Dement und gewalttätig Andrea Sawatzki wollte ihren Vater töten
20.10.2025, 12:16 Uhr Artikel anhören
Musste als Kind ihren Vater pflegen: Andrea Sawatzki.
(Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa)
"Wenn das Hass war, was ich empfand, dann habe ich meinen Vater unermesslich gehasst", erzählt Andrea Sawatzki. Die Schauspielerin spricht über ihre traumatische Kindheit mit einem gewalttätigen, demenzkranken Vater. Mit nur zwölf Jahren hegt sie bereits extreme Gedanken.
Andrea Sawatzki hat offen über ihre schwere Kindheit gesprochen. Sie habe damals ihren Vater pflegen müssen, der ihr gegenüber gewalttätig geworden sei, erklärt die Schauspielerin. Mit nur zwölf Jahren hätte sie ihn am liebsten umgebracht, so ihre drastische Schilderung im Gespräch mit "Die Zeit".
Sawatzkis Vater litt an einer Form von Demenz. Mit dem Fortschreiten der Krankheit sei er immer gewalttätiger geworden, sagt die Schauspielerin. Die heute 62-Jährige berichtet, wie sie nach einem Streit vor ihm fliehen wollte. Dabei sei sie gestürzt und von ihrem Vater gepackt worden. "Er hat mich festgehalten und mir immer wieder ins Gesicht geschlagen. Mit seinem Ehering hat er mir die Augenbraue aufgeschlagen. Es hat furchtbar geblutet."
Als sie ihren Vater in diesen Jahren pflegen musste, seien "irgendwann nur noch Angst und Widerwille gewesen. Und auch Hass." Als ihr Vater 1978 starb, habe sie ein Glücksgefühl verspürt. "Wenn das Hass war, was ich empfand, dann habe ich meinen Vater unermesslich gehasst", erzählt sie. "Ohne die Krankheit hätte ich ihn sicher genauso sehr lieben können."
"Ein zwölfjähriges Kind will seinen Vater umbringen"
Lange habe sie Angst davor gehabt, selbst Mutter zu werden. "Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht lieben kann", erzählt sie. "Dass ich keine Geduld habe. Es war wohl auch die Angst, wieder eingeschlossen zu werden in so eine Wohnung." Sie habe angenommen, "nicht der richtige Mensch für eine Familie" zu sein. "Ich wollte meine ungeborenen Kinder vor einer Mutter wie mir bewahren."
Doch Sawatzki, die während ihrer langen Karriere unter anderem auch die "Tatort"-Kommissarin Charlotte Sänger verkörpert hat, fand später großen Halt bei ihrer eigenen Familie. Seit 2011 ist sie mit ihrem Schauspielkollegen Christian Berkel verheiratet, die beiden haben zwei gemeinsame Söhne, die mittlerweile längst erwachsen sind. Sie sei dann aber in die Mutterrolle hineingewachsen, erzählt die Schauspielerin. "Ich habe das Kind in mir gefunden und bin eine sehr liebende Mutter geworden. Und eine wahnsinnig glückliche Mutter."
Das schreibt sie ihren beiden Söhnen zu: "Ohne meine Kinder wäre ich nicht imstande gewesen, mich in meine Kindheit zurückzuversetzen und die Geister der Vergangenheit hervorzuholen. Ohne meine Familie hätte ich dieses Leben nicht überlebt. Ich hätte mir niemals verziehen", sagt sie. Zuvor habe sie große Schuldgefühle gehabt: "Ein zwölfjähriges Kind will seinen Vater umbringen. Aber es ist mir gelungen, die kleine Andrea in den Arm zu nehmen. Und ihr zu sagen: Du bist nicht so schlimm, wie du denkst."
Ihre Mutter hatte Nachtdienst
2023 hatte Sawatzki bereits der "Bild"-Zeitung erzählt, dass ihre Mutter als Krankenschwester im Nachtdienst arbeitete und danach ihren kranken Mann pflegte. "Ich habe übernommen, wenn ich aus der Schule kam, damit sie noch etwas schlafen konnte und dann die Nacht hindurch auf meinen Vater aufgepasst", erinnerte sich Sawatzki. Darunter litten auch die schulischen Leistungen, oftmals sei sie "gar nicht hingegangen, weil ich einfach zu müde war".
Schon mit 17 Jahren zog sie nach München und arbeitete als Kellnerin: "Es war auch ein gutes Gefühl, endlich mal eigenes Geld in der Tasche zu haben, weil wir zu Hause chronisch pleite waren." Später kam sie doch noch zum Schauspiel, auch wenn sie erst "tatsächlich darüber nachgedacht" hatte, "mein Leben so weiter zu verbringen". Die Schauspielerei wurde offenbar zu einer Art Flucht: "Anfangs dachte ich, ich könnte meinem eigenen Leben entfliehen und mich hinter meinen Figuren verstecken. Aber so mit 30 habe ich gemerkt, dass man sich auch in der Schauspielerei immer mitnimmt und keine Rolle spielen kann, ohne sein eigenes Leben einzubringen."
Quelle: ntv.de, lpe/spot