Unterhaltung

Jack Nicholson wird 80 Der Geist, der stets verneint

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Teuflisches Lachen: Jack Nicholson in "Shining", in dem er dem Wahnsinn ein Gesicht gab.

(Foto: imago/United Archives)

Dieses Lachen ist unverkennbar: Jack Nicholson hat es zu seinem Markenzeichen gemacht. Genau wie seine rebellische Haltung. Damit gelangen ihm geniale Momente, wurde er zur Hollywood-Institution - und zum skandalumwitterten Sexsymbol.

Wilbur Force beim Zahnarzt: Mit perfidem Lachen blättert er in der Zeitschrift "Schmerz". Mit noch größerer Freude lässt er sich vom Zahnarzt mit dem Bohrer malträtieren. "Ziehen Sie gar keine Zähne?", fragt er schließlich enttäuscht. "Naja, es ist ja Ihr Mund", antwortet der Arzt - und nimmt die Zange. Unter lustvollen Schreien lässt sich Force mehrere Zähne ziehen, bedankt sich freudestrahlend beim Arzt und geht.

Jener Wilbur Force wird von Jack Nicholson gespielt. In der Horrorkomödie "The Little Shop of Horrors" von 1960 hat der damals knapp 23-Jährige zwar nur einen Kurzauftritt. Trotzdem wurde die Szene berühmt. Nicht nur, weil der Film über eine menschenfleischfressende Pflanze zum Kult wurde, sondern auch, weil jener Wilbur Force wie eine Blaupause für Nicholsons spätere Rollen wirkt.

Nicholsons masochistischer Patient, der sich an Schmerzen ergötzt, widerspricht allen bürgerlichen Konventionen. Ja, mehr noch: Er zelebriert dieses Außenseitertum auch noch lustvoll. Es ist ein Rebellentum, das Nicholson auch in vielen späteren Rollen personifiziert: als versoffener Anwalt oder zwielichtiger Privatdetektiv, als aufsässiger Insasse einer Psychiatrie, vom Wahnsinn befallener Autor oder Batman-Bösewicht, ja selbst als leibhaftiger Teufel.

Der 1937 in New York geborene Nicholson gehört der Generation an, die in den 60er-Jahren gegen Institutionen und Traditionen aufbegehrte, die das persönliche Umfeld bis hin zu den eigenen Eltern in Frage stellte - und die Gesellschaft kräftig durchrüttelte. Auch in Hollywood war dieses Beben zu spüren, wo Nicholson schon als Teenager in der Trickfilmabteilung von MGM Botengänge erledigte. Schon früh wollte er - begeistert von Marlon Brandos "Der Wilde" - ins Filmgeschäft, fasste dort ab Mitte der 50er über kleine Fernsehrollen aber nur langsam Fuß.

Terror und Trip

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"Easy Rider" wurde für Nicholson (l.) zum Durchbruch.

(Foto: imago/ZUMA Press)

1958 traf er B-Film-Ikone Roger Corman, der ihn wie viele andere spätere Hollywoodgrößen unter seine Fittiche nahm. Für ihn spielte er in Horrorstreifen wie "The Little Shop of Horrors" und "The Terror", schrieb das Drehbuch des Drogenfilms "The Trip" mit Peter Fonda und Dennis Hopper - und experimentierte selbst mit LSD.

An der Seite von Fonda und Hopper gelang Nicholson schließlich Ende der 60er-Jahre der Durchbruch. "Easy Rider" war als Aufguss damals beliebter Motorradfilme geplant, entwickelte sich mit ungewöhnlicher Filmsprache und Kritik an gesellschaftlichen Missständen aber zum Klassiker des New Hollywood, einer Filmbewegung, die das alte Studiosystem hinwegfegte und sich ein paar Jahre lang austobte. Nur wegen der Absage eines anderen Darstellers sprang Nicholson als alkoholkranker Anwalt George Hanson ein, doch seine Leistung wurde von Kritikern herausgehoben und für einen Oscar nominiert.

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"Einer flog über das Kuckucksnest" wurde zum großen Erfolg - und zählt für Nicholson zu seinen besten Auftritten.

(Foto: imago/AD)

Nach vielen erfolglosen Jahren als Nebendarsteller, Autor und Produzent begann Nicholsons vielleicht wichtigste Schaffensphase: Mit Filmen wie "Five Easy Pieces", "Das letzte Kommando", "Chinatown" und dem Oscar-Abräumer "Einer flog über das Kuckucksnest" wurde er zu einem der wichtigsten Charakterdarsteller seiner Generation und formte sein Image als unangepasster Anti-Held - während er Hochglanz-Rollen in "Der Pate" und "Der Clou" ablehnte.

Sein schütteres Jahr, sein unrasiertes Gesicht, aber auch sein auffälliges Haifischlachen ließen ihn nicht gerade auf eine Karriere als Filmheld hoffen. Doch im "neuen" Hollywood galten andere Maßstäbe. Gerade jenes Lachen, das sich blitzschnell in ein teuflisches Grinsen verwandeln kann, wurde zu seinem Markenzeichen, genau wie seine markanten Augenbrauen und die schleppende Sprache. Nicholson war wie geschaffen, um gegen Konventionen zu verstoßen.

Leben am "Bad Boy Drive"

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"Ein Stück Pop-Art": Nicholson als Batman-Bösewicht Joker.

(Foto: imago/AD)

Das galt auch für sein Privatleben. Erst 1974 erfuhr Nicholson etwa, dass die inzwischen verstorbene Frau, die er immer für seine Schwester gehalten hatte, eigentlich seine Mutter war. Sie hatte ihn mit 17 Jahren bekommen, weshalb er von den Großeltern aufgezogen wurde. Die Vaterschaft ist bis heute nicht eindeutig geklärt - und Nicholson forschte auch nicht weiter danach.

Legendär wurde auch sein Haus am "Mulholland Drive", der wegen der illustren Bewohner - nebenan wohnte Brando, in der Nähe Warren Beatty - auch "Bad Boy Drive" genannt wurde. Nicholson selbst galt neben Beatty als größter Schürzenjäger im Filmgeschäft. Nur einmal war er verheiratet, in den 60ern, insgesamt hat er fünf Kinder von vier Frauen. In seinem Junggesellenhaus wurden wilde Partys voller Alkohol, Drogen und Sex gefeiert. Hier wurde 1977 aber auch Roman Polanski festgenommen, nachdem er eine Minderjährige sexuell missbraucht hatte.

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Seinen dritten Oscar bekam Nicholson für "Besser geht's nicht", in dem er sein Image auf die Spitze trieb.

(Foto: imago/United Archives)

Nicholson, der zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause war, schadete das wenig. Er galt inzwischen nicht nur als brillanter Charakterdarsteller, sondern auch als Sexsymbol. In den 80er-Jahren zeigte er das auf der Leinwand: "Wenn der Postmann zweimal klingelt" wurde wegen angeblich echtem Sex vor der Kamera zum Skandal, in "Die Hexen von Eastwick" beglückt er als teuflischer Daryl Van Horn die Frauenwelt. Er nehme Viagra erst ab zwei Frauen, soll Nicholson einmal gesagt haben. Vor zwei Jahren allerdings klang das dann ganz anders: Nicholson sagte, er sei Single und einsam und werde wohl allein sterben. Warum? Weil Frauen in ihm immer nur den Schürzenjäger sehen würden.

Zum Auf und Ab wurde aber auch seine Filmkarriere. Nach den großen Erfolgen zu Beginn der 70er erlebte er etliche Flops, etwa "Duell am Missouri" an der Seite von Brando. Auch als Regisseur blieb der Erfolg bescheiden, sowohl mit der Westernkomödie "Der Galgenstrick" als auch mit dem "Chinatown"-Nachfolger "The Two Jakes". Doch zwischen den Misserfolgen gelangen ihm immer wieder geniale Auftritte, wie seine Oscar-Rolle in "Zeit der Zärtlichkeit" oder Kubricks "Shining", der seinem Image eine irre Note hinzufügte. Diese kostete er auch in "Batman" aus. Seine überdrehte Joker-Darstellung bezeichnete er später als "ein Stück Pop-Art".

Eine Institution

Sein Außenseitertum pflegte Nicholson auch noch in den 90ern, die ihm ein spätes Karrierehoch bescherten. Nach einem gefeierten Auftritt in "Eine Frage der Ehre" und dem großartigen "Mars Attacks!" spielt er in "Besser geht's nicht" mit seinem eigenen Image: Als kauziger, neurotischer, schlecht gelaunter Schriftsteller Melvin findet Nicholson nahezu mühelos die Balance zwischen dramatischen, satirischen und selbst romantischen Momenten. Den Erfolg der Oscar-Rolle wiederholte er später in "About Schmidt" und "Was das Herz begehrt", bevor er in Martin Scorseses "The Departed" als Gangsterboss brillierte.

Längst ist Nicholson nicht nur eine Hollywood-Legende, sondern eine Institution. Trotz oder gerade wegen seiner Unangepasstheit. Kaum eine Oscar-Verleihung vergeht, in der Nicholson nicht in der ersten Reihe sitzt, eine schöne, junge Frau neben sich - und sich über die Witze amüsiert, die die Moderatoren über ihn machen. Dabei zeigt er sein berühmtes Lachen und zieht seine markanten Augenbrauen hoch. Für ihn gilt, was er einst über Stars sagte: "Du hast das Zeug zum Star, wenn du auf der Bühne stehst, eine Katze dazukommt und die Leute immer noch dich anschauen."

Ob er aber noch einmal auf die Bühne gehen wird, um einen Oscar in Empfang zu nehmen? Er hat das Kunststück geschafft, seit den 60ern in jedem Jahrzehnt für einen Academy Award nominiert zu sein - und dreimal zu gewinnen. Doch inzwischen hat er sich aus dem Filmgeschäft zurückgezogen. Zumindest einmal will er es aber noch wissen: Er will die Hauptrolle im US-Remake des deutschen Films "Toni Erdmann" spielen. Die Rolle des skurrilen Scherzkekses, der sich wenig um Konventionen schert, scheint ihm wie auf den Leib geschrieben.

Quelle: ntv.de

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