Unterhaltung

Podcaster als Moralapostel Die unerträgliche Hybris von Nizar & Shayan

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Sie werfen ihren Kritikern vor, nur wegen eines schlechten Witzes Leben zerstören zu wollen - ihre und das von Luke Mockridge. Das Video-Statement von Nizar Akremi und Shayan Garcia vom Podcast "Die Deutschen" ist ein geschmackloses Lehrstück in Sachen Schuldumkehr.

Als Gast im Podcast "Die Deutschen" machte Luke Mockridge kürzlich gemeinsam mit den beiden Hosts Nizar Akremi und Shayan Garcia geschmacklose Witze über Menschen mit Behinderungen und die Paralympics. Witze, die meilenweit an der Menschenwürde vorbeischossen, die drei Männer vor ihren Mikrofonen aber köstlich amüsierten. Seither erfährt vor allem Mockridge harte Konsequenzen. Eine neue TV-Quizshow mit ihm als Moderator wurde von Sat.1 kurzfristig gestrichen, seine Tour größtenteils abgesagt. Und das alles trotz eines vermeintlichen Entschuldigungsposts, der genaugenommen nicht mehr als eine selbstreferenzielle, mit Halbwahrheiten gespickte Rechtfertigung war und offenbarte, dass Mockridge - mal wieder - nichts verstanden oder aus der Vergangenheit gelernt hat.

Wer aber glaubt, schlimmer ginge es nicht, wird seit Mittwochabend eines Besseren belehrt. Nizar Akremi und Shayan Garcia setzen mit ihrem neuen Video noch eins drauf und liefern ein Lehrstück in Sachen Täter-Opfer-Umkehr, Arroganz und mangelnder Selbstreflektion. "Sorry not sorry" könnte die Überschrift des Clips lauten, den die beiden Podcast-Hosts stattdessen schlicht mit "Statement" betiteln und der seit seiner Veröffentlichung Stand jetzt mehr als 75.000 Likes und 13.000 Kommentare verzeichnet. Natürlich ist es fraglich, ob man ein solches Video weiter teilen und den beiden damit noch mehr Reichweite verschaffen sollte. Doch kann das im besten Falle dafür sorgen, dass der eine oder andere bisherige Befürworter ihrer Position doch noch versteht, was das Problem an all dem ist.

"Jetzt geht es erst richtig los"

Den Anfang des zwölfminütigen Clips macht ein bedröppelt dreinschauender Garcia, der vorgaukelt, man habe sich "übernommen", wolle sich entschuldigen und in Reaktion auf das eigene Fehlverhalten den Podcast "Die Deutschen" einstellen. Dann aber grätscht Akremi rein und teilt hämisch lachend mit, dass genau das nicht passieren werde. "Jetzt geht es erst richtig los", brüllt er, und das klingt beinahe wie eine Drohung. Man werde sich von der Cancel Culture nicht beugen lassen, betont er außerdem - ignorierend, dass das Canceln an sich keinen aktiven Prozess des Gecancelten darstellt, sondern andere entscheiden, ob sie jemanden weiter sehen und hören wollen oder nicht. Aber sei es drum.

"Die Deutschen" als Satire- und Comedy-Podcast zu bezeichnen, wie Akremi es tut, ist der nächste Fehler in seinem kruden Gedankensystem, denn mit Satire hat das, was die zwei machen, wenig zu tun. Witze auf Kosten marginalisierter Gruppen sind schlicht keine Satire, sondern billige und geschmacklose Effekthascherei. Auch wurden die Gags - anders als von den beiden behauptet - nicht aus dem Kontext gerissen. Sie selbst haben das viral gegangene Video mit Luke Mockridge aufgenommen, geschnitten und hochgeladen - zu Promozwecken. Und dabei haben sie sich für besonders schlau gehalten, wollten bewusst provozieren. Okay, das hat funktioniert.

Sich jetzt aber über die Menschen zu beschweren, die sich darüber aufgeregt oder auch zu Recht - weil persönlich betroffen - beleidigt und verletzt gefühlt haben, zeugt von dem bereits erwähnten Mangel an Selbstreflektion. In den Augen von Akremi und Garcia fehlt diesen Leuten schlicht der nötige Intellekt, um ihren "Humor" zu verstehen. Sie seien schließlich damit bekannt geworden, sich über sich selbst, ihre Freunde, ihre Familien und jegliche Minderheit lustig zu machen, so Garcia. Als würde das irgendetwas besser machen. Zumal die meisten Leute die beiden bislang vermutlich gar nicht kannten.

Schuld sind immer die anderen

Zudem stellt es Garcia so dar, als wären Aussagen aus dem Podcast falsch zusammengetragen worden, um die zwei als "behindertenfeindlich, sexistisch, rassistisch, homophob, rechtsnah, transphob, antisemitisch, antidemokratisch und antiislamisch" darzustellen. Fakt ist, dass die Aussagen genau so getätigt wurden und es keines weiteren Kontextes bedarf, wenn Akremi dabei lachend körperlich beeinträchtigte Menschen nachäfft. Einen Subtext sucht man hier vergeblich. Auch wird nicht mit Behinderten gelacht, sondern über sie. Ein gar nicht mal so kleiner und eigentlich nicht zu übersehender Unterschied, den die zwei nur allzu gern negieren.

Auch ergehen sich Akremi und Garcia in langen Verteidigungsarien für Luke Mockridge, der ihrer Meinung nach natürlich völlig zu Unrecht nun die Konsequenzen für sein Handeln erfährt. Und sie weisen auf die Leute hin, die dabei ebenfalls das Nachsehen haben - wie Veranstalter und deren Mitarbeiter. Dass es ihnen dabei vor allem um ihren eigenen Hintern geht, der nach der Absage erster Auftritte Akremis und dem Absprung eines Podcast-Sponsors ebenfalls gefährdet scheint, ist eine nicht allzu weit hergeholte Vermutung, denn die Gefühle anderer Menschen sind den beiden ja nachweislich egal. Das mit Vehemenz und Angriffslust Vorgetragene in diesem Video ist am Ende nicht mehr als eine schwer zu ertragende Rechtfertigung für miesen Humor auf Kosten anderer. Dass ihre Witze nicht allen gefallen, sei "okay", räumen sie ein. Vielen Dank dafür, wie großmütig ... wie arrogant.

Die zwei scheuen sich auch nicht, Menschen wie Paralympics-Sportlerin Kristina Vogel, die das Mockridge-Video mit ihrer Community teilte und so für den "Shitstorm" überhaupt erst sorgte, persönlich anzugehen und sie vom Opfer zum Täter, sowie sich selbst vom Täter zum Opfer zu machen. Sie unterstellen ihr wenig indirekt, es ginge ihr nicht um die Sache, sondern darum, ihr Kinderbuch zu promoten. Überhaupt regen sich laut Garcia alle Leute nur für Likes und Kommentare auf. Dass sie hier von sich auf andere schließen, weil sie ihre dummdreisten Witze aus genau diesem Grund machen, sehen sie nicht.

Die zwei reden stattdessen immer wieder von Hexenjagd, Mistgabeln, Vertreibung und Verbrennung. Sie empfinden die Reaktionen auf ihre Aktion als beispiellose Hetzjagd- und das alles wegen eines einzigen Witzes, der bloß bei ein paar engstirnigen Leuten nicht gut ankam?! Den dummen Vertretern der schlimmen Cancel Culture? Genau. Sag, dass du nichts verstanden hast, ohne zu sagen, dass du nichts verstanden hast.

Von Einsicht keine Spur

Statt Einsicht zu zeigen, spielen sich Nizar Akremi und Shayan Garcia nun als überhebliche Retter von Moral und Anstand auf - natürlich ganz in ihrem eigenen Sinne und ohne einen Blick auf die zu werfen, die sie mit ihrem "Humor" immer wieder verletzen, beleidigen und degradieren. Sie wollen den Leuten - ihren Kritikern - einen Spiegel vorhalten, sie belehren. Sie beanspruchen für sich die Deutungshoheit für alles, was gesagt wurde und passiert ist, sprechen anderen ihre Deutung der Ereignisse und Aussagen aber ab. Sie faseln was von Meinungsfreiheit, doch respektieren sie die Meinung derer nicht, die ihre diskriminierenden Witze unangebracht und verletzend finden. Sie wollen polarisieren, aber wenn der Gegenwind zu stark wird, jammern sie rum. Und dieses Rumjammern versuchen sie nun als Widerstand gegen die Cancel Culture zu verkaufen. Dabei ist es maximal ein Widerstand gegen Anstand, Menschlichkeit und guten Geschmack.

All das hat weder etwas mit Einsicht zu tun, noch ist es eine Entschuldigung. Die schieben Nizar Akremi und Shayan Garcia zwar am Ende des Videos noch recht lieblos hinterher, doch auch nur, um im selben Atemzug zum Kauf der Tickets für ihre Arena-Tour aufzurufen. Und die ist natürlich ebenfalls nicht abgesagt, denn was den beiden - das muss man ihnen einfach zugestehen - dank ihrer Kritiker und der Medien gelungen ist: eine Reichweite zu generieren und eine Bekanntheit zu erlangen, die sie vor dem Skandal nicht hatten.

Luke Mockridge kann ihnen trotzdem danken

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Auf der anderen Seite sorgt das Ganze hoffentlich dafür, dass auch Menschen aus ihrer Bubble verstehen, dass Gags wie die in dieser Causa diskutierten dafür verantwortlich sind, dass Ableismus, Rassismus, Sexismus, Misogynie, Antisemitismus, Homophobie und anderen Formen der Diskriminierung Tür und Tor geöffnet wird und Hass plötzlich wieder salonfähig ist, solange man ihn als miesen Witz verkauft. Doch das überschreitet wohl den Horizont von Nizar Akremi und Shayan Garcia, die zwar scherzen, zusammen nur einen IQ von 34 zu haben, damit aber im Grunde wohl aussagen wollen, dass sie schlauer seien als alle anderen zusammen.

Dankbar kann ihnen Luke Mockridge dennoch sein. Nicht, weil die zwei sein Schicksal wirklich interessiert. Immerhin postete Akremi bei X kurz vor der Veröffentlichung der Folge schon: "Luke Mockridge war heute im Podcast. Macht euch bereit, Woke Bubble. Wie es sich für einen Kobold gehört, habe ich eine ganz ekelhafte Seite rausgekitzelt. Ich freue mich auf das Rumgeheule." Sie haben ihn für Likes und Kommentare also schon vor dem Skandal unter den Bus geworfen. Aber zumindest ist er nun nicht mehr der unsympathischste und unreflektierteste Mensch in der deutschen Comedy-Szene. Und das ist doch auch schon was.

Quelle: ntv.de

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