Auto

Brennstoffzelle passt für alle Mercedes GLC F-Cell - ist er der Heilsbringer?

An der Wasserstofftankstelle im Technikcenter in Nabern steht eines der Vorserienmodelle des Mercedes GLC F-Cell.

An der Wasserstofftankstelle im Technikcenter in Nabern steht eines der Vorserienmodelle des Mercedes GLC F-Cell.

(Foto: Daimler AG)

Bereits vor zwei Jahren hat der ehemalige Entwicklungschef von Mercedes, Thomas Weber, den GLC F-Cell als technische Revolution angekündigt. Ende des Jahres soll er nun auf den Markt kommen. Zu kaufen gibt es ihn aber dennoch nicht.

Die Brennstoffzelle gibt es nicht erst seit gestern. Mercedes stellte sein erstes Fahrzeug mit Wasserstoff-Antrieb bereits im Jahr 1994 vor. Seinerzeit trug es den spacigen Namen Necar 1. Im Jahr 2011 sorgte der "F-Cell World Drive", die erste Weltumrundung mit einem Brennstoffzellenfahrzeug, für größeres Medieninteresse. Vier Jahre später präsentieren die Stuttgarter mit dem F 015 Luxury in Motion ein Plug-in-Hybrid mit Batterie und Wasserstoffbefeuerung. Ausgelegt ist das Showcar auf eine Reichweite von 1100 Kilometern.

In diesem Jahr nun geht der GLC F-Cell an den Start, dessen Antriebsgrundlage die des F 015 bildet: die Symbiose aus Brennstoffzelle und Akkumulator. Beide Energiespender treiben einen Elektromotor mit einer Nennleistung von 200 PS an. Völlig emissionsfrei geht es dann – das bestätigen Messungen in Anwesenheit des Tüv nach NEFZ – über 437 Kilometer, bevor der Fahrer die nächste Tankstelle anluven muss.

H2-Tankstellen sollen kommen

Die Betankung des Brennstoffzellen-SUV ist kein Problem und gleicht der eines anderen gasbetriebenen Fahrzeugs.

Die Betankung des Brennstoffzellen-SUV ist kein Problem und gleicht der eines anderen gasbetriebenen Fahrzeugs.

(Foto: Daimler AG)

Hört sich gut an? Ist es auch. Noch dazu, weil Dauertests auf den Prüfständen der Stuttgarter ergeben haben, dass die Haltbarkeit der Brennstoffzelle mit 300.000 Kilometern Laufleistung der eines guten Verbrenners entspricht. Die Betankung? Ein Kinderspiel. Wie bei CNG- oder LPG-Fahrzeugen dauert sie nicht länger als drei Minuten und auch die Einfülltechnik ist identisch. Nozzel auf den Einfüllstutzen, verankern und H2 einfüllen. Nun gut, hier tut sich momentan noch eine Hürde auf. Die Infrastruktur an Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland lässt sehr zu wünschen übrig. Versprochen sind bis zum kommenden Jahr 100 Zapfsäulen. Bis 2023 soll dann ein Netz von 400 entstanden sein. Garantieren soll das ein Joint Venture unter dem Namen H2 Mobility.

Nun gut, mit dieser Problematik kann man sich also arrangieren. Denn anders als bei der Batterie reicht die Tankfüllung, die im GLC F-Cell 4,4 Kilogramm beträgt, für die schon erwähnten 400 Kilometer und die Befüllung geht, wenn denn eine Tankstelle gefunden ist, mit 700-bar-Technologie, flott von der Hand. Hinzu kommt eine App mit dem Namen H2.Live. Die zeigt nicht nur die momentan vorhandenen Tankstellen an und ihre Funktionstüchtigkeit, sondern auch die Entwicklung einzelner Stationen. Und noch etwas spricht für die Brennstoffzelle: Sie hat heute schon einen doppelt so hohen Wirkungsgrad wie ein Verbrennungsmotor. Ja, verglichen mit der Batterie ist er geringer, weil es sich bei der Brennstoffzelle um einen Energiewandler handelt. Doch die Schwäche ist auch ihre Stärke. Die Abwärme des Brennstoffzellensystems kann zusätzlich für die Beheizung der Fahrzeuge genutzt werden.

Muss es ein Hybrid sein?

Der technische Aufbau des Mercedes GLC F-Cell ist dem eines normalen Verbrenners gleich.

Der technische Aufbau des Mercedes GLC F-Cell ist dem eines normalen Verbrenners gleich.

Apropos Fahrzeug, wie fährt denn nun so ein GLC F-Cell. Kurz? Wie ein GLC! Der entscheidende Unterschied zum Bruder mit Verbrennungsmotor ist der, dass auf Grund der Architektur hier lediglich ein Heckantrieb angeboten wird. Vorteil: Die dadurch entfallende Kardanwelle schafft Platz für einen zweiten Wasserstofftank. Ansonsten verfügt der Wagen über verschiedene Betriebsarten und Fahrprogramme, wie man sie aus anderen Autos kennt: Eco, Comfort und Sport. Während die genannten Programme das Fahrverhalten nachhaltig verändern, beeinflussen die wählbaren Betriebsarten das Zusammenspiel zwischen Brennstoffzelle und Hochvoltbatterie. Die Kombination, so Mercedes, wird erstmals in dieser Form in einem Brennstoffzellenfahrzeug angeboten.

Die vier Betriebsmodi sind in ihrer Arbeitsweise denen eines Hybrid-Fahrzeugs mit Batterie und Verbrenner entlehnt. So bezieht das Fahrzeug im Modus Hybrid seine Leistung aus beiden Energiequellen. Leistungsspitzen – zum Beispiel bei spontaner Beschleunigung – deckt dabei die Batterie ab. Im Modus F-Cell wird der Ladezustand der Batterie durch die Brennstoffzelle konstant gehalten. Die Fahrt erfolgt ausschließlich mit Wasserstoff. So kann die Energie der Batterie, die immerhin für 49 Kilometer reichen soll, zum Beispiel für die Stadtdurchfahrt im Modus Battery aufgespart werden. Ergibt natürlich ökologisch gesehen nur bedingt Sinn, denn letztlich ist auch das Restprodukt der Brennstoffzelle lediglich Wasserdampf, der durch das Endrohr entweicht. Als vierte Option gibt es dann noch Charge. Das ist selbsterklärend, hier wird der Akkumulator während der Fahrt geladen. Natürlich rekuperiert das System in allen Betriebsmodi und führt Energie beim Bremsen und Ausrollen in die Batterie zurück. Ein Vorgang, der auf der ersten Mitfahrt beeindruckend gut funktionierte. Mit 56 Prozent gestartet, war der Akku am Ende der Fahrt mit 61 Prozent befüllt.

Unter Extrembedingungen wurde die Antriebseinheit des GLC F-Cell in Nabern getestet.

Unter Extrembedingungen wurde die Antriebseinheit des GLC F-Cell in Nabern getestet.

(Foto: Daimler AG)

Ansonsten fährt sich, wie schon gesagt, so ein F-Cell nicht anders als ein ganz normaler GLC. Das war laut Aussage der Entwickler auch das Ziel. Unterschiede mögen sich im Antritt finden, denn die 350 Newtonmeter liegen ohne jede Verzögerung an der Hinterachse an und schieben das SUV mit ordentlichen Druck an. Wie lange der Sprint aus dem Stand auf Landstraßentempo dauert, haben die Stuttgarter noch nicht verraten. Dafür aber, dass die Beschleunigung bei 160 km/h elektronisch beendet wird. Das reicht auch aus, denn da der F-Cell außer dem einer Klimaanlage gleichenden Pfeifen keine Geräusche in den Innenraum entsendet, fühlt man sich bei der Fahrt doch sehr entschleunigt und legt - jedenfalls bei der Mitfahrt - keinen Wert auf höhere Geschwindigkeiten.

Funktioniert auch in Extrembereichen

Wichtiger für die Absicherung des Alltagsbetriebes ist bei einem Wasserstofffahrzeug auch die Frage, wie es sich bei extremen Temperaturen verhält. Auf den Prüfständen in Nabern haben Ingenieure in Klimakammern die Funktionsweise bei minus 40 Grad Celsius bis plus 85 Grad Celsius getestet. Zudem wurden die Motoren wie bei Verschränkungsfahrten um 19 Grad geneigt, um mögliche Wasserflüsse zu simulieren. Einige Systeme legten so bis zu drei Millionen Kilometer zurück, ohne ein einziges Mal auf der Straße gewesen zu sein. Zu den Dauerläufen gehörten auch der sogenannte "Taxi-Test" oder "Gammeltest". Beide Fahrten bilden Zyklen mit häufigen Standpausen ab. Besonders Stehzeiten machten bis dato bei Brennstoffzellen wegen der drohenden Korrosion durch stehendes Wasser Probleme. Dank neuer Technologien konnte aber auch das Problem ad acta gelegt werden.

In Nabern werden die Antriebseinheiten des GLC F-Cell an sechs Arbeitsplätzen in jeweils 20 bis 80 Schritten von Spezialisten zusammengebaut. Etwa 6,5 Stunden dauert die Gesamtmontage.

In Nabern werden die Antriebseinheiten des GLC F-Cell an sechs Arbeitsplätzen in jeweils 20 bis 80 Schritten von Spezialisten zusammengebaut. Etwa 6,5 Stunden dauert die Gesamtmontage.

Auf einen letzten Pluspunkt soll an dieser Stelle noch hingewiesen werden: den Umstand, dass das Brennstoffzellenaggregat im Vorbau die gleichen Anbindungspunkte hat wie ein Verbrennungsmotor. Das heißt nichts anderes, als dass es ein Leichtes wäre, jedes x-beliebige Fahrzeug aus dem Daimler-Konzern mit dieser Technologie zu befeuern. Dazu gehören neben Pkw und SUV auch Nutzfahrzeuge bis zum größten LKW. Jetzt wird sich der eine oder andere denken, na wenn die Sache so steht, dann möchte ich gerne einen Brennstoffzellen-GLC kaufen. Ja, schön wäre es. Doch das, was Mercedes im Technik-Centrum in Nabern vorgestellt hat, war lediglich eine Vorserie. Nun gut, das ist kein Ausschlusskriterium und tatsächlich sollen Ende des Jahres die ersten GLC F-Cell angeboten werden. Allerdings lediglich zur Miete, nicht zum Kauf.

Leider nicht zu verkaufen

Fragt man bei Daimler nach, warum das so ist, dann bleibt der noch zu hohe Preis als Grund hängen. Denn trotz einer Reduktion des Platin-Anteils in der Brennstoffzelle um "90 Prozent" ist der Wagen anscheinend so teuer, dass man ihn nicht verkaufen möchte. Andere Hersteller gehen mit dem Thema offensiver um. Hyundai zum Beispiel bietet sein jüngst vorgestelltes Brennstoffzellen SUV Nexo für knapp 78.000 Euro zum Kauf an. Auch ein Toyota Mirai kann für 78.600 Euro und ein Honda Clarity für 60.000 Euro käuflich erworben werden. Während die beiden Letztgenannten durch ihre doch recht gewöhnungsdürftige Optik nicht der Renner sind, wäre beim schicken und ohnehin beliebten Mercedes GLC F-Cell gar keine Gefahr im Verzug gewesen.

Auch die Idee, den Wagen hochpreisig anzubieten, hätte sich nach Meinung des Autors nicht ausgeschlossen. Schließlich verkauft Tesla seit Jahren sein Model S zu Preisen, die Normalsterbliche schaudern lassen. Am Ende bleibt also eine Idee, die Hyundai bereits mit dem iX35 Fuel Cell hatte. Auch der wurde in seinen ersten Jahren an ausgewählte Personen vermietet. Ein bisschen schade ist es schon, denn nach allem, was bei der Präsentation zum GLC F-Cell gesagt wurde, schien er doch die Alternative zu den E-Mobilen: schnelle Betankung, große Reichweite, Aufbau der Technik auf vorhandene Fahrzeuge, Bereitstellung sämtlicher Assistenten und die Aussicht auf eine schnell auszubauende Infrastruktur.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen