"Der kalte Fritte" Der Weimarer Tatort im Schnellcheck
11.02.2018, 21:45 Uhr
Nora Tschirner und Christian Ulmen überzeugen im neuen Weimar-"Tatort"
(Foto: MDR/Wiedemann & Berg/Anke Neugeb)
Die Kommissarin mit Perücke und High Heels im Puff, der Kommissar beim Psycho-Talk im Kindergarten, blutiger Bruderzwist und eine Explosion zum Showdown, bei der es nur so kracht und staubt - nach kurzem Zwischentief zeigen sich Dorn und Lessing in bester Spiellaune.
Das Szenario
Am Stadtrand von Weimar soll ein "Goethe-Geomuseum" gebaut werden, die Entscheidung über den endgültigen Standort steht kurz bevor. Da ist zum einen das Steinbruch-Gelände der Eheleute Martin und Cleo Schröder. Das Geschäft ist mies, die Insolvenz nur eine Frage der Zeit. Das Museum an dieser Stelle würde ihnen die Existenz retten. Dann ist da aber auch noch ein gewisser Alonzo Sassen und der spielt mit dem Gedanken, der Stadt für diesen Zweck ein Grundstück zu schenken. Als der Milliardär bei einem Einbruch erschossen wird, führen die Spuren schließlich zum Steinbruch und seinem Betreiberpaar. Aber auch Fritjof Schröder, genannt Fritte, Martins Bruder und Betreiber des örtlichen Bordells "Chez Chériechen" steht bald im Fokus der Ermittlungen. Lollo nämlich, Sassens Gattin, die den Einbrecher inflagranti ertappt und abknallt, hat bis vor kurzem noch in Frittes Puff gestrippt.
Die eigentliche Botschaft
Vielleicht hat Regisseur Titus Selge den Film "Alexis Sorbas" ein Mal zuviel gesehen und wollte einem der klassischen Zitate daraus seinen eigenen Anstrich geben. "Did you ever see a more splendiferous crash?", so der Titelheld. "Hast Du jemals gesehen, wie etwas so schön zusammenkracht?" Sorbas wollte eine stillgelegte Mine wieder in Betrieb nehmen, am Ende, als die Drahtseilbahn auf malerischste Weise zusammenkracht, erfreut er sich zumindest an der spektakulären Zerstörung. Auch bei Selge stürzt am Ende alles ein, auch sein "splendiferous crash" gerät überaus malerisch und für "Tatort"-Verhältnisse geradezu cinemascopisch breit. Gerade als man denkt, Dorn und Lessing können die Explosion verhindern, lässt der Regisseur seinen tragischen Helden mit dem schlichten Namen Schröder doch noch das Bäng-Boom-Bäng-Knöpfchen drücken. Die Botschaft nach all den Wirrungen und Fußangeln, den Platzwunden und Puffbesuchen in diesem Fall: Jetzt lassen wir’s krachen, aber so richtig.
Darüber wird in der Mittagspause geredet
Vielleicht darüber, dass Nora Tschirners Poledance-Skills noch ausbaufähig sind und sie mit Perücke aussieht wie PJ Harvey? Über Ulmens Vorliebe für knappe Westen? Möglicherweise. Ein weiteres Rätsel, das der Aufklärung harrt: Wann bekommen wir endlich mal den Filius der beiden zu sehen - oder habe ich da etwas verpasst?
Der Plausibilitätsfaktor
Wie bei den Kollegen in Münster, so geht es auch hier in Weimar weniger um Plausibilität, denn vielmehr um das Kunststück, Absurdes und Abseitiges mit Spannung und Täterrätsel zu verbinden. Das gelingt mal schlechter, wie zuletzt beim "wüsten Gobi", dann wiederum so gekonnt wie im Fall vom "kalten Fritte", wo sich die Einzelteile, die überaus grotesken Szenen, die schrägen Typen und die letztlich blut- und dynamitreiche Action äußerst homogen zu einem kompakten Ganzen verbinden.
Die Bewertung
8 von 10 Punkten. Das Verhältnis von Crime und Comedy ist endlich wieder austariert, die Pointen sitzen, ein "Tatort", der seine Stereotypen auf die Schippe nimmt und dabei genügend Spannung und Show-Effekte bietet.
Quelle: ntv.de