Inside Wall Street Die armen Reichen
16.03.2011, 17:33 UhrIn den USA wächst die Kluft zwischen Arm und Reich. Während die Mittelschicht schwächer wird, verteilt sich immer mehr Vermögen auf immer weniger Großverdiener - ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht.
Ein zunehmendes Problem für die amerikanische Wirtschaft und Gesellschaft ist die Kluft zwischen Arm und Reich. Während die Mittelschicht schwächer wird, verteilt sich immer mehr Vermögen auf immer weniger Großverdiener. Ganz und gar unglaublich ist unterdessen, dass die Reichen damit noch lange nicht zufrieden sind. Laut einer aktuellen Studie fühlen sie sich längst nicht reich genug.
Das Investmenthaus Fidelity hat 1000 Millionäre zu ihrer Einstellung gegenüber Geld und Vermögen befragt. Als "Millionär" galt dabei nur, wer mindestens eine Million Dollar an liquiden Mitteln hat – Grundstücke und Häuser zählen nicht dazu.
Das überraschende Ergebnis der Studie: Ganze 40 Prozent der Millionäre, die im Schnitt auf ein Vermögen von 3,5 Mio. Dollar kamen, fühlen sich "nicht reich" und definieren "reich" erst ab einem liquiden Vermögen von mindestens 7,5 Mio. Dollar.
Das ist ein Schlag ins Gesicht der absoluten Mehrheit im Lande, deren Anteil am Gesamtvermögen in den USA in den letzten Jahren drastisch gefallen ist. Aktuell besitzen die reichsten 5 Prozent der Amerikaner 55 Prozent aller Vermögenswerte. Die reichsten 20 Prozent kommen gemeinsam auf 85 Prozent der Werte – damit müssen sich die unteren 80 Prozent mit mageren 15 Prozent bescheiden.
Wirklich problematisch ist, dass die ungerechte Verteilung von Vermögenswerten zunehmend die Politik in den USA beeinflusst. Vieles spricht dafür, dass führende Volksvertreter – darunter sind zahlreiche Multi-Millionäre – längst den Bezug zur wirtschaftlichen Realität ihrer Wähler verloren haben. Bestes Beispiel ist John McCain. Der wurde während einer Fernsehdebatte im Präsidentschaftswahlkampf 2007 gefragt, wie er "reich" definiere. Die überraschende Antwort: "Wenn man nur das Einkommen rechnet, würde ich sagen: 5 Millionen." Das Publikum reagierte mit schallendem Gelächter, dabei hätte man angesichts eines derart verschobenen Weltbilds eigentlich entsetzt aufstöhnen müssen.
Laut der McCain'schen Definition währen nur 0,1 Prozent der Amerikaner wohlhabend. Er selbst wohlgemerkt nicht, denn der republikanische Spitzenpolitiker war im Vorjahr auf Einnahmen von mehr als 6 Mio. Dollar gekommen. Der Großteil seines Vermögens liegt indes bei Ehefrau Cindy McCain, der Erbin eines millionenschweren Bier-Imperiums.
Langfristig problematisch ist der zunehmende Realitätsverlust der amerikanischen Reichen und Super-Reichen, weil er sich in wichtigen Entscheidungen in Washington, etwa in der Steuerpolitik, niederschlägt. So wehrten sich etwa die Republikaner vor drei Monaten massiv dagegen, die Steuersenkungen für Amerikaner mit einem Einkommen von mehr als 250.000 Dollar auslaufen zu lassen. Deren Abgaben niedrig zu halten kostet die USA rund 700 Mrd. Dollar und macht es nahezu unmöglich, das gewaltige Defizit abzubauen.
Man versucht das dennoch, allerdings zunehmend auf dem Rücken der Mittel- und Unterschicht. Die wichtigste und meist verfolgte Schlacht im Kampf gegen das Defizit wird zur Zeit etwa in Wisconsin geschlagen, wo der neu gewählte republikanische Gouverneur mit unerhört drastischen Mitteln bei Lehrern und anderen Beamten kürzen will. Gleichzeitig hat auch er der reichen Oberschicht eine Steuersenkung bewilligt. Die Verschiebung des amerikanischen Vermögens von unten nach oben geht damit weiter.
Quelle: ntv.de