Heimat - der strapazierte BegriffRoman Knižka, die Landschaft, die Lausitz und die Liebe
Ein Interview von Sabine Oelmann 
Mit seinem neuesten Tourprogramm "Deutschland, siehst du das nicht?" (ein Zitat des Berliners Kurt Tucholsky) richtet Roman Knižka gemeinsam mit dem virtuosen Bläserquintett Opus 45 den Blick auf die Weimarer Republik. Und seine Heimat.
Mit Swing von Cole Porter bis zu den Comedian Harmonists, viel Literatur und klassischer Musik geht es um den Zerfall, aber auch um die kulturelle Blüte der ersten deutschen Demokratie. Das Thema ist leider aktueller als gedacht. Unter anderem deshalb spricht ntv.de mit Roman Knižka über das Thema Heimat – und es wird einem zum Glück ganz warm ums Herz, wenn er über seine Kinder, seine Familie und seine Herkunft spricht. Wir erfahren zum Beispiel, dass er als junger Mann auf Parkplätzen oder in einer Gummifabrik gearbeitet hat.
ntv.de: Wo haben Sie noch gejobbt, bevor es endgültig in Richtung Schauspiel ging?
Roman Knižka: In einem Tennisclub ...
… als Tennislehrer …
… nein, als Tellerwäscher (lacht), da hatte ich wirklich kurz den Gedanken, ich könnte es vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen. Ich hatte, in Baden-Württemberg war das, zumindest einen super Ausblick auf die Spieler draußen.
Dann kam es aber doch anders, und Sie sind Schauspieler geworden.
Zum Glück! Wirklich!
Wir wollten ja über den Begriff "Heimat" sprechen …
Genau. Heimat ist für mich kein gestörter Begriff, ich bin da völlig mit d'accord, das bedeutet für jeden etwas anderes. Ilka Peemöller hat mich dazu neulich auch interviewt - sie hat mit dem Wort 'Heimat' einen Begriff in der Mangel, der so verklärt sein könnte, so falsch besetzt, aber sie macht einen unkomplizierten Talk daraus, der ja grundsätzlich ein sehr einfaches Thema beinhaltet. Wenn man das möchte. Man kann den Begriff natürlich auch überfrachten.
Was bedeutet Heimat denn für Sie?
Zuerst einmal hat jeder eine Heimat, irgendwie. In meinem Fall ist das sehr einfach - da, wo ich herkomme ist meine Heimat. Wo ich geboren und aufgewachsen bin, also in Bautzen, wo sich noch immer Familienmitglieder befinden. Wo ich drei Mal im Jahr hinfahre oder öfter, wenn es mir gelingt, eine Konzertreihe in die Ecke des Landes zu legen (lacht). Ich habe immer das Gefühl, dass ich da mal nach dem Rechten schauen muss. Und ich möchte auch das Grab meines Vaters besuchen.
Bedeutet Heimat also Menschen?
Auch! Aber nicht nur. Es ist für mich vor allem die Landschaft. Die Landschaft der Oberlausitz, und ganz klar, die schönsten Monate sind Mai, Juni und Juli, da wirkt es fast toskanisch, wenn die Rapsfelder blühen, das Mittelgebirge, kleine Städte, aus denen Kirchtürme herausragen (lacht), ich könnte dafür wirklich Werbung machen. Gepaart mit der angenehmen Mentalität der Bevölkerung. Aber auch der Winter ist ganz fantastisch.
Wenn Sie die Augen schließen …
… dann sehe ich die Landschaft, ganz eindeutig. Und die Silhouette meiner Heimatstadt.
Das klingt für eine Berlinerin sehr süß und blumig. Ich sehe aber auch sowas wie Landschaften, den Grunewaldsee, den Teufelsberg und die Domäne Dahlem. Da gibt es Tiere, Märkte, Kartoffelernte, da war ich als Kind, dann mit meinen Kindern, wir sind da Trecker gefahren und haben Drachen steigen lassen.
Ich kenne den Ort, da schließt sich wirklich ein Acker an, und die U-Bahn fährt trotzdem. Also Landschaft ist ganz viel Heimat. Heimat ist aber auch Fahrradfahren, raus aus der Stadt, dann das Moped, die Moped-Gang, Mädchen auf dem Rücksitz, zur Dorfdisko. Da war man der King, wenn man aus der Stadt kam (lacht). Und nachts, in einer Sommernacht, dieser Duft!
Und was ist mit "Home is where your heart is"?
Bei mir ist Heimat was Lokales, wo meine Familie seit Generationen herkommt. Vielleicht ist in unserem Familienchat noch viel Heimat, das könnte durchaus sein. Dort hat alles irgendwie immer mit unseren Wurzeln und unserer Ur-Familie zu tun.
Sie sind geflohen, bevor die Mauer fiel …
Ja, und das war hammerhart. Das musste ich mir wirklich gut überlegen damals. Aber die Freiheit bedeutete mir dann doch noch mehr als die Heimat. Mein Vater stammte aus der Tschechoslowakei, daher auch mein Nachname, und der durfte reisen. Besuchte also unsere Verwandten mütterlicherseits im Westen. Das wollte ich auch. Meine Mutter war als Künstlerin weltweit unterwegs, Westdeutschland wurde allerdings ausgespart. Inzwischen ist alles zum Glück so ein schönes Gemenge. Es ist auf jeden Fall gut, sich ab und an zu besinnen – wer man ist und woher man kommt.
Gerade wenn man aus der DDR kommt, oder einem Land, das problematisch ist, dann ist die Heimat vielleicht auch etwas, das man abstreifen möchte …
Ja, aber selbst in der Zeit der Nationalsozialisten, als so viele aus ihrer Heimat fliehen mussten, haben viele Menschen nur darauf gewartet, dass sie wieder in ihr Land zurückkommen können. In ihre Heimat, obwohl es dort eine lange Zeit nicht gut lief. Die meisten Menschen wollen ihre Heimat nicht verlassen, auch heute nicht, aber sie werden aus vielerlei Gründen dazu gezwungen. Es gibt leider unfassbar viele Gründe, die Heimat zu verlassen. Und genauso viele, wieder zurückzukehren.
Gilt das für Sie auch?
Nein. Ich kann nicht mal, wenn ich spazieren gehe, denselben Weg zwei Mal gehen.
Was ist mit Sprache?
Da ist viel Heimat drin, ja, und ich muss gestehen, dass ich an meiner Sprache gearbeitet habe, zwei Jahre an der Schauspielschule in Bochum, um das Sächsische rauszubekommen. Ich wollte mich quasi auf einen normalen Level setzen, um darauf dann aufzubauen.
Wenn Sie nächstes Jahr wieder touren, sind Sie mit einem Programm unterwegs, in dem es um Musik und Sprache geht, um Demokratie und Geschichte, keine leichte Kost.
Warum auch (lacht)? Das Leichte bringt einen ja nicht wirklich weiter. Ich wurde im Laufe der Jahre immer politischer. Wenn man eine gute Zukunft möchte, wenn man Kinder hat, dann beschäftigt man sich mit der Zukunft, aber auch mit der Vergangenheit, um keine Fehler zu wiederholen. Und da dachte ich, ich gehe mal in die deutsche Geschichte rein. Da ich ja sowieso die Ost-West-Verbindung habe, ein Zeitzeuge bin, dachte ich, ich kann das auch professionalisieren. Und das kann ich auf großen Bühnen, aber auch, wenn ich in die Schulen reingehe – da sitzen sehr aufmerksame Jugendliche, die ein gewisses Grundwissen haben, und denen kann ich, glaube ich, richtig was beibringen. Die haben mich vielleicht in der Serie "Dark" gesehen, die vertrauen mir. Und wenn man dann noch mit 1a-Musikern kommt, dann sagen die: "Wissen Sie was, ich habe heute bei Ihnen mehr gelernt als in einem Jahr Geschichtsunterricht."
Mit Roman Knižka sprach Sabine Oelmann
Ab 22. Januar geht er übers Jahr verteilt wieder auf Tour. Mehr Infos zu Opus 45 hier
Nächster Heimat-Talk ist am 11. Dezember bei Drive. Volkswagen Group Forum in der Berliner Friedrichstraße, die Gäste sind Gisa Flake und Nico Hofmann