Aufs falsche Pferd gesetzt US-Autozulieferer in der Krise
30.07.2008, 12:37 UhrMit den angeschlagenen US-Autobauern hat Adrian King nur bedingt Mitleid - obwohl General Motors, Chrysler und Ford am laufenden Band Absatzeinbrüche und schmerzhafte Sparprogramme verkünden müssen. Denn für Gewerkschaftsführer King sind die Zulieferer die wahren Verlierer der Krise am US-Automarkt. "Wenn General Motors seine Produktion zurückfährt, fühlt sich das für sie an wie eine Erkältung. Für uns ist es wie eine schwere Grippe oder eine Lungenentzündung." Noch im Mai hatten die Mitarbeiter des großen US-Zulieferers American Axle geglaubt, ihr kränkelnder Arbeitgeber sei über den Berg. Zähneknirschend hatten sie einer Lohnkürzung von 40 Prozent und der Schließung dreier Fabriken zugestimmt, um die Existenz ihres Betriebes zu sichern. Doch nun müssen sie erneut zittern, weil sich die Krise weiter verschärft. Wie bei American Axle geht es bei zahllosen Zulieferbetrieben in den USA ums nackte Überleben.
Die schwächelnde US-Konjunktur und hohe Benzinpreise haben die Nachfrage rasant hin zu sparsamen Modellen verschoben - ein Segment, in dem die Detroiter Hersteller traditionell wenig zu bieten haben. Besonders spritschluckende SUV-Geländewagen und Pick-Ups, mit denen Ford, GM und Chrysler jahrzehntelang prächtig Geld verdienten, sind zu Ladenhütern geworden. Die Hersteller versuchen nun verzweifelt, Produktion und Modellpalette umzustellen.
Auf Spritschlucker gesetzt
American Axle hängt zum Beispiel nahezu vollkommen von den aus der Mode gekommenen Spritschluckern ab. 90 Prozent seiner Produkte werden in Geländewagen eingebaut, die jetzt niemand mehr kaufen will. Der Abnehmer von über 70 Prozent seiner schweren Antriebsaggregate, Getriebestränge und Fahrgestelle heißt General Motors. Deshalb sind die Ergebnisse auch dramatisch eingebrochen. Im zweiten Quartal erlitt American Axle einen Verlust von 644 Mio. US-Dollar, der Umsatz fiel um über 50 Prozent auf nur noch 490 Mio. US-Dollar.
"Die Automobilzulieferer müssen umstrukturieren und sich der neuen Lage anpassen", sagt Jim Mallak, der bis vor kurzem den Zulieferer Tower Automotive leitete. "Vor zwei Jahren wurden insgesamt 16 Mio. Autos gebaut, heute sind es 13 Mio. Da sind Entlassungen und Fabrikschließungen unausweichlich." Bereits von 2002 bis 2007 sei der Gewinn der Branche in den USA um zehn Mrd. US-Dollar zurückgegangen, berichtet die Beratungsfirma Alix Partners. Damit kämpfen auch American Axles Konkurrenten Delphi, Lear und Visteon.
Citigroup-Analyst Itay Michaeli betont jedoch, dass unter der Krise nicht alle Zulieferer gleichermaßen leiden. Der US-Konzern Borgwarner könne von der steigenden Nachfrage nach spritsparenden Technologien sogar profitieren, weil er Produkte zur Emissionsbegrenzung und für Hybrid-Fahrzeuge im Angebot hat, glaubt Michaeli. "Die Zulieferer werden eine immer wichtigere Rolle bei der Forschung, dem Design und der Technik von Autos spielen", heißt es auch im jüngsten Automobilreport der Rating-Agentur Moody's.
Die generelle Entwicklung der amerikanische Zuliefer-Branche schätzen die Moody's-Experten jedoch pessimistisch ein. Weil die US-Hersteller ihre Produktion dramatisch drosseln und die Preise senken müssen, werde sich die Lage der Zulieferer im kommenden Jahr eher verschlechtern als verbessern. Außerdem würden Hersteller in Zukunft verstärkt in Wachstumsmärkten wie Osteuropa, China und Indien produzieren, schreiben die Experten. "Von ihren wichtigen Zulieferern erwarten sie, dann ebenfalls umzuziehen." Für Gewerkschaftsführer King und die gebeutelten Arbeiter der Branche könnten die echten Hiobsbotschaften erst noch bevorstehen.
Quelle: ntv.de