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Computerspiele Amoklauf virtuell "geübt"?

Zwischen gewaltverherrlichenden Computerspielen und Gewalttaten von Jugendlichen gibt es nach Ansicht des Hannoveraner Schulpsychologen Berd Jötten einen klar nachweisbaren Zusammenhang. Durch solche Spiele würden die Täter auf ihre Taten systematisch vorbereitet, sagte Jötten in einem Interview in Erfurt.

"Diese Simulationen bauen Gewaltkompetenz auf", sagte Jötten. Hinzu komme ein intensives Schieß-Training. So würden solche Schießsimulationen auch beim Militär eingesetzt, damit Soldaten lernten, in hochgradigen Stress-Situationen zielgerichtet zu handeln und nicht den Überblick zu verlieren. Jötten ist Vorsitzender der Sektion Schulpsychologie im Berufsverband deutsche Psychologinnen und Psychologen.

Polizei stellte Steinhäusers Computer sicher

Aus dem Haus, in dem der Amokläufer von Erfurt, Robert Steinhäuser, lebte, wurde am Samstagmorgen ein Computer abtransportiert. Überlebende Schüler hatten berichtet, der 19-Jährige habe zielgerichtet und in schneller Abfolge auf die Lehrer in einem Erfurter Gymnasium geschossen. Bei dem Amoklauf am Freitag kamen 17 Menschen ums Leben, darunter der Täter.

Jötten sagte, häufig gingen solchen Taten lang andauernde Verletzungen des Selbstwertgefühls voraus: "Dann gibt es einen krisenhaften Auslöser, der ein Handlungsmuster abruft, das vorher ausgeprägt wurde - etwa durch Computerspiele." Steinhäuser war von der Schule verwiesen worden. Jötten sagte, nachdem sich ein Täter zu seiner Tat entschlossen habe, befinde er sich in einem "inneren Programm wie vor seinem Computer". Zwischen Realität und Fiktion werde nicht mehr unterschieden. Schüler berichteten, Steinhäuser habe die Tat ruhig und entschlossen verübt und die Lehrer regelrecht hingerichtet.

Jötten: Verbot von Schieß-Simulationen wären Aktionismus

Jötten sagte, ein Verbot von Schießsimulationen würde "reinen Aktionismus" bedeuten, da diese dann erst recht interessant und im Schwarzhandel weiter gehandelt würden. Um solche Taten zu verhindern sei vielmehr eine gemeinsame erzieherische Anstrengung von Eltern und Lehrern nötig. Dabei müsse auch auf Anzeichen für mögliche Gewalttaten geachtet werden, etwa wenn sich ein Schüler von seiner Umwelt abkapsele. Ein Verbot fordert etwa Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU).

Auch gewaltverherrlichende Filme und Videos würden zur Konditionierung von Gewalttätern beitragen, sagte Jötten. "Eine Rolle spielen aber auch die Ereignisse des 11. September und der Nahost-Konflikt ", fügte er hinzu. So würden die Menschen über Medien ständig mit Bildern von Gewalt konfrontiert.

Von Matthias Sobolewski, Reuters

Quelle: ntv.de

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