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Umstrittener Pop-Art-Pionier Allen Jones hält voyeuristisch Distanz

Allen Jones in den 1960er-Jahren. Hinter seinen Domina-Figuren steckt viel mehr als der männliche Blick auf den weiblichen Körper.

Allen Jones in den 1960er-Jahren. Hinter seinen Domina-Figuren steckt viel mehr als der männliche Blick auf den weiblichen Körper.

(Foto: Geuer & Geuer)

Fasziniert von der weiblichen Form widmet sich der Maler und Bildhauer Allen Jones dem nackten Körper der Frau. Am bekanntesten ist er wohl für seine Skulpturen, in denen er Domina-Puppen als Möbelstücke inszeniert. Dass diese Werke auch weiterhin stark polarisieren, hat seiner Karriere jedoch wohl mehr genützt als geschadet.

Die Skulpturen lösen auch ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entstehung noch immer Kontroversen und Diskussionen aus. Halbnackte weibliche Schaufensterpuppen in Lackkorsagen und Schaftstiefeln, die als Möbel dienen. Eine Figur auf allen vieren, auf ihrem Rücken eine gläserne Tischplatte, eine zweite, die liegend ihre Beine in die Luft streckt, ihr Schoß als Sitzfläche. Eine dritte Figur wird schlicht zum Hutständer.

Als Allen Jones die provokante Skulpturengruppe "Hat Stand, Table and Chair" 1970 zum ersten Mal in London zeigt, gibt es einen handfesten Skandal. Speziell Feministinnen stören sich an den erotischen Figuren, sie sehen in ihnen eine Objektivierung des weiblichen Körpers. Noch Jahre später werfen Aktivisten Stink- und Rauchbomben in Ausstellungen oder kippen Säure über die Figuren. Auch wenn die Skulpturen heute im Kontext von #metoo etwas befremdlich wirken, bestechen sie doch durch ihre Mehrdeutigkeit und sind, wie der Künstler selbst, das Produkt einer Zeit der tiefgreifenden Veränderungen.

Wolfram Kons besucht Allen Jones auf seinem Landsitz westlich von London für die Dokumentation "Allen Jones - Legende der Pop-Art".

Wolfram Kons besucht Allen Jones auf seinem Landsitz westlich von London für die Dokumentation "Allen Jones - Legende der Pop-Art".

(Foto: Geuer & Geuer)

Allen Jones wird 1937 in der englischen Hafenstadt Southampton geboren und wächst im Westen Londons auf. Ende der 1950er-Jahre studiert er zunächst am Hornsey College of Art Kunst, später am renommierten Royal College of Art, zusammen mit Künstlern wie David Hockney und R. B. Kitaj. Zu dieser Zeit fokussieren sich die meisten jungen Künstler auf den amerikanischen abstrakten Expressionismus, Allen Jones aber hat ein starkes Interesse für figurative Kunst und die aufkommende Pop-Art. Schon in den 1960er-Jahren konzentriert er sich auf Frauenfiguren, seine Darstellungen werden stilisierter und auch voluminöser. Bereits 1963 wird er auf der Pariser Biennale mit dem Prix des Jeunes Artistes ausgezeichnet.

Mitte der Sechziger lebt er eine Zeit in New York, damals das Zentrum der internationalen Avantgarde. Dort entdeckt er die expliziten Motive aus Fetischmagazinen für seine Malerei. Die überspitzten und konkreten Illustrationen inspirieren ihn, genauso wie die provokante Subkultur Ende der 60er-Jahre. 1969 kreiert er die erste Gruppe seiner berüchtigten Fiberglas-Skulpturen "Table", "Chair" sowie "Hat Stand".

Allen Jones gilt als Pionier der britischen Pop-Art, neben seinen Skulpturen ist er auch für seine Gemälde und Lithografien bekannt. In seiner künstlerischen Praxis vermengt er sexuelle Motive mit glamourösen Darstellungen. Er hat eine eigene Bildsprache entwickelt, graziös und musisch, immer im Spannungsfeld von Erotik und Fetisch.

Die Kunst von Allen Jones besticht durch ihre Ambivalenz. Wohl auch deshalb ist er auf dem Kunstmarkt so erfolgreich. 2012 wird ein Set seiner Skulpturen aus dem Nachlass des Kunstsammlers und Gentleman-Playboys Gunter Sachs bei Sotheby's versteigert - für 2,6 Millionen britische Pfund. Seine Werke befinden sich in einer Reihe von Sammlungen, darunter die Tate in London, das Museum Ludwig in Köln, das Warwick Arts Centre im englischen Coventry und das Hirshhorn Museum in Washington.

Schon seit den 1960er-Jahren unterrichtet er Lithografie und Zeichnen in London, später führen ihn Gastprofessuren unter anderem an die Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg und die Berliner Hochschule der Künste. 2017 kehrt er in seine Heimatstadt zurück, um die Ehrendoktorwürde der Southampton Solent University zu erhalten.

Sehnsucht, Begehren und sexuelle Selbstbestimmung. Allen Jones erotische Bildsprache zeigt nicht lediglich den männlichen Blick auf den weiblichen Körper, vielmehr thematisiert der Künstler hintergründig die Legitimität erotischer Fantasien, zu der auch der Fetisch gehört.

Die n-tv Inside Art - Doku "Allen Jones - Legende der Pop-Art" und andere Beiträge aus der Reihe Inside Art sind jederzeit bei RTL+ abrufbar.

Quelle: ntv.de

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