n-tv.de-Interview "Den Frust ablassen"
30.04.2002, 14:58 UhrNach der Bluttat in Erfurt geraten wieder einmal gewaltbetonte Computerspiele in die Diskussion. Denn: Der Täter soll sich in seiner Freizeit mit solchen Spielen vergnügt haben. Wenig Freude wird diese Debatte den Herstellern der Spiele bereiten. n-tv.de befragte dazu Hermann Achilles, den Geschäftsführer des Verbands der Unterhaltungssoftware.
n-tv.de: Halten Sie die Debatte über Gewalt-Computerspiele auf Grund des Amoklaufs in Erfurt für gerechtfertigt?
Achilles: Es ist verständlich, dass hier hinterfragt wird, so wie dieses für alle Faktoren gilt. Ungerechtfertigt ist sicherlich jede polemische Vorverurteilung und eine unsachgemäße Darstellung der Computer- und Videospiele insgesamt.
n-tv.de: Hintergrund der Diskussion ist die Annahme, dass Computerspiele, in denen es um Gewaltausübung geht, zur Verrohung führen und die Hemmschwelle in der Realität sinken lassen. Halten Sie diese These für zutreffend?
Achilles: Wie Sie es selbst sagen, ist es eine Annahme, dass die beschriebenen Wirkungen ausgehen. Die Wirkungsforschung jedoch liefert hier unterschiedliche Ergebnisse. Es ist nach den bekannten Untersuchungsergebnissen wohl so, dass die Reaktion-Wirkung abhängig vom Persönlichkeitsbild der jeweiligen Person ist. Insgesamt kann ich hierzu auf die Studien des Kölner Professors Jürgen Fritz verweisen, der dazu umfangreiche Untersuchungen durchgeführt hat.
n-tv.de: Was denken Sie über die Gegenthese, dass Computerspiele im Gegenteil zur Abreaktion beitragen und damit vor Gewaltausübung in der Realität vorbeugen können?
Achilles: Dies halte ich für zutreffend. Die Aussage, "Jetzt muss ich erst eine Runde Doom spielen, dann geht mir wieder besser!", bestätigt diese These. Spiele insgesamt haben in der Regel Gewinner und Verlierer. Die hier entstehenden Konflikte müssen verarbeitet werden. Jeder hat bestimmt schon einmal beim Brettspiel "Mensch ärgere Dich nicht!" verloren. Die dann auftretenden Emotionen sind zum Teil sehr heftig. Wo wird hier der aufgebaute Frust abgelassen.
n-tv.de: In der Diskussion ist vor allem ein ganz spezieller Spieltyp, so genannte Shooter-Spiele wie das von Ihnen erwähnte "Doom", bei denen es in der Regel darum geht, Gegner zu erschießen. Welchen Anteil machen solche Spiele im Bereich der Game-Software aus?
Achilles: Bei diesen Titeln handelt es sich insgesamt um etwa drei Prozent des gesamten Angebotes. Der Anteil dieses Genres am Gesamtabsatz liegt etwa bei fünf bis sechs Prozent.
n-tv.de: Was macht Ihrer Ansicht nach den Reiz solcher Spiele aus?
Achilles: Diese Spiele reizen die Technik und Geschwindigkeit eines Computers in höchster Weise aus. Sie erfordern vom Spieler ein hohes Maß an Geschicklichkeit, Geschwindigkeit und Konzentration. Das "Spiel" der menschlichen Reaktion, der des Spielers, mit der Leistungsfähigkeit des Gegners, der des Computers, ist eine besondere Herausforderung.
n-tv.de: Wie steht Ihr Verband solchen Spielen und deren Herstellern gegenüber?
Achilles: Mitglieder des Verbandes lassen seit über acht Jahren ihre Produkte freiwillig durch die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, kurz USK, vor der Veröffentlichung auf jugendgefährdende Inhalte prüfen. Sie haben sich freiwillig verpflichtet, eine von der USK ausgesprochene Altersempfehlung klar sichtbar auf dem Produkt anzubringen, und kommen dieser Verpflichtung nach. Das hat dazu geführt, dass nahezu 99,99 Prozent des Angebotes diesbezüglich mit entsprechenden Kennzeichen versehen sind.
n-tv.de: Wenngleich viele dieser Spiele indiziert sind, sind sie im Internet leicht zugänglich. Zugleich werden Shooter-Spiele aber auch ganz legal gehandelt - ein Spiel wie "Duke Nukem" etwa gibt es sogar für die Playstation. Sollte die Verfügbarkeit solcher Spiele stärker eingeschränkt werden?
Achilles: Ein indiziertes Spiel oder auch anderes indiziertes Medienprodukt hat weiterhin seine berechtigte Präsenz im Angebot. Wenn diese auch eingeschränkt ist durch ein Werbe-, Präsentations- und Abgabeverbot an Jugendliche, so ist es für Erwachsene zugänglich. Eine Indizierung ist nicht gleichzusetzen mit einem Verstoß gegenüber dem Strafrecht.
(Die Fragen stellte Volker Probst.)
Quelle: ntv.de