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Auf 20-Zöllern über alle Wege Gravel-Falträder - bereit für Stadt und Gelände

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Vello-Faltrad mit parallel verlaufenden Rahmenrohren: An der Gravel-Ausführung fallen auch die Profilreifen mit ihren gelblichen Wänden ins Auge.

(Foto: Stefan Weißenborn/dpa-tmn )

Falträder sind vor allem in der Stadt praktisch. Die Fahrt auf Schotter und Waldwegen gehört nicht unbedingt zu ihren Kernkompetenzen. Es gibt aber Ausnahmen, die hart im Nehmen sind. Mit Gravel-Falträdern kann man den Aktionsradius sportlich erweitern.

Falträder sind ideale Stadtbegleiter: Sie eignen sich für Pendler in Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Oder für Campingfreunde und Bahnreisende, die, vor Ort angekommen, mobil sein wollen. So weit so normal. Was aber wäre, wenn man breite Reifen und einen Rennlenker montiert?

Dann käme ein Gravel-Faltrad heraus, das seinen Aktionsradius um Forst-, Wiesen- und Waldwege erweitern würde. Das war die Idee, die man zu Beginn der Corona-Krise in Wien beim Faltradhersteller Vello hatte und 2021 in die Tat umsetzte.

Fit für Abenteuer jenseits des Asphalts

Falträder auch für Abenteuer jenseits des Asphalts fit zu machen, damit hatte sich auch die Firma Brompton beschäftigt. Der britische Faltradspezialist konfigurierte ein Sondermodell mit robusteren Reifen. Unter dem Label Jeep ist ein Falt-E-Bike mit groben Geländestollen am Markt.

Und auch ein anderer Faltradpionier aus England, Moulton, bezeichnet seine Schlechtwege-Variante XTB als Gravelbike - doch fehlt das prägnante Erkennungsmerkmal: der gebogene Rennlenker. Eine Tour mit dem Vello Gravel auf Waldwegen und Landstraßen sollte zeigen, wie alltagstauglich das Bike ist.

Der Einsatzzweck: Valentin Vodev, Mitgründer von Vello, schreibt dem Modell "perfekte Gravel-Eigenschaften" zu. Es gehe darum, seine Fahrer zu ermutigen, angestammtes Terrain - den Campingplatz, die täglichen Wege - zu erweitern: "Es ist zum Beispiel ideal für kurze Trips um die Stadt, off-road wie on-road", so Geschäftsführer Vodev.

Spontanere Touren möglich

Für viele Kunden interessant sei, der Faltmechanismus, der den Unterschied zu gängigen Gravelbikes ausmache: Touren seien mit dem Vello spontaner möglich - zumindest, wenn der Ausgangspunkt nicht gleich vor der Haustür liegt.

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Das Vello Gravel passt in viele Autokofferräume.

(Foto: Stefan Weißenborn/dpa-tmn)

Das zusammengelegte Vello kann auch in vielen öffentlichen Verkehrsmitteln als Gepäck kostenfrei mitreisen - ein vollformatiges Allroad-Bike, wie Gravelbikes auch genannt werden, muss im Zweifel auf den Fahrradträger am Auto oder man muss ein Zusatzticket lösen.

Die Technik: Das Vello Gravel rollt wie jedes Faltrad auf vergleichsweise kleinen Laufrädern. Mit 20 Zoll sind diese aber größer als etwa die 16-Zöller eines Brompton. Damit ist das Faltmaß für ein Klapprad kompakt, aber nicht ultrakompakt. Weil sich beim Gravel zudem der Rennlenker nicht zusammenlegen lässt, ist es in Höhe und Breite etwas größer als beim Vello-Basismodell und beträgt 65 x 79 x 39 Zentimeter (Höhe mal Länge mal Breite).

Der patentierte Faltmechanismus ist einfach, erfordert aber dennoch etwas Übung. Der per Magnet arretierte Hinterbau lässt sich über ein Gelenk am Tretlager rechts neben den Rahmen schwingen. Vorderrad und Gabel, die sich über ein weiteres Gelenk am Gabelkopf lösen lassen, legt man an der anderen Seite an einen weiteren Magneten an.

Mit 12 Kilogramm gut zu Tragen

Mit 11,9 Kilogramm ist das Bike gerade noch leicht genug, dass man das Tragen vom Bahnsteig zum Ausgang oder vom Keller zum Auto nicht als Zumutung empfindet. Wahlweise kann man es im gefalteten Zustand am Sattel gepackt aber auch vor sich herrollen.

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Scheibenbremsen gehören zur DNA eines Gravel-Bikes. Am Vello kommt die mechanische Variante zum Zuge, die gegenüber hydraulischen Lösungen mehr Handkraft erfordert.

(Foto: Stefan Weißenborn/dpa-tmn)

Was das Modell zum Gravelbike qualifiziert, sind neben dem Rennlenker Reifen und Schaltung: Die 50 Millimeter breiten Profilreifen Billy Bonkers von Schwalbe sollen laut Hersteller auch auf sandigen Böden für mehr Grip sorgen. Für einen leichtgängigen Berggang sorgt ein großer Zahnkranz mit 36, für flotte Fahrt bei adäquater Übersetzung einer mit 11 Zähnen.

Das Schaltwerk entstammt Shimanos ambitionierter 105er Rennradgruppe - das passt zu den Rennradgenen, die jedem Gravelbike innewohnen. Dem Mountainbike-Erbe werden die Scheibenbremsen gerecht, die auch bei Nässe anders als Felgenbremsen volle Funktion versprechen.

Erstaunlich komfortabel, quirlig und wendig

Der Fahreindruck: Quirlig und wendig zeigt sich das Fahrrad schon auf den ersten Metern. Es lässt sich mühelos beschleunigen, die Reifen surren auf der geraden Landstraße, auf der das Bike ordentlich Tempo aufnimmt und sich dann fast so spurtreu fährt wie ein ausgewachsenes Fahrrad.

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Ein Elastomer sorgt für einen gewissen Dämpfungskomfort. An dieser Stelle löst sich der Hinterbau beim Falten vom Rahmen und das Hinterrad kann über ein Gelenk in Tretlagernähe nach vorn schwenken.

(Foto: Stefan Weißenborn/dpa-tmn)

Biegt man auf Feld- und Waldwege ab, schwindet der Spaß nicht, im Gegenteil. Erstaunlich komfortabel rollen die 20-Zöller ab. Aufgrund ihrer Breite ist ihr Volumen groß, und sie benötigen weniger Luftdruck, was die Dämpfung verbessert. Die Auflagefläche des Profils ist größer, was die Traktion erhöht.

Ein Elastomer-Hinterbau-Dämpfer zwischen Oberrohr und Sitzstreben mildert zusätzlich die Schläge von unten - zumindest im Kopf. Deutlicher spürbar ist die Verspieltheit des Vello, es lenkt sich so direkt, dass man Freude hat, Wurzeln und Brocken auf dem Waldweg zu umkurven. Für Schlaglöcher und Kuhlen sind die 20-Zöller aber anfälliger als größere Räder, die darüber oft hinwegrollen.

Einige Abstriche

Abstriche gibt es vor allem beim Lenken unter seitlicher Belastung des Teleskop-Vorbaus. Wie die Sattelstange lässt er sich in der Höhe einstellen, um das One-Size-Fahrrad an die Körpergröße anzupassen. Doch spätestens im Wiegetritt, aber auch im Sitzen, wenn es unter Anstrengung bergauf geht, lässt der Vorbau die notwendige Steifigkeit vermissen. Der Effekt verringert sich, je mehr der Lenker nach unten gestellt wird.

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Merkmal eines jeden Gravelbikes: der Rennlenker. Über den Bremsgriff lässt sich auch die Kettenschaltung bedienen.

(Foto: Stefan Weißenborn/dpa-tmn)

Dafür ermöglicht der Rennlenker mehrere Griffpositionen und sorgt damit für Abwechslung bei der Sitzhaltung - besonders bequem ist es, wenn man die Hörnchen der Bremshebel greift. Im Unterlenker, der für mehr Kontrolle im Gelände seitlich ausgestellt ist, zu fahren, dürften die wenigsten nutzen. Zu so viel Sport animiert der Off-Road-Falter dann doch nicht.

Ausstattung, Zubehör, Peripherie: Auch für Alltag und leichtere Touren lässt sich das Vello Gravel optimieren. Als Zubehör können Allwetterradler Schutzbleche bestellen, die sich mit dem Rad falten lassen (89 Euro). Für den gleichen Aufpreis liefert Vello eine kompakte LED-Beleuchtung mit 80 Lumen, die per USB geladen, mit Silikonschlaufen befestigt, und der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) entspricht.

Am Steuerrohr lässt sich ein Front-Gepäckträger mit zehn Kilo Tragkraft befestigen, der beim Falten nicht im Weg, aber abnehmbar ist (99 Euro). Das Paar Spanngurte kostet weitere 19 Euro.

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Der Preis: Das Vello Gravel, das es wie bei Falträdern üblich in nur einer Rahmengröße gibt, kostet ab 2290 Euro. Damit liegt es 700 Euro über dem Basismodell Vello Rocky ohne Gravel-Ausstattung.

Fazit: Ganz schön fix, ganz schön cross: Das Vello Gravel ist schnell und kommt auf Schotter und auch in leichtem Gelände gut zurecht. Doch als Klapprad bleibt es ein Kompromiss. Wer die Mixtur mag und Fahrradfahren nicht in erster Linie als Sport begreift, dürfte mit dem hochwertigen Bike aus Wien zufrieden sein.

Quelle: ntv.de, Stefan Weißenborn, dpa

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