Raue Töne vor Gericht Anwalt nimmt Prinz Harry in die Mangel
07.06.2023, 16:29 Uhr Artikel anhören
Bekommt vor Gericht keinen Promi-Bonus: Prinz Harry.
(Foto: dpa)
Weil er glaubt, von Journalisten illegal ausspioniert worden zu sein, sagt Prinz Harry derzeit in London vor Gericht aus. Dabei wird er nicht mit Samthandschuhen angefasst. An seinem zweiten Tag im Zeugenstand geht ihn der Anwalt der verklagten Verlagsgruppe barsch an.
Das historische Kreuzverhör von Prinz Harry im Bespitzelungsprozess gegen den "Mirror"-Verlag (MGN) in London ist mit einer teils konfrontativen Befragung zu Ende gegangen. Am zweiten Tag der Zeugenaussage des 38-Jährigen nahm der Ton deutlich an Schärfe zu, als sich Harry erneut den Fragen von MGN-Anwalt Andrew Green stellte. Abschließend befragte ihn auch sein eigener Anwalt David Sherborne kurz. Es war das erste Kreuzverhör eines Royals seit mehr als 130 Jahren.
Green stellte neben der Beweisführung des Prinzen bei dessen Klage wegen angeblich illegaler Informationsbeschaffung auch die Motivation des 38-Jährigen infrage. "Wenn das Gericht feststellen würde, dass Ihr Handy niemals von einem MGN-Journalisten gehackt wurde, wären Sie dann erleichtert oder enttäuscht?", fragte Green. Als Harry andeutete, er würde einen solchen Ausgang des Verfahrens als ungerecht empfinden, veranlasste das Green zu der Feststellung: "Also wollen Sie, dass Ihr Handy gehackt wurde!" Der Sohn von König Charles III. entgegnete wiederum, niemand wolle, dass sein Handy gehackt werde.
Bereits am Dienstag hatte der Royal knapp fünf Stunden lang Rede und Antwort gestanden. Tags darauf wirkte er strapaziert, mit rotem Kopf und teils frustriert anmutender Mimik. Der Prozess, der als Sammelklage auf Schadenersatz stellvertretend von Harry und drei anderen Prominenten geführt wird, soll bis Ende Juni dauern. Ein Urteil wird erst später im Jahr erwartet.
Pikante Details
Anhand von 33 Artikeln der MGN-Blätter "Daily Mirror", "Sunday Mirror" und "People" aus den Jahren 1996 bis 2009 will Prinz Harry zeigen, dass illegal beschaffte Informationen bei der Berichterstattung über ihn verwendet wurden, beispielsweise durch das Abhören von Mailbox-Nachrichten seines Handys. Die mutmaßliche Bespitzelung habe ihm schweres seelisches Leid zugefügt, Freundschaften und Beziehungen belastet, klagt Harry.
Anders als von einigen Beobachtern vorab befürchtet, wurde die Befragung nicht zu einem Desaster für den Prinzen. Zwar stellte Green auch Fragen zu pikanten Inhalten, beispielsweise zum Besuch eines Strip-Clubs oder zum Ende seiner Beziehung mit Ex-Freundin Chelsy Davy. Doch zur Offenlegung weiterer kompromittierender Details war Harry kaum gezwungen. Trotzdem sagte er am Ende, es habe ihm viel abverlangt, in den Zeugenstand zu treten.
Dass bei den Blättern des "Mirror"-Verlags illegale Informationsbeschaffung gang und gäbe war, ist unumstritten. Ob Harry das im Einzelfall belegen kann, blieb allerdings zunächst offen.
Bewertung fällt unterschiedlich aus
Wie aus der am Dienstag veröffentlichten schriftlichen Zeugenaussage hervorgeht, will Harry grundsätzlich mehr als nur seine eigene leidvolle Erfahrung mit der Boulevardpresse aufarbeiten. "Unser Land wird weltweit am Zustand unserer Presse und unserer Regierung beurteilt - die beide, wie ich finde, auf einem Tiefpunkt angelangt sind", schrieb er darin. Die Presse werde ihrem Auftrag nicht mehr gerecht, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, und gehe stattdessen mit dieser "ins Bett", damit alles so bleibe, wie es ist.
Konservative Medien kommentierten, der Königssohn habe sich in Widersprüche verwickelt. Liberale Analysten betonten hingegen, der Fünfte der britischen Thronfolge habe mit seiner Kritik an einer unheilvollen Allianz von Regierung, Boulevardpresse und Königshaus zu Recht schwere Missstände angesprochen.
Talkshow-Veteran Andrew Marr fasste es so zusammen: "Wow, das ist Harry der Kämpfer, der sich mit radikal klingender, klarer Kante für das Anliegen der Reform einsetzt. Ich frage mich, wo das enden wird." Für die Co-Herausgeberin und Royal-Korrespondentin der konservativen Zeitung "Daily Telegraph", Camilla Tominey, ist Harry hingegen ein Mann, der "an seiner Berühmtheit gescheitert ist" und dafür nun andere verantwortlich macht.
Quelle: ntv.de, vpr/dpa