
Bandelt mit dem Kapitän (Florian Silbereisen) an: Urlaubsflirt Veronika (Wanda Perdelwitz). Indes sieht der "Traumschiff"-Staff-Kapitän (Daniel Morgenroth) den Kurs des Kult-Dampfers mit Sorge.
(Foto: picture alliance/dpa/ZDF)
Am Neujahrstag sticht "das Traumschiff" zum 100. Mal in See. Mit der Jubiläumsfolge gibt es auch ein Novum: Es gibt Sex an Bord, der Kapitän ist "quasi nackt" zu sehen. Die Kritik aber reißt nicht ab. Hinter den Kulissen soll es gewaltig brodeln. Über den Kult-Dampfer, der - mit Ansage - im Quotentief versinkt.
Die ganze Familie sitzt im Wohnzimmer, der Kater hängt im Tannenbaum und die Glotze läuft. Mutter hat aus der Küche kleine Schokoladenbecher geholt, die werden gleich mit Eierlikör gefüllt und bei Oma weiß man nicht, ob sie wegen der Weihnachtsfeiertage zum Friseur gegangen ist oder aber für Sascha Hehn. Es ist irgendein Jahr in den späten Achtzigerjahren und in wenigen Minuten läuft im ZDF "Das Traumschiff" mit Sascha Hehn als smarter Chefsteward Viktor Burger.
An die vielen Geschichten über die Jahre erinnert sich natürlich niemand mehr. Die waren sowieso irgendwie alle ähnlich, und im Grunde hat man ja auch nichts dagegen, sich ein wenig berieseln zu lassen und dabei von fernen, weißen Sandstränden zu träumen, wo man dann, mit etwas Glück, zufällig dem "Viktor" über den Weg läuft.
"Das Traumschiff", erfunden vom 2016 verstorbenen TV-Produzenten Wolfgang Rademann, sticht am Neujahrstag zum 100. Mal in See. Die "Bild" schreibt, man würde es zur Jubiläumsfolge "ordentlich krachen lassen". Denn Kapitän Max Parger (Florian Silbereisen) hat Sex! Holla, die Waldfee! Was für leidenschaftliche Handlungsstränge!
In der Neujahrsepisode soll er "unerhört leicht bekleidet" einen Urlaubsflirt in seiner Kabine empfangen und die schöne Dame vorwarnen, "quasi nackt zu sein". Für Traumschiff-Verhältnisse seien derlei Anzüglichkeiten ja so etwas wie einst das Internet für Angela Merkel: "Neuland".
Hirn ausschalten und sich berieseln lassen
Liebe Leser, in der letzten VIP-Kolumne im alten Jahr möchte ich mit Ihnen sehr gern über dieses Kult-Format sprechen, denn es vergeht mittlerweile kaum eine Woche, in der "Das Traumschiff" nicht von Medien wie Zuschauern kritisiert, wenn nicht sogar vollends verrissen wird. Auch ich habe schon das eine oder andere Mal TV-Kritiken über einzelne Folgen geschrieben und dabei den Focus vor allem auf die teils hanebüchenen Storys und Dialoge gelegt, was dazu führte, dass sich sogar ehemalige Crew-Mitglieder bei mir meldeten und aus dem Nähkästchen plauderten. Denn das der TV-Dampfer seit Jahren Schlagseite hat, ist nun wirklich allgemein bekannt.
Es bringe aber nichts, "das Traumschiff" zu kritisieren, habe ich mir sagen lassen. Denn die Verantwortlichen würden derlei Rezensionen ohnehin nicht lesen. Doch die Kritik kommt schon lange eben auch von ehemaligen und aktuellen Darstellern. Und sie bezieht sich nicht selten darauf, dass immer mehr Influencer und C-Promis mit dem Dampfer auf Reisen gehen.
Dabei scheint es niemanden zu interessieren, dass derlei teils auf den Leib geschriebene Rollen vor allem all jene erzürnen, die echte Schauspieler sind und die inzwischen das Gefühl haben, gegen eine Wand zu reden. So schreibt Astrid Ebenführer vom "Standard" über die 99. Folge ins "TV-Tagebuch": "Eskapismus mit Nonsens-Story und ein bisschen Beziehungsknatsch, ein bisschen Slapstick, ein bisschen Landschaft und ein bisschen Dramatik. (…) Eine natürlich kühl kalkulierte Quotengeste: Hirn ausschalten und sich (...) berieseln lassen."
"Hinter den Kulissen brodelt es gewaltig"
Nun aber sieht es wirklich danach aus, als würden die Verantwortlichen die Fenster nicht mehr einfach nur auf Kipp stellen können, wenn es Kritik hagelt. Und zwar von allen Seiten! Denn wie auch RTL.de schreibt, "brodelt es hinter den Kulissen gewaltig". Viele ehemalige Traumschiff-Stars, darunter auch die 2021 verstorbene Heide Keller, die mehr als 35 Jahre die Chefhostess Beatrice spielte, kritisierten die Entscheidungen, Influencer in der Serie auftreten zu lassen. Immer und immer wieder.
Auch TV-Satiriker Harald Schmidt, auf dem Traumschiff als Kreuzfahrtdirektor Oskar Schifferle unterwegs, frotzelte schon über "die gut frisierten Sprechpuppen" und Drehbücher, die "völlig gaga" sind. "Traumschiff"-Staff-Kapitän Daniel Morgenroth aber scheint den Kanal von den Laiendarstellern inzwischen buchstäblich voll zu haben. In einem Interview mit "Bunte" sagte er: "Ich finde es ganz, ganz, ganz kritisch, wenn jemand, der den Beruf nicht kann, tatsächlich eine Hauptrolle spielt. (…) Da hört der Spaß wirklich auf! Diese Person, dieser Influencer, der das Geld nicht braucht, nimmt nämlich einer Schauspielerin oder einem Schauspieler die Arbeit weg - und macht obendrein das Produkt viel schlechter. Und das finde ich unter aller Würde. Das geht überhaupt nicht."
Aber warum greift ein gebührenfinanzierter Sender, der ganz anders als private, nicht von Quoten abhängig ist, permanent auf Influencer zurück? Wie viele andere Kritiker sagt auch Morgenroth, dass es "natürlich um Quoten" gehe: "Man erhofft sich, dass die Influencer und Co. dann auf ihren Kanälen Werbung machen und man so die Zielgruppe erweitern kann."
Die Schauspielerin Katerina Jacob sagte in einem Interview mit der deutschen Presseagentur: "Wie kann es sein, dass ein Format wie das 'Traumschiff' so in den Boden gestampft wird? Sein Erfinder Wolfgang Rademann rotiert im Grabe ohne Ende. Früher war das die Crème de la Crème des deutschen Schauspiels. Und inzwischen sind es Influencer, Moderatoren und Models. Nur, weil man Quote machen möchte. Und es bringt gar nichts. Es bringt null."
"Die schlechteste Folge, seit es das ZDF gibt"
So war auf dem "Traumschiff" zuletzt sogar Cathy Hummels zu sehen. Und in der 100. Folge sind "die Pochers" mit dabei. Nicht nur für Morgenroth funktionieren derlei Besetzungen einfach nicht. Sie machen nicht nur den Beruf, sondern auch das Format kaputt. "Das Traumschiff" hat sich im Laufe der Jahre zu einem Paradebeispiel für eine Unterhaltung entwickelt, die genauso fragwürdig ist, wie die Kosten, die für eine einzige Folge wie die Titanic vom Meer verschlungen werden.
Die kruden Geschichten, die in dieser sogenannten "Familienserie" präsentiert werden, wirken nicht nur oft wie ein fader Abklatsch von Stereotypen und Klischees, sie sind es auch. Die verwursteten Drehbücher und Dialoge, die seit Jahren nicht nur von Crew-Mitgliedern kritisiert wurden, erreichen regelmäßig ein Niveau, das man bestenfalls als banal bezeichnen kann. So titelte der "Berliner Kurier" über die Ausstrahlung an Weihnachten: "Das Traumschiff" säuft ab: "Die schlechteste Folge, seit es das ZDF gibt".
Natürlich bedient sich die Serie eines Schemas: Leichte Kost, einfache Handlungen, schöne Landschaften. Doch die einstige Glücksformel für hohe Einschaltquoten ist nicht nur veraltet, sie bringt inzwischen auch die Zuschauer auf die Barrikaden. Immer mehr schalten "das müde Plätschern" ab oder gar nicht erst ein. In der Weihnachtsfolge irritierte vor allem Kai Pflaume mit einem Gastauftritt als amerikanischer Sheriff. Die Zuschauer über die schauspielerische Leistung des Moderators: "Wird ja immer alberner." Und weiter: "Das kann doch niemand ernst nehmen."
Erfolgt nach der 100. Episode vielleicht endlich die lang gewünschte Zäsur? Denn das ZDF wird die vielen Kritiken über die Qualität ihrer Produktion und die Verwendung von Gebührengeldern sich irgendwann zu Herzen nehmen müssen! Dass Silbereisen in seiner Kabine Sex mit seinem Urlaubsflirt Veronika hat, ist vielleicht innerhalb der Serie ein Novum, aber auch das wird die Zuschauer nicht davon abhalten, umzuschalten. Es gibt so viele frische und neue Ideen für das Kult-Format. Doch sie bleiben ungehört, weil man partout nicht vom alten Kurs abweichen will. Direkt auf den Eisberg: "Volle Kraft voraus!"
Quelle: ntv.de