Vip Vip, Hurra! "Früher war mehr Lametta" - und bessere Unterhaltung


Zwei unerreichte TV-Legenden: Evelyn Hamann und Loriot
(Foto: picture alliance /)
In einer Ära, in der "hackedoof" gefeiert wird, sehnen wir uns nach Entertainern wie Rudi Carrell, Loriot oder Karl Dall. Ein Blick zurück zeigt: Unterhaltung ist mehr als Krawall. Warum wir Mahner wie Kalkofe und die alten Meister heute dringender denn je brauchen und die "Generation H.O.R.S.T." das TV ruiniert.
Auf ihren öffentlichen Social-Media-Profilen bezeichnet sie sich als Entertainer, Sänger oder - noch herrlicher - Künstler: die neue TV-Generation. Allen voran Leute aus der sich aktuell rapide verändernden Reality-TV-Branche. Nun sind diese Berufsbezeichnungen nicht geschützt, und im Grunde kann sich deshalb auch jeder, der die Zahnbürste in einen Eimer Farbe taucht und ein Bild besprenkelt, Künstler nennen. Genauso wie man sagen darf, man sei "Entertainer", weil man schon mal irgendwo nackig durchs Bild geflitzt ist oder sich durch ein TV-Format gepöbelt hat.
Lieber Leser, wir leben in einer, ich sag es mal ganz vorsichtig, Ära, in der die Dummheit sich nicht mehr versteckt, sondern bezahlt, beklatscht und als Erfolg verkauft wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass uns das alles noch mächtig um die Ohren fliegen wird, wenn wir solchen "Promis" länger eine Plattform bieten. Diese vermeintlichen Stars machen vornehmlich von sich reden, weil sie ihre Beziehungen auf Social Media beenden, vor der Kamera flennen oder ihrem unangenehmen Geltungsdrang öffentlich frönen - bloß, weil sie in einem TV-Format mitgewirkt haben.
Der Satiriker Oliver Kalkofe hat für diese Leute, die uns "nur durch das TV präsentiert werden", einen Namen erfunden. Unlängst sprach er in der TV-Sendung "Riverboat" über diese neue, ganz "eigene Generation", die er die "Generation H.O.R.S.T." nennt. "Horst", so der philosophische Kritiker, stehe für "hackedoof, oberflächlich, rüpelhaft, selbstverliebt und tätowiert". Das sei eine "Art von jungen Menschen, die gibt es in der Realität zum Glück kaum, aber im Fernsehen werden die uns als Promis oder interessante Menschen vermittelt."
Diese TV-Größen zeigen, wie Unterhaltung geht!
Diese Entwicklung pervertiert immer mehr. Deshalb bin ich heilfroh, dass es Mahner wie Kalkofe gibt, die der Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Unser bis vor wenigen Jahren noch heiß geliebtes Reality-TV treibt immer seltsamere Blüten. Inzwischen haben auch viele alte Trash-TV-Hasen von der "Horst-Generation" die Nase gestrichen voll.
Weihnachten steht vor der Tür. Und wenn ich in diesen besinnlichen Zeiten so durch meinen Social-Media-Feed scrolle (ich habe übrigens einen ganz fantastischen Algorithmus), entdecke ich oft kleine Clips großer Entertainer, die heute aktueller denn je wirken, wie beispielsweise Loriot ("Vicco" von Bülow) oder Karl Dall.
Entertainer, Komiker und Schauspieler, die für die Gesellschaft Fantastisches geleistet haben und die heute oft nur noch (leider) der älteren TV-Generation im Gedächtnis sind. Deswegen ist es umso wichtiger, an sie zu erinnern, vor allem, um der "Generation H.O.R.S.T." zu zeigen: Ihr wollt unterhalten? Dann schaut euch an, wie das wirklich geht!
Nun kann man von so einem "Kevin" oder einer, wie Kalkofe sie nennt, "Porno-Puppen-Parodie" keine Sternstunden deutscher TV-Unterhaltung erwarten, aber wie wäre es, wenn wir, das Publikum, zumindest ein bisschen Respekt erwarten dürften?
So sagte Loriot einst: "Die Fernsehzuschauer sind die Einzigen, die in der ersten Reihe schlafen können." Ach, wenn das heutzutage noch möglich wäre! Denn beruhigend sind viele der neuen Formate schon lange nicht mehr. Aufregung und Krawall sind an der Tagesordnung. Erinnern Sie sich, lieber Leser, noch an die Sketche von Loriot und Evelyn Hamann? Was waren das für humorvolle TV-Zeiten!
Rudi Carrell und das goldene Zeitalter des TV
Auch nicht zu vergessen: der große "Show-Magier" Rudi Carrell. Der Mann mit dem unverwechselbaren Akzent und einem Talent, das ihm offenbar in die Wiege gelegt wurde, wäre am 19. Dezember 90 Jahre alt geworden. Sein Humor, eine Mischung aus trockenem Witz und perfektem Timing, war immer gepaart mit einem charmanten Augenzwinkern. Und während sich TV-Macher heutzutage über 300.000 Zuschauer freuen, erreichte Carrell wirklich astronomische Einschaltquoten und setzte damit Meilensteine in der TV-Geschichte. Zu sagen, das sei heute überhaupt nicht mehr möglich, ist auch ein Eingeständnis der eigenen Ideenlosigkeit.
Ob Carrell mit "Wann wird's mal wieder richtig Sommer" Sommersehnsüchte besang oder mit "Herzblatt" Amor spielte - er traf stets den Nerv der Zeit. Seine Parodien, wie in "Rudis Tagesshow", bewiesen, dass er nicht nur unterhalten, sondern auch (kritisch) hinterfragen konnte. Dazu dieses unverwechselbare, freche Lächeln und geniale Beobachtungen wie "Nachrichtensprecher fangen stets mit 'Guten Abend' an und brauchen dann 15 Minuten, um zu erklären, dass es kein guter Abend ist." Oder: "In Deutschland gibt's sinnlose Verbote. Zum Beispiel Thema Rasen: Drunter liegen darfst du, drauftreten nicht."
Lieber Leser, sollte Ihnen ein Exemplar der "Generation H.O.R.S.T." über den Weg laufen, nennen Sie ihm gern ein paar Namen wirklich großer Entertainer. Ich wünsche Ihnen ein friedliches Weihnachtsfest! Vielleicht schauen Sie sich ja den einen oder anderen Sketch aus alten Zeiten mit Loriot und Evelyn Hamann an, wie zum Beispiel den Klassiker "Weihnachten bei Hoppenstedts"!? Oder wie Loriot sagen würde: "Früher war mehr Lametta."
Quelle: ntv.de