Boommärkte ziehen Zinsschrauben an Industriestaaten lassen locker
17.03.2010, 12:33 Uhr
Ein Investor in Shanghai. Für China gelten eigene Regeln im Finanzpoker.
(Foto: AP)
Wer zieht die nächste Karte? Die Welt spielt Zinspoker und derzeit scheint das niedrigste Blatt zu gewinnen. USA, EZB und Japan setzen die lockere Geldpolitik fort, China gibt sich moderat, scheint aber mit der Taktik der anderen Emerging Markets zu liebäugeln. Dort schießen die Zinsen bereits nach oben. Ist das gut oder schlecht?
Das Aufatmen der Märkte war geradezu hörbar: Die US-Notenbank bleibt trotz besserer Konjunkturaussichten der Politik des billigen Geldes vorerst treu. Der Leitzins werde noch "eine längere Zeit" außerordentlich niedrig bleiben", versprach die Federal Reserve Bank nach der Sitzung ihres Offenmarktausschusses. Praktisch bedeutet das: Für Banken gibt es weiterhin quasi zum Nulltarif frisches Geld, denn das Zinsband der Fed liegt derzeit 0 bis 0,25 Prozent. In Japan wurde der extrem niedrige Zinssatz ebenfalls beibehalten, zusätzlich packte die Bank of Japan noch weitere 19 Billionen Yen für den Finanzmarkt drauf und beugte sich damit dem Druck der japanischen Regierung, die der Deflation den Kampf angesagt hat.
An den Märkten wurden die Zinsentscheidungen mit kräftigen Aufschlägen begrüßt, nicht nur in Tokio ging es aufwärts, auch der Dax konnte die Hürde von 6.000 Punkten überwinden. "Die Anleger haben gehofft, dass ihnen das billige Geld noch eine Weile erhalten bleibt", sagten Börsianer. Angesichts der Finanzkrise hatten die Zentralbanken weltweit in mehreren, teils abgesprochenen Schritten drastisch ihre Leitzinsen gesenkt. So schraubte die Europäische Zentralbank ihren Zinssatz von 4,25 Prozent herunter auf den historischen Tiefstand von 1,0 Prozent – wo er immer noch liegt.
Alle Zinsen sind niedrig? Nicht ganz
Zieht man den Blickwinkel jedoch etwas größer, sieht man, dass mitnichten überall auf der Welt die Zinsen in einem Tal verharren. In Brasilien liegt der Zins zwar aktuell noch auf dem Rekordtief von 8,75 Prozent, aber selbst wenn sich die Notenbank heute gegen eine Erhöhung entscheidet, sehen Investoren die Leitzinsen bis zum Jahresende bei satten 11,50 Punkten. Das wäre eine Erhöhung von 256 Basispunkten. Für Indien wird ein Anstieg von 119 Punkten auf 4,66 Prozent erwartet. Australien, das sich während der Weltfinanzkrise wacker geschlagen hatte, hat die Zinszügel bereits ordentlich straff gezogen, zuletzt um einen viertel Prozentpunkt auf vier Prozent. Das war bereits der vierte Zinsschritt binnen eines knappen halben Jahres.
Nun wächst bei den Anlegern die Sorge, dass die Zinsschraube sich noch schneller nach oben drehen könnte, wenn die hohen Wachstumsraten die Inflation in den Schwellenländern weiter antreibt. Denn hohe Zinsen machen den Gang auf das Parkett unattraktiv. Und ein langsameres Wachstum der Schwellenländer würde die Weltwirtschaft mit ausbremsen – eigentlich sollten ja die Boomländer alle mit aus der Krise ziehen. Eine straffere Geldpolitik würde umgekehrt aber die Währungen der Schwellenländer kräftigen – das wäre wiederum auch für die Industrieländer eine gute Nachricht, weil es den Export ankurbeln würde.
Und China? Hier wird wohl auch weiterhin ein eigenes Süppchen gekocht. Bislang will das Reich der Mitte dem Druck aus den USA, die eigene Währung gegenüber den Dollar aufzuwerten, nicht nachgeben. Die chinesische Haltung sei klar und unverändert: Der stabile Yuan trage zur Binnenwirtschaft und zum internationalen Wirtschaftswachstum bei, heißt es aus Peking. Und zumindest bei ersteren müssen sich die Anleger trotz der Kapitalmarktmaßnahmen, mit denen China seine Banken ausbremsen möchte, keine Sorgen machen: Die Weltbank hat nun die Prognose für das Wirtschaftswachstum in China auf 9,5 Prozent erhöht.
Quelle: ntv.de