Ungeschliffen und eingängig Small Faces, but great music!
24.06.2012, 09:44 Uhr
Die Small Faces gehören zu den wichtigsten Bands der in den 60ern in Britannien explodierenden Beatszene. Zwei Neuauflagen dokumentieren die Anfänge einer Band, die zu ihren Hoch-Zeiten nach Beatles und Stones zu den beliebtesten Gruppen im Vereinigten Königreich gehörten.
Sänger und Gitarrist Steve Marriott , Bassist Ronnie Lane , Drummer Kenney Jones und Keyboarder Jimmy Winston waren erst elf Wochen zusammen, als sie 1965 zum ersten Mal bei der - zunächst zu den Beatgruppen - gar nicht so guten, wenngleich damals schon recht alten, BBC auftraten. Die Jungs aus East London gehörten nach Beatles, Searchers, Rolling Stones und Dave Clark Five zur zweiten Staffel der in den USA "British Invasion" genannten Musikrevolution, die den Nordamerikanern den Rock and Roll zurückbrachten. Wie The Who und The Creation versuchten die Small Faces damals, das Lebensgefühl einer sich Mods nennenden Truppe zu artikulieren. Das Wort war von "modernist" abgeleitet. Die Mods entstammten der Arbeiterklasse und der unteren Mittelschicht; sie versuchten, durch ihre Kleidung (Parkas) und - wer sich's leisten konnte - fahrbaren Untersätze (Vespas, Lambrettas) einen sozialen Aufstieg zu manifestieren, den sie im wirklichen Leben nur allzu selten erreichen sollten.
Die nunmehrigen Neuauflagen ihrer ersten bei Decca 1966 respektive 1967 erschienenen Long Player dokumentieren einen ungeschliffenen, gleichwohl eingängigen Rhythm and Blues. Der Opener von "Small Faces" ist ihre erste Single "Whatcha Gonna Do About It" aus 1965 und orientiert sich an der Akkordfolge von Klassiker Solomon Burkes "Everybody Needs Somebody To Love". Nebenbei: Die Stones schafften es nur, den Titel nachzuspielen. Einfach gemacht hat es sich die Band nie: Zwar haben sie auch Tracks gecovert, wie Del Shannons "Runaway", der erste Titel auf "From The Beginning". Aber zwischen der souligen Adaption der Londoner und der in Falsett gesungenen Originalversion des Mannes aus Grand Rapids im US-Bundesstaat Mississippi liegen Welten.
1966 sollte den Small Faces den Durchbruch bringen. Es gelang ihnen der Sprung auf Platz 3 der beliebtesten Bands, gleich nach den Beatles und den Rolling Stones. "Sha-La-La-La-Lee" landete daheim auf dem dritten Rang, "Hey, Girl" auf Platz 10. "All Or Nothing" schließlich bescherte ihnen die langersehnte und wohlverdiente Nummer 1. Die darauf folgende 45er-Scheibe "My Mind's Eye" war eigentlich nur eine Demoaufnahme, wurde ohne Wissen der Band veröffentlicht und schaffte es immerhin auf Platz 4. "My Mind's Eye" ist der für die Small Faces wohl untypischste Song: Die Band nimmt hier unverhohlen eine Anleihe bei der Hymne "Gloria in excelsis Deo", zu Deutsch "Ehre sei Gott in der Höhe", auf. Steve Marriotts sonst raue Stimme klingt hier engelsgleich und macht den Track zu einem der schönsten der Band.
Beide Editionen ermöglichen den (Wieder-)Zugang zu den bekannten Songs der Gruppe, enthalten auf der jeweils zweiten aber eine Unmenge von Alternativaufnahme und anderen, bislang unveröffentlichten Stücken. Nach "My Mind's Eye" wechselten die Small Faces zum Immediate-Label des zeitweiligen Stones-Produzenten Andrew Loog Goldham und schrieb dort mit Songs wie "Lazy Sunday" und "Itchycoo Park" ein weiteres Kapitel Popgeschichte. Marriott starb 1991 bei einem Feuer, das durch seine brennende Zigarette ausgelöst worden war, Lane erlag sechs Jahre später einer Multiplen Sklerose. In East London wurde eine Straße nach Lane benannt. Obzwar die Small Faces nur vier Jahre zusammenspielten, hinterließen sie ein reichhaltiges musikalisches Legat. Die beiden vorliegenden Ausgaben sind unauslöschlicher Bestandteil dieses Erbes.
Small Faces: "Small Faces", 2CD, Decca/Universal bei Amazon bestellen
Small Faces: "From The Beginning", 2CD, Decca/Universal bei Amazon bestellen
Quelle: ntv.de