
Träumt von einer Teilnahme bei "Let's Dance": Carina Spack
Walentina Doronina sorgte im "Sommerhaus" gerade für einen TV-Eklat, Reality-TV-Darstellerin Carina Spack träumt von "Let's Dance" und "Das Traumschiff" erhofft sich durch Influencer eine bessere Quote. Warum rote Teppiche für Leute ausgerollt werden, "die nicht einen geraden Satz sagen können".
Was waren das noch für Zeiten, als richtige Stars in (Reality)-TV-Formate gingen, um den Zuschauern zu zeigen, dass sie ganz normale Menschen sind! Viele hatten auch einfach nur Geldsorgen, wuchsen in TV-Perlen wie dem "Dschungelcamp" über sich hinaus und gaben am Lagerfeuer Anekdoten aus ihrem Leben zum Besten.
Was hingen wir an den Bildschirmen, als Brigitte Nielsen davon erzählte, wie unsterblich Sylvester Stallone einst in sie verknallt war! Oder als Ingrid van Bergen über die Nacht vom 2. auf den 3. November 1977 sprach, in der sie ihren Geliebten mit einem Revolver erschossen hat! Und warum erinnern sich so viele Dschungelcamp-Fans noch an die Teilnahme des inzwischen verstorbenen Weltstars und "schönsten Manns der Welt" Helmut Berger, obschon sein Stelldichein in Australien keine drei Tage währte? Möglicherweise liegt es daran, dass diese abgestürzten, erloschenen Stars allesamt in ihrem Leben etwas geleistet haben und echtes Talent besaßen.
Aber Zeiten ändern sich. Heute brechen immer mehr Influencer den Markt auf, der einst für jene bestimmt war, die wirklich etwas konnten. Immer mehr Produktionsfirmen arbeiten - gewiss auch aus marketingstrategischen Gründen - mit Influencern zusammen. Die jungen Leute, so meint man, erreiche man heute eben anders. Große Verlage, die inzwischen wirtschaftlich gesehen mit dem Rücken zur Wand stehen, lassen von Ghostwritern Bücher für Influencer schreiben, weil diese, so die Hoffnung, die Käufer gleich mitbrächten.
"Das ist doch klar, warum die dabei ist"
Influencer haben sich die aktuellen Zeitgeist-Themen wie Female Empowerment, Body Positivity oder Feminismus zu eigen gemacht und verhökern auf ihren Social-Media-Kanälen überteuerte Produkte für ihre "Soulmates" und "Freundinnen". Der Rubel rollt. Kaum jemand hinterfragt es, wenn die ach so beliebten Influencer unter die Unternehmer und Firmengründer gehen und sogar "eigene Schmuckkollektionen launchen", hinter denen in Wahrheit nichts anderes als Dropshipping steckt.
Sie grinsen in die Kamera und legen dabei die Hand aufs Herz. Alles für Geld, Macht und Einfluss. Wer das kritisiert, ist entweder ein "Hater", "neidisch" oder ein Mensch, der "kein Leben hat". Influencer dringen in sämtliche Branchen vor und werden oft ob ihrer Reichweite hofiert, die in vielen Fällen jedoch künstlich aufgebaut wurde. Schon vor Jahren gab es zumindest ein mittelschweres Stürmchen in den Medien, als die Schauspielerin Veronica Ferres auf dem roten Teppich nicht neben der Influencerin Stefanie Giesinger abgelichtet werden wollte. Medien titelten fragend, ob die damals 21-Jährige eine Rolle in einem Film von Detlev Buck nur wegen ihrer vielen Follower ergattert habe. Der Schauspieler Heino Ferch sagte damals auf den Münchner Filmtagen: "Das ist doch klar, warum die dabei ist. Wenn sie zwei Millionen Follower mitbringt (...)".
Shows, Formate oder Filmrollen mit Influencern zu besetzten, ist, um es mit den Worten von Mark Renton (Ewan McGregor) aus dem Film "Trainspotting" zu sagen, "ein verdammter Drahtseilakt". Die Dosis macht das Gift. Wenn man sich die aktuelle Medien- und TV-Landschaft aber einmal genau anschaut, sieht wirklich alles nach einer Überdosis aus.
Bald startet wieder "Let’s Dance". Und was liest man dieser Tage bereits? Dass die Reality-TV-Darstellerin Carina Spack, die einst bei "Promis unter Palmen" in das miese Mobbing gegen Claudia Obert mit einstimmte, davon träumt, in der beliebten Familien-Tanz-Show dabei zu sein. Anis Ferchichi, besser bekannt als Rapper Bushido, indes formuliert seine Wünsche ganz klar. Er möchte im kommenden Jahr als Kandidat ins "Sommerhaus der Stars" einziehen. Da wäre dann tatsächlich mal wieder ein echter (gefallener) Star dabei.
"Wie Körperverletzung für die Seele"
Ein wenig fragt man sich, ob diese Entwicklung noch aufzuhalten ist. Und ob es überhaupt etwas bringt, an die Macher von Shows und Formaten zu appellieren, nicht sämtlichen Qualitätsanspruch einer Quote unterzuordnen, die spätestens dann einbrechen wird, wenn die Zuschauer genug haben. Natürlich kann man auch über Bushido zweigeteilter Meinung sein. Seine Frau Anna-Maria Ferchichi sagte dieser Tage in Bezug auf das unterirdische Benehmen der aus der "Sommerhaus"-WG geschassten Dauer-Pöblerin Walentina Doronina aber ganz richtig, derlei TV-Szenen seien: "wie Körperverletzung für die Seele".
Die Schauspielerin Katerina Jacob geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt: Influencer "nehmen anderen Leuten den Job weg. (…) Ich habe mit Leuten zu tun, die nicht einen geraden Satz sagen können", sagte die 65-Jährige in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Und weiter: "Die nuscheln vor sich hin, haben aber ein Selbstbewusstsein, dass ich denke: Wow, genial."
Ihrer Meinung nach würde dadurch sogar ein TV-Klassiker wie "Das Traumschiff" "in den Boden gestampft werden." Dass der Dampfer schon länger Schlagseite hat, ist bekannt. Aber sich Aufwind zu erhoffen, indem man Influencern Rollen gibt, ist nicht sonderlich clever. "Traumschiff"-Erfinder Wolfgang Rademann "rotiert im Grabe ohne Ende", so Jacob. "Früher war das die Crème de la Crème des deutschen Schauspiels. Und inzwischen sind es Influencer, Moderatoren und Models. Nur, weil man Quote machen möchte. Und es bringt gar nichts. Es bringt null."
Dass "Reality-Stars" auf dem roten Teppich häufig besonders bewundert werden, hält nicht nur Jacob für falsch. Dass sie ohne Können und Talent in sämtliche Formate kämen, liege jedoch an den "Produzenten, die das zulassen".
Sollte sich diese Entwicklung weiter so wenig hinterfragt ausweiten, wird es sicher nicht mehr lange dauern, bis der erste Influencer für einen Sitz im Bundestag kandidiert. Andererseits: Viele Social-Media-Persönlichkeiten können mit einem Post locker mehr Wähler als die meisten etablierten Politiker generieren.
Quelle: ntv.de