Vom TV-Trash zur Anwältin Kim Kardashian ist mehr als nur ihr Sextape
14.04.2019, 09:25 Uhr
Kims Einfluss weitet sich langsam aber sicher auch auf die US-Politik aus.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Ihr Sextape macht nicht nur Kim Kardashian berühmt - es kurbelt auch die Karrieren ihrer gesamten Familie an. Zwölf Jahre nach dem Leak gehen die Meinungen über den Reality-TV-Star noch weit auseinander. Doch ein wenig Anerkennung muss man ihr lassen.
Kim Kardashian will Anwältin werden. Die Nachricht verbreitete sich vergangenen Donnerstag wie ein Lauffeuer in den Medien. Sie habe sich den Karrierewechsel "sehr genau überlegt", sagte die 38-Jährige der US-Zeitschrift "Vogue". Nach eigenen Angaben hat sie bereits vergangenen Sommer eine auf vier Jahre angelegte Ausbildung in einer Kanzlei begonnen und möchte 2022 die Anwaltsprüfung ablegen.
Zu Recht fragt sich nun so mancher: Karrierewechsel? Hat sie überhaupt einen richtigen Job? Im Zeitalter des Internets und der Influencer ist der Begriff "Job" zu einem schwammigen Sammelbegriff geworden. Mit Modekollektionen, einer Beauty-Marke, Modelaufträgen und einer App verdient Kim etwa 40 Prozent ihres Einkommens. Auch ihre 72-tägige Ehe mit Basketball-Profi Kris Humphries und kurze Cameo-Auftritte in US-Sitcoms brachten ihr - neben einer Nominierung und einer Auszeichnung für die Goldene Himbeere - ein nettes Taschengeld ein.
Ihre Cashcow ist jedoch ihre Reality-TV-Sendung "Keeping up with the Kardashians". Für jede Folge, in der sich ihr Ehemann und Rapper Kanye West kurz blicken lässt, setzt der US-Sender "E!" etwa fünf Millionen oben drauf. Das "Forbes"-Magazin schätzt Kims Vermögen mittlerweile auf etwa 350 Millionen Dollar.
Sextape sei Dank
"Keeping up with the Kardashians" (KUWTK) läuft seit 2007. Das Angebot der Sendung bekam sie, nachdem ihr Sextape mit Ex-Freund und R&B-Sänger Ray J auftauchte. Kim, die man bis dahin nur als Tochter von O.J. Simpsons Anwalt, Robert Kardashian, und als Stylistin von Paris Hilton kannte, war plötzlich in aller Munde. Bis heute ist unklar, wie das Video an die Öffentlichkeit kam. Seit Jahren hält sich das Gerücht, dass es "Momager" (eine Wortspiel aus Mom und Manager) Kris und Kim selbst waren, die das Video aus Publicity-Gründen weitergaben. Eine Klage gegen die Webseite, die das Video veröffentlichte, ließ Kim gegen einen Schadenersatz in Höhe von fünf Millionen Dollar wieder fallen.
Die Reality-Show machte nicht nur Kim schlagartig berühmt, sondern auch ihre Geschwister Rob, Khlóe und Kourtney, deren Freund Scott Disick, ihre Mutter Kris und ihren in Vergessenheit geratenen Stiefvater und Ex-Olympiasieger Bruce Jenner und ihre jüngeren Halbschwestern Kendall und Kylie. Seit nunmehr zwölf Jahren werden ihre Privatleben und öffentlichen Auftritte fast täglich von Kamerateams begleitet.
Der Clan gehört heute mit eigenen Beauty- und Modemarken, Apps sowie Lifestyle-Webseiten zu den berühmtesten, wohlhabendsten und einflussreichsten Familien der Welt. Kylie wurde mit ihrer Kosmetikfirma von "Forbes" zur jüngsten Selfmade-Milliardärin aller Zeiten gekürt und Mama Kris sackt als Managerin ihrer Kinder dicke Gewinne ein. Bruce heißt heute Caitlyn Jenner und ergatterte nach seiner Scheidung von Kris und einer Geschlechtsumwandlung einen eigenen TV-Vertrag mit "E!". Nur um Rob ist es nach seiner starken Gewichtszunahme und Depression still geworden.
Dass sie Kim ihre Karrieren verdanken, können selbst die Mitglieder des Kardashian-Jenner-Clans nicht leugnen. Bestes Beispiel: Als die Familie vergangenen Oktober den MTV Music & TV Award für ihre Show erhielten, war Khloé nicht anwesend. Wie Kris ihr den Preis anschließend überreichte, konnten die Zuschauer vergangene Woche in einer Folge "KUWTK" sehen. Auf die Frage, wem sie für die Auszeichnung danken wolle, sagte sie unter künstlichen Tränen: "Das ist alles so ein großer Druck. Ich würde gerne meinem Herrn und Retter danken - und Kimberly dafür, dass sie Sex vor der Kamera hatte."
Talent ist Auslegungssache
Dass für ein Familienimperium wie das der Kardashians/Jenners viel Zielstrebigkeit nötig ist, kann schlecht geleugnet werden. Bei Kim - deren größtes Talent nach eigenen Angaben ist, mit ihrem Geruchssinn Karies bei anderen Menschen diagnostizieren zu können - und Co. darf man sich aber auch die berechtigte Frage stellen, wie viel Sachverstand hinter ihrem Erfolg steckt. Investieren sie mehr als nur ihr Geld und ihre Namen in die Geschäfte? Das wissen sie wahrscheinlich am besten, denn von der täglichen Arbeit der einzelnen Unternehmen bekommen die "KUWTK"-Zuschauer wenig bis gar nichts mit. Dennoch handelte sich "Forbes" mit Kylies Bezeichnung als "Selfmade"-Milliardärin eine Menge Kritik ein.
Wenngleich Kims Sextape den Weg für die Karrieren ihrer Verwandtschaft ebnete, haben alle das Maximum aus dem gemacht, was ihnen zur Verfügung stand. Mit einem professionellen Gespür für Selbstvermarktung und Karrieregeist haben sie ein Familienimperium erschaffen. Das alles sind Fähigkeiten, die sie sich mit der Zeit angeeignet haben - und die so auch nicht unbedingt in einem Studium gelehrt werden.
Noch dazu haben sie die Macht des Internets und sozialer Netzwerke erkannt und wissen sie zu nutzen. Mit Abermillionen Followern haben sie eine enorme Reichweite für ihre Vermarktung geschaffen und weltweit Einfluss auf das Aussehen und die Ideale hauptsächlich junger Menschen genommen. Sie polarisieren und faszinieren die Massen zugleich - so oder so bleiben sie im Gespräch. Genau darauf beruht ihr Erfolg.
Einfluss auf Politik weitet sich aus
Kim hat längst nicht mehr nur Einfluss auf junge Frauen - auch die US-Politik hat sie im letzten Jahr ordentlich aufgemischt. Nachdem sie im Internet die Geschichte einer Afroamerikanerin gelesen hatte, die wegen eines gewaltlosen Drogendelikts seit 1996 eine lebenslange Haftstrafe absitzt, engagierte sie sich für die Freilassung der 63-Jährigen. Mit Erfolg: Nach einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump, begnadigte er Alice Marie Johnson und gab ihrer Haftverkürzung statt. Auch an der anschließenden Strafrecht- und Gefängnisreform war der Reality-Star zum Teil beteiligt.
Die Reaktionen auf den Einsatz der 38-Jährigen fielen gemischt aus. Viele Kritiker wollen nicht noch einen Reality-TV-Star im Weißen Haus Politik machen sehen. Dass sie ihren Promi-Status nutzte, um einer Gefangenen zu helfen, missfiel selbst einigen Fans und sorgte für jede Menge Spott. Davon hat sich die Dreifachmutter nicht beirren lassen. Sie arbeitete weiter mit den Menschenrechtsanwälten zusammen und begann ihr Praktikum in der Kanzlei. Kalifornien ist einer der wenigen US-Bundesstaaten, in denen eine langjährige Mitarbeit in einer Kanzlei und begleitende Kurse ein Jura-Studium ersetzen können.
Eine Kriminalrechts-Klausur hat sie bereits mit 100 von 100 Punkten absolviert. "Super easy", sagte Kim der "Vogue". Auch das Magazin spricht von einem "Erwachen der Kim Kardashian West". Unterschätzen wir ihre Intelligenz? Ist sie vielleicht doch mehr als ihr Sextape und Schönheits-OPs? Zumindest scheint sie ambitionierter zu sein, als man ihr zugetraut hätte.
Quelle: ntv.de