks (THW) ist am frühen Morgen in Tokio angekommen. Die 38 Männer und Frauen seien am Flughafen Narita gelandet, sagte THW-Sprecher Nicolas Hefner in Bonn. Die Helfer hätten drei Suchhunde sowie rund zwölf Tonnen Gerät zur Ortung und Bergung von Verschütteten und zur Messung von radioaktiver Strahlung dabei.
Insgesamt seien damit 44 THW-Mitarbeiter in Japan. Sie sollen nach dem Erdbeben und der Tsunami-Katastrophe bei der Suche und Bergung von Vermissten helfen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte zuvor in Berlin mitgeteilt, dass Tokio um diese Unterstützung gebeten habe.
Die Helfer des THW werden nach Angaben von Hefner nun gemeinsam mit den japanischen Behörden ihren Einsatzort festlegen. Die Sicherheit der Helfer habe dabei oberste Priorität.
Das THW-Team habe einen Experten dabei, der auch die deutsche Botschaft mit Blick auf die nukleare Gefahr beraten soll, sagte Hefner. "Wir verlassen uns aber auch auf die Informationen, die wir von den japanischen Behörden bekommen." Niemand werde in Gebiete geschickt, "wo nicht hundertprozentig klar ist, dass keine Gefahr besteht", so Hefner. "Wir haben einen Auftrag, den wir versuchen zu erfüllen. Doch wenn er nicht erfüllbar ist, werden wir zurückkehren, das ist ganz klar."
Tausende Tote befürchtet
Eineinhalb Tage nach der größten Naturkatastrophe in der Geschichte Japans wird damit gerechnet, dass mehr als 1800 Menschen ihr Leben verloren haben. Diese Zahl ergibt sich nach Meldungen der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo aus der bisher von der Polizei bestätigten Zahl von 687 Toten und der Zahl der Vermissten. Die Zahl der Verletzten gab die Polizei mit 1128 an.
Allerdings wird erwartet, dass die Zahl der Todesopfer steigen wird - allein in der Ortschaft Minamisanriku in der schwer betroffenen Provinz Miyagi gab es von 9500 Menschen und damit von jedem zweiten Bewohner kein Lebenszeichen. In Rikuzentakata in der Präfektur Iwate fand die Armee 300 bis 400 Todesopfer. Alle 81 Menschen an Bord eines zwischenzeitlich vermissten Schiffes konnten dagegen gerettet werden.
"Der entscheidende Tag"
Seit dem Erdstoß der Stärke 8,9 vom Freitag seien 3000 Menschen gerettet worden, sagte Ministerpräsident Naoto Kan. 300.000 Menschen mussten nach Polizeiangaben ihre Häuser verlassen. Darunter sind auch 80.000 Anwohner des Atomkraftwerks Fukushima, wo es nach dem Erdbeben zu einem ernsten Störfall und zu einer Explosion kam. Laut Kyodo wurden mehr als 3400 Häuser ganz oder teilweise zerstört. Mindestens 5,6 Millionen Haushalte waren von der Stromversorgung abgeschnitten.
Zehntausende Soldaten wurden für den Einsatz in den Katastrophenregionen mobilisiert, um Überlebende zu retten. Auch internationale Organisationen boten ihre Hilfe an. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo standen rund 20.000 Soldaten, 190 Flugzeuge und 25 Schiffe bereit. Regierungschef Naoto Kan sagte, der Samstag sei der "entscheidende" Tag für die Suche nach Überlebenden. Insgesamt würden mindestens 50.000 Helfer mobilisiert.
Etliche Nachbeben erschüttern Japan
Einen Tag nach dem Beben und dem verheerenden Tsunami, der bis weit ins Land hinein Schiffe, Häuser, Autos und Menschen mitgerissen hatte, hielten Nachbeben die Bewohner selbst in weit vom Epizentrum entfernten Gegenden in Atem. Die US-Wissenschaftsbehörde United States Geological Survey (USGC) registrierte seit Freitag allein 25 Beben ab der Stärke 6. Hinzu kamen über 150 schwächere Nachbeben.
Das japanische Fernsehen zeigte Bilder von großflächigen Überschwemmungen an der Küste. Viele Menschen verbrachten die eiskalte Nacht frierend im Freien auf den Dächern umfluteter Häuser. Rund 21.000 Menschen wurden noch in Notunterkünften versorgt. Regierungschef Naoto Kan, der die Katastrophenregion per Helikopter besuchte, rief die Bürger auf, das beispiellose Desaster gemeinsam zu überwinden.
Auch im Großraum Tokio wurden die Menschen von einer neuen schweren Erschütterung aufgeschreckt. Dennoch schien zumindest auf den ersten Blick am ehesten in der Hauptstadt so etwas wie Alltag zurückzukehren. Am Bahnhof ging es recht ruhig zu. An den Schaltern bildeten sich keine übermäßig langen Schlangen von Menschen, die vorübergehend im Süden des Landes Zuflucht suchen wollten. Der Zug von Tokio Richtung Osaka im Süden war ebenfalls nicht überfüllt. Der 28-jährige Software-Entwickler Shinji Masui sagte, das Erdbeben mache ihm Angst: "Deswegen fahre ich zu meiner Familie in den Süden." Auch Mirami, eine junge Frau aus Tokio, flüchtet für eine Woche nach Kyoto, "bis alles vorbei ist".
Keine Hinweise auf deutsche Opfer
Das Auswärtige Amt riet von nicht erforderlichen Reisen in den Großraum Tokio und den Nordosten Japans ab. Nach Angaben einer Sprecherin hat das Außenamt bislang keine Hinweise auf deutsche Opfer der Erdbebenkatastrophe. In Japan leben Schätzungen zufolge etwa 5000 Deutsche, vor allem in den Ballungszentren Tokio, Osaka und Yokohama. Etwa 100 Deutsche befinden sich in der am schwersten von der Katastrophe betroffenen Region im Nordosten der Hauptinsel Honshu.
Allerdings ging das Auswärtige Amt Hinweisen nach, wonach sich ein deutscher Kernenergietechniker im Katastrophengebiet rund um das japanische Atomkraftwerk Fukushima aufhalten könnte. Man stehe mit dessen Angehörigen in engem Kontakt, sagte eine Sprecherin. Zuvor hatte sich eine Frau gemeldet, deren Mann für den französischen Atomkonzern Areva in dem Unglücksreaktor Fukushima gearbeitet haben soll.
Tsunami-Welle schwächer als befürchtet
Das gewaltige Beben hatte Japan am Freitag gegen 14.45 Uhr Ortszeit (6.45 Uhr MEZ) erschüttert. Im gesamten Pazifikraum waren danach in etwa 50 Ländern zeitweise Tsunami-Warnungen ausgelöst worden. In Kalifornien wurde ein junger Mann von der Welle mitgerissen und ertrank. In Ecuador waren mehr als 260.000 Menschen aus küstennahen Regionen in Sicherheit gebracht worden, in Chile wurden ebenfalls Zehntausende Bewohner aus tief gelegenen Küstenstrichen in höheres Gelände gebracht.
In Indonesien kam bei dem Tsunami ein Mensch ums Leben; etliche Häuser wurden zerstört. Die von dem Erdbeben vor Japan ausgelöste Welle war etwa zwei Meter hoch, als sie gegen Mitternacht einen Küstenabschnitt in Papua auf der Insel Neuguinea überflutete.
Nach Angaben von Wissenschaftlern hat das Erdbeben mit seiner Wucht große Landmassen verschoben und den Lauf der Welt verändert.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP