Deutsch-deutscher Star wird 95Armin Mueller-Stahl arbeitet noch immer - nur anders

Er wird in der DDR zum Star, setzt seine Karriere nach seiner Ausreise in West-Deutschland fort und erobert schließlich sogar Hollywood: Armin Mueller-Stahl. Wenn er nun 95 wird, steht er zwar nicht mehr vor der Kamera, aktiv ist er aber noch immer.
Wer sich fragt, was der deutsche Jahrhundertschauspieler Armin Mueller-Stahl inzwischen macht, erhält eine klare Antwort: Er arbeitet, jeden Tag - nur nicht mehr in dem Metier, das ihn bei einem Millionenpublikum beliebt machte. "Ich gehe um neun Uhr runter in den Keller, dort wo ich male", beschrieb Mueller-Stahl, der an diesem Mittwoch 95 Jahre alt wird, kürzlich im Norddeutschen Rundfunk (NDR) sein alltägliches Tun.
Konzertgeiger, Schriftsteller, seit langem vor allem Maler - Mueller-Stahl ist ein Universalgenie der deutschen Kultur. Gerade sind in der Kunsthalle Emden einige Dutzend seiner weit mehr als 1000 Gemälde zu sehen. Darunter ist auch das Bild "Donald T.", das er zur ersten Präsidentschaft von Donald Trump in den USA 2018 malte. Es ist ein abstraktes Bild mit böser Botschaft: "Dieser Mann stammt aus der Nullserie der Menschheit - er ist so kaputt, dass es sich nicht lohnt, ihn zu reparieren", schrieb Mueller-Stahl darauf.
Der gefeierte Schauspieler denkt hochpolitisch, seine Gedanken entspringen einer Biografie, in der sehr viel deutsch-deutsche Geschichte steckt. Mueller-Stahl kam am 17. Dezember 1930 in Tilsit in Ostpreußen zur Welt. Sein Vater Alfred war Bankkaufmann, die Mutter Editha Ärztin. Beide hatten auch künstlerisches Talent und gaben dies an ihre fünf Kinder weiter.
Konflikt mit Manfred Krug
Das größte Talent zeigte Armin. Konzertgeiger hätte er werden sollen, aber er wechselte dann doch zum Schauspiel. Wegen angeblich "mangelnder Begabung" flog er allerdings nach einem Jahr in Ostberlin von der Schauspielschule, zusammen mit Manfred Krug.
Mueller-Stahl und Krug setzten sich mit ihrem Talent dennoch durch und wurden in der DDR zu Stars. Für beide endete die Karriere im Osten Deutschlands 1976 mit der Unterzeichnung eines offenen Briefs gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann. Allerdings endete nach dem gemeinsamen Widerstand auch die Freundschaft.
"Er hatte gedacht, wir würden die DDR gemeinsam verlassen - mit einem großen Paukenschlag", schilderte Mueller-Stahl in der Wochenzeitung "Die Zeit" den Konflikt mit Krug. Er selbst habe das aber nie vorgehabt. Krug ging 1976 und nannte Mueller-Stahl zögerlich. 1980, nachdem er mehrere Jahre lang in der DDR keine Aufträge bekommen hatte, reiste auch Mueller-Stahl aus.
Sprung über den Großen Teich
In Westdeutschland konnte er nahtlos an die alten Erfolge anknüpfen. Rainer Werner Fassbinder gab ihm eine Rolle in seinem Erfolgsfilm "Lola". Sperrig kam Mueller-Stahl manchen damals vor, auch unvernünftig in seinem Stolz. So lehnte er die gut bezahlte Hauptrolle für den Straßenfeger "Die Schwarzwaldklinik" ab, weil er nicht als Serienfigur festgelegt werden wollte.
Im Nachhinein sollte Mueller-Stahl mit solchen Entscheidungen Recht behalten, konnte er seine Karriere doch bis nach Hollywood ausdehnen. Er spielte in den oscarnominierten Filmen "Bittere Ernte" und "Oberst Redl" mit sowie 1991 in Jim Jarmuschs Kultfilm "Night on Earth" einen Taxifahrer in New York, der kein Englisch spricht. 1996 wurde Mueller-Stahl für seine Rolle als Vater in "Shine" für den Oscar als bester Nebendarsteller nominiert. Film- und Fernsehpreise gewann er sowohl national wie auch international.
Seine Verkörperung des Schriftstellers Thomas Mann gehört zu seinen herausragenden Rollen, wie der mit seiner zweiten Frau Gabriele Scholz zusammenlebende Mueller-Stahl selbst findet. "Es gibt so Momente, wo Sie das Gefühl haben, Sie sind besser als die Kamera, Sie sind besser als der Regisseur, besser als der Partner - Sie fliegen", sagte er vor wenigen Wochen im NDR. Diese "Flugmomente" habe er einige Male in seinem Schauspielleben erleben dürfen.
Teilen kann Mueller-Stahl die Freude über diese Momente allerdings kaum noch, über seine vielen Lebensjahre sind seine Freunde gestorben. Dies sei "mit einer gewissen Traurigkeit" behaftet. Seinen 95. Geburtstag werde er deshalb nur mit seiner Frau feiern. Seinem eigenen Ende sieht Mueller-Stahl gelassen entgegen: "Ich habe keine Angst vor dem Abpfiff, der mich irgendwann erreichen wird."