
Verarbeitet seinen Trennungsschmerz auf der Bühne: Oliver Pocher
(Foto: picture alliance / DeFodi Images)
Oliver Pocher nutzt seine Ex-Frau immer wieder für billige Witze. Geht die Comedy des Liebeskaspers zu weit? Denn statt sich einzugestehen, dass immer zwei an einer gescheiterten Beziehung beteiligt sind, wählt er - mal wieder - den Weg unter die Gürtellinie. Die Mutter seiner Kinder ist immer öfter Hass im Netz ausgesetzt.
Ja, es ist "nur" eine Promi-Kolumne. Ja, ich könnte auch "einfach das Maul halten" und mich um meinen "eigenen Scheiß" kümmern. Und natürlich soll ich hier gefälligst meinen Job machen und über die Woche der Promis berichten. Schließlich werde ich dafür bezahlt. Lieber Leser, ich möchte heute die Gelegenheit nutzen und mit Ihnen über Comedy sprechen. Ungeachtet dessen, dass ich der Meinung bin, dass wir ohnehin gerade sehr wenig zu lachen haben, bin ich auch der Meinung, dass es die Komiker dieses Landes aktuell alles andere als einfach haben.
Nicht selten habe ich von Comedians gelesen, die sich regelrecht über "eine gewisse Zensur" auskotzten und darüber schimpften, dass man heutzutage ja gar nichts mehr sagen dürfe, ohne Angst haben zu müssen, von der woken Bubble verbal weggebissen und gecancelt zu werden. Politisch inkorrekte Witze dürfe man nicht mehr machen. Auch Gags über Menschen mit Behinderungen oder Frauen mit mehr Leibesfülle seien "super schwierig". Man würde heute unverzüglich als rechts, rassistisch oder am schlimmsten: als beides abgestempelt werden.
Viele Comedians nehmen aus ihren Sketchen schon lange den Fahrtwind heraus und schlängeln sich mehr schlecht als recht durch eine Gesellschaft, deren moralinsaure Debatten sie als belehrend wahrnehmen und zutiefst verachten. Ich selbst bin der Meinung, dass es mitnichten so ist, dass man "heutzutage gar nichts mehr sagen kann". Man muss nur mit dem Echo und den Konsequenzen klarkommen.
Pocher, Satire und Witze auf dem Rücken anderer
Auch Satire, und damit meine ich gute Satire, tritt nicht nach unten. Einer, der sich offensichtlich nie um die öffentliche Meinung rund um seine Person geschert hat, ist Oliver Pocher. Das zumindest habe ich immer angenommen. Aber ich glaube wirklich, dass das überhaupt nicht stimmt und Pocher, ob man ihn nun mag oder nicht, auch nicht anders als andere Künstler ist, die nach außen das Bild propagieren, Kritiken über sie würden sie "einen Scheiß" interessieren. Während sie in Wahrheit stundenlang Google News bedienen, um alles aufzusaugen, was über sie geschrieben wird. Ganz normal, vollkommen menschliches Verhalten. Und mit der Zeit, auch das ist klar, stumpft man ab. Denn Medien, das wissen wir alle, haben nicht die Aufgabe, freundlich zu sein.
Über Pocher heißt es immer, dass man ihn entweder liebt oder hasst. Ich selbst, das gebe ich gerne zu, bin vollkommen hin- und hergerissen bei dem Mann, den schon der große Harald Schmidt vor Jahren als "kleine miese Type" bezeichnet hat. Einer, dessen Erfolg darin besteht, Gags auf dem Rücken anderer zu machen.
Inzwischen macht er diese Witze vorrangig auf dem Rücken seiner Ex-Frau. Bevor mir Pocher-Fans vorwerfen, ich würde für Amira Aly unbekannterweise Partei ergreifen: Ich verstehe den Vorwurf, wirklich! Denn wenn man sich in seine Lage hineinversetzt - und das versuche ich - dann ist da eben ein in Deutschland berühmter Komiker, der sich in eine (damals) unbekannte Frau verliebte und ihr ein privilegiertes Leben an seiner Seite ermöglicht hat.
Liebesschmerz und Humor, der ins Leere läuft
Eine Frau, die seinen Namen tragen durfte, eine, die durch ihn, so der Vorwurf, einen gewissen Promi-Status erreicht hat. Eine, die aber auch die Mutter zweier seiner Kinder wurde. Und die irgendwann entschieden hat, ihn zu verlassen. Das muss sicherlich verletzend sein, wenn man für den anderen (noch) Gefühle hat.
Es ist kein Geheimnis, dass Künstler aus den traurigsten und dramatischsten Lebenssituationen die wundervollsten Werke entstehen lassen. Wie viele Welthits mögen allein auf Herzschmerz zurückgehen? Vollkommen legitim auch, die eigene (gescheiterte) Beziehung in einem Bühnenprogramm zu verarbeiten. Aber doch bitte nicht so!
"Liebeskasper", so der Name von Pochers aktuellem Programm, ist - man kann es nicht anders sagen - auf dem Rücken seiner Ex-Frau konzipiert. Das Recht auf Alys Privatsphäre scheint in Pochers Kosmos nicht zu existieren. Ein guter Witz scheint für ihn zu sein, wenn von Zehntausenden nur ein Einziger gelacht hat. Das reicht schon, um weiterzumachen. Auch wenn diese Comedy schon so viele Menschen längst nicht mehr erreicht.
Sich lustig machen auf Augenhöhe, austeilen, selbst einstecken: Das wäre ein gutes Comedy-Programm. Stattdessen sieht er sich als Opfer. Während er in seinen damaligen Beziehungen mit anderen prominenten Frauen wie Sabine Lisicki selbst so viel verbrannte Erde hinterlassen hat.
Gags auf Kosten der Ex
Und längst schon reicht es nicht mehr aus, an ihn zu appellieren, dass Amira Aly einmal die Frau an seiner Seite war. Seine Kinder werden irgendwann größer. Und all das, was da vom Vater über ihre "bumsende" Mutter in die Öffentlichkeit getragen wird, lesen.
Aktuell parodiert er sie wegen eines kurzen Videos, das sie selbst ins Netz gestellt hat und in dem sie sich bei ihren Fans für die vielen Nachrichten bedankt. Sie spricht in diesem Clip auch davon, warum sie gerade eine Hose anhabe, die sie offen tragen müsse. "Weil - die ist neu und die muss erst mal eingetragen werden. Ist auf jeden Fall keine Sitzhose", sagt sie.
In Pochers Parodie klingt die Nummer wie folgt: "Ich habe hier übrigens gerade die Hose ein bisschen auf, weil ich gerade gebumst habe und zu fett geworden bin. Ich hole jetzt die Kinder ab, die habe ich schon die ganze Woche, ich habe nämlich immer die Kinder und nachts fahre ich dann auch immer viel nach Hause."
Diese Angriffe gegenüber der Frau, die er einst liebte, sind vor allem eines: armselig. Was für schöne Pointen er hätte schreiben können nach dieser gescheiterten Liebe! Wie sehr hätte man über ihn und mit ihm lachen können, wenn er den Mut gehabt hätte, Fehler nicht nur bei anderen zu suchen. Denn letztlich sind an einem Beziehungs-Aus immer zwei beteiligt. Wahre Größe ist, die Mutter seiner Kinder - mag man auch noch so verletzt und traurig sein - vor dem Internet-Mob zu beschützen. Stattdessen wirft er sie mit den immer gleichen plumpen Anspielungen unter der Gürtellinie dem Pöbel zum Fraß vor. Pochers Humor scheint wirklich angekommen zu sein, und zwar ganz weit unten.
Quelle: ntv.de