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Bitte mit Performance-Paket Golf R Variant - alles, nur nicht bieder

Der Golf R Variant ist nicht nur ein ideales Auto für den eiligen Familienvater, es ist auch ein Fahrzeug, das die Rennstrecke beherrscht.

Der Golf R Variant ist nicht nur ein ideales Auto für den eiligen Familienvater, es ist auch ein Fahrzeug, das die Rennstrecke beherrscht.

(Foto: Martin Meiners)

Ob der Golf es in eine neunte Generation schaffen wird, steht zu bezweifeln. Aber bevor die Lichter endgültig ausgehen, hat die R GmbH mit dem R Variant noch einmal einen ganz großen Wurf gelandet und einen Kompakt-Boliden erschaffen, dem man sein Rennstreckenvermögen kaum ansieht.

Kein anderes Auto von VW ist bis heute dem Namen seines Herstellers Volkswagen so gerecht geworden wie der Golf. Im Jahr 2000 beschrieb Thomas Illies in seinem Buch "Generation Golf" sogar die Jugenderlebnisse einer ganzen Generation, die symptomatisch von dem Bestseller aus Wolfsburg und der Welt, in dem der Kompakte fuhr, beeinflusst wurde. Fakt ist aber, dass der Golf seit seinem Erscheinen im Jahr 1974 im Straßenbild nie wirklich für Aufregung sorgte. Klar, da gibt es seit 1976 den GTI, der als sportliche Variante den Puls etwas in die Höhe treiben kann. Aber, seit 2003 gibt es da das R hinter dem Namen Golf und das steht für Top-Performance.

Das einzige äußere Zeichen, das eindeutig auf die Performance des Golf R Variant hinweist, sind die vier Endrohre.

Das einzige äußere Zeichen, das eindeutig auf die Performance des Golf R Variant hinweist, sind die vier Endrohre.

(Foto: Martin Meiners)

Allerdings muss man dazusagen, dass sich das R bei einem Fahrzeug mit dem Buchstaben nie übermäßig optisch in den Vordergrund spielte. Vielmehr gibt es dem Piloten eines solch getarnten Boliden das Gefühl, unter dem Radar zu fahren, bis zu dem Moment, wo er das Triebwerk zündet und mit vollem Schub zum Tiefflug ansetzt. Nicht anders ist es beim letzten Wurf der R GmbH, dem Golf R Variant. Zugegeben, den Hatchback gibt es schon eine Weile in dieser Ausführung und die echten Fans warten wahrscheinlich immer noch auf die 2014 in China vorgestellte Studie mit 400 PS. Angesichts der neuen E-Mobilitätsfreuden wird es die aber nicht mehr geben.

Die Kunst liegt in der schnellen Kurve

Und für die Gegenwart? Hat der R Variant alles, was ein Sport-Kombi braucht und wahrscheinlich sogar noch ein bisschen mehr, von dem man sich nicht ganz sicher ist, wann man das in der freien Wildbahn überhaupt ausprobieren kann. Also zu den Fakten: Mit seinen 320 PS ist die R-Ausführung der stärkste Variant unter den Golf-Modellen. Der Standardsprint ist in 4,9 Sekunden abgeschlossen und erst bei 250 km/h wird elektronisch abgeregelt. Es sei denn, das R-Performance-Paket wird dazugebucht, dann ist sogar Tempo 270 drin. Aber ehrlich gesagt ist das gar nicht das, was diesen fast unscheinbaren Kombi ausmacht. Auf gerader Strecke kann jeder auf den Pinsel treten und sich dem Rausch hingeben. Die Kunst besteht aber in der schnellen Kurve und die beherrscht der R wie kein anderer in dieser Klasse.

Die Sportsitze im Golf R Variant sorgen nicht nur für Halt in der Kehre, sondern versprechen auch Komfort auf der Langstrecke.

Die Sportsitze im Golf R Variant sorgen nicht nur für Halt in der Kehre, sondern versprechen auch Komfort auf der Langstrecke.

(Foto: Martin Meiners)

Ganz schön hochgestapelt, wird der eine oder andere jetzt denken, aber tatsächlich ist den Ingenieuren hier etwas sehr Eigenes gelungen. Wie der Golf R hat man auch dem Variant einen Allradantrieb an die Hinterachse gegeben. Was nichts anderes heißt, als dass die Kraft von maximal 420 Newtonmetern, die bereits ab 2100 Kurbelwellenumdrehungen anliegen, mit einer radselektiven Momentensteuerung je nach Bedarf einzeln an die Hinterräder weitergereicht wird. Verantwortlich ist dafür ein neues Hinterachsgetriebe, was vor allen bei schnell gefahrenen Kurven auffällig wird.

Fahrprogramm "Nürburgring"

Wer den Unterschied aber wirklich spüren will, spielt einfach mal mit den Fahrprogrammen des R. Die sind ohnehin ein wenig anders als bei den anderen Golf-Modellen. Denn der Start erfolgt bei einem R immer in Sport. Wer auf Comfort schaltet, fährt eigentlich im Eco-Modus und bei Race ist noch lange nicht Schluss. Aber dazu gleich, denn wie gesagt, der Sport-Modus ist hier das normale, das alltägliche Fahrprogramm. Und allein hier ist fahrwerksseitig, unterstützt durch die adaptive Regelung des DCC, eine man könnte fast sagen elegante Art des sportlichen Fahrens möglich. Unaufgeregt schnell, aber ohne dabei die Insassen mit einem knochigen Aufschlag bei jeder Bodenwelle zu behelligen. Die Lenkung ist direkt, aber noch lange nicht eng, die Gasannahme direkt, aber nicht bissig und die Schaltpunkte liegen im mittleren Drehzahlbereich.

Im Innenraum wirkt der Golf R Variant deutlich eleganter als ein GTI.

Im Innenraum wirkt der Golf R Variant deutlich eleganter als ein GTI.

(Foto: Ingo Barenschee)

Und die Kurven? Die lassen sich flott durcheilen, aber das geht natürlich im Programm Race noch viel besser. Wobei der eigentliche Clou die im R-Performance-Paket hinterlegte und zusätzlich wählbare Einstellung "Nürburgring" oder "Special" ist. Erst jetzt und eigentlich auch nur auf der Rennstrecke wird klar, was dieser nach außen fast biedere Bursche auf dem Kasten hat. Witzigerweise werden die Dämpfer jetzt wegen der enormen Beanspruchung auf Comfort geschaltet. Dabei fährt das DCC eine spezielle vertikale Abstimmung. Dank Fahrdynamikmanager und Torque-Splitter wird zudem für eine spezielle querdynamische Abstimmung gesorgt. Nimmt man jetzt noch die schon erwähnte radselektive Kraftverteilung an jedes einzelne Hinterrad und die Tatsache, dass die Motorelektronik, abhängig vom Bremsdruck, die Zwangshochschaltung verhindert, kann früher und vor allem härter aus der Kurve beschleunigt werden.

Spiel, Sport und Drift

All das stellt sich für den Fahrer des R Variant, der in seinem serienmäßigen Sportsitzen gefangen ist, in einer absoluten Stabilität dar. Wird im Sport-Modus das Heck bei solch rasanter Fahrt noch leicht, bleibt es in Special völlig unbeeindruckt am Boden und das trotz eines Gepäckabteils, das mit 611 bis 1642 Litern nun wirklich alles andere als klein ist. Da bewegt sich nichts in der Kehre, da schiebt nichts, da zieht nichts, wie an der Schnur gezogen folgt der Kombi den Befehlen, die über die Parameterlenkung und über das Gaspedal gegeben werden. Während das Dopelkupplungsgetriebe unglaublich schnell und ohne Verzug die Gänge im maximalen Drehzahlbereich hin und her wirft, pfeilt der R unter lautstarken Salven aus der Sportabgasanlage um die Ecken. Aber auch das gelingt nur, weil die 18-Zoll-Bremsanlage mit 357er Scheiben mit geschwindigkeitsabhängiger Kennung im elektronischen Bremskraftverstärker für feinste Dosierbarkeit sorgt.

Das Wichtigste an einem Kombi ist der Kofferraum. Der fasst beim Golf R Variant 611 bis 1642 Liter.

Das Wichtigste an einem Kombi ist der Kofferraum. Der fasst beim Golf R Variant 611 bis 1642 Liter.

(Foto: Ingo Barenschee)

Aber der einstige Pampers-Bomber hat noch ein anderes Spielprogramm für Papa oder auch Mama, den "Drift"-Modus. Ein feines Ding, bei dem das ESC in Sport wechselt, die Kraftverteilung über den Allradantrieb so gesteuert wird, dass der Druck hauptsächlich über die Hinterräder kommt, um den Variant dann mal ganz gezielt querzutreiben. Aber bitte, wer das Programm nach der Sicherheitsabfrage gewählt hat, sollte nicht auf öffentlichen Straßen unterwegs sein, denn das Heck ist schneller rum, als man denkt. Vor allem dann, wenn das ESC komplett deaktiviert wurde. Und eine Garantie, dass der Fahrer jetzt driften kann, ist das Programm dann auch nicht. Es unterstützt die Fähigkeit des Wagens, in den dafür notwendigen Kreisel zu kommen, aber ganz ohne Übung klappt es dann doch nicht.

Nur mit Performance-Paket

Und wem der Wagen dann bei solchen Spielchen abgeht, dem können nicht mal mehr die vielen elektronischen Assistenten helfen, die der Variant R natürlich auch an Bord hat. Dazu gehören Spurhalteassistent, Umfeldbeobachtung, Notbremsfunktion, Fußgängererkennung oder Abbiegeassistent. Ebenfalls in der Grundausstattung und damit in den 51.585 Euro sind das Digital Cockpit Pro, ein Infotainmentsystem mit 10,0-Zoll-Touchscreen, ein neues Multifunktions-Sportlenkrad, Klimaautomatik, der schlüssellose Zugang, eine Bluetooth-Telefonschnittstelle sowie LED-Plus-Scheinwerfer enthalten.

Damit ist eigentlich alles, was das Herz begehrt an Board, lediglich das Performance-Paket fehlt. Und ganz ehrlich, die 3000 Euro sollte investieren, wer sich einen Golf R Variant kauft, denn genau dieses Paket macht am Ende den Unterschied, hebt den Kompakten auf ein anderes Niveau. Ein Niveau der eleganten Sportlichkeit, die eben nicht das Gefühl vermittelt, dieser Alltagsbolide will dir in der nächsten Kurve den Kopf abreißen, sondern ganz im Gegenteil, hier bleibt der genau da, wo er für die schnelle Runde hingehört: zwischen den Schultern.

Quelle: ntv.de

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